Gestern bestätigte das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), was bereits am vergangenen Freitag durch den Busch gedrungen war: Eine vom BMEL in Auftrag gegebene Studie hat bestätigt, dass das Schmerzempfinden bei Hühnerembryonen nicht vor dem 13. Bebrütungstag einsetzt. Damit gibt es nach Aussage des Ministeriums auch keine wissenschaftliche Grundlage mehr, um das Tierschutzgesetz in seiner jetzigen Form zu belassen. Es soll geändert werden.
Geschlechtsbestimmung im Ei: Gesetzesanpassung ist zu erwarten
Die Branche kann also aufatmen. Die Regelung, die ab 2024 eine Geschlechtsbestimmung im Ei vor dem 7. Bebrütungstag vorschreibt, wird wohl noch einmal geändert werden, um Rechtssicherheit zu schaffen. Das Ministerium schreibt: „Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen setzt das Schmerzempfinden bei Hühnerembryonen nicht vor dem 13. Bebrütungstag ein – und damit deutlich später als bislang angenommen. Damit gibt es keine wissenschaftliche Grundlage, um das Tierschutzgesetz in seiner jetzigen Form zu belassen.“
Die Studie zum Schmerzempfinden kommt im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass bis einschließlich Bebrütungstag 12 davon auszugehen ist, dass Hühnerembryonen keine Schmerzen empfinden können, und dass ab Bebrütungstag 13 ein Schmerzempfinden der Hühnerembryonen nicht mehr ausgeschlossen werden kann. An er Studie beteiligt waren die Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Klinikums rechts der Isar in München, die Technische Universität München, die TUM School of Life Sciences. Das Schmerzempfinden wurde anhand der elektrischen Aktivität des Gehirns der Embryonen, deren Blutdruck und Herzfrequenz sowie deren Bewegungen untersucht.
Bericht an den Agrarausschuss des Bundestages
Die Studie ist Teil des vorgeschriebenen Berichts des BMEL an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft des Deutschen Bundestages, der bis zum 31. März 2023 zum „Stand der Entwicklung von Verfahren und Methoden zur Geschlechtsbestimmung im Hühner-Ei vor dem siebten Bebrütungstag“ informieren soll. Diese Regelung war mit der Novelle des Tierschutzgesetzes zum Verbot des Kükentötens am 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Das Gesetz in seiner jetzigen Form sieht vor, dass ab 2024 eine Geschlechtsbestimmung im Ei vor dem 7. Bebrütungstag stattfinden muss. Technische Verfahren der Selektion vor dem 7. Tag sind bisher nicht verfügbar bzw. technisch nicht ausgereift. Damit bliebe nur die Aufzucht der männlichen Tiere, was mit hohen Kosten verbunden ist und sich wirtschaftlich nicht als rentabel erweist.
Gängige Praxis EU- und weltweit
Im EU- und weltweiten Maßstab ist das routinemäßige Töten der männlichen Küken der Legerassen insgesamt weiterhin gängige Praxis. Frankreich, Österreich und Luxemburg haben jedoch ebenfalls nationale Beschränkungen, die Niederlande eine verbindliche Reduktionsstrategie. Als Replik auf eine französisch-deutsche Initiative hat die Europäische Kommission auf der Tagung des Rates der Europäischen Union (Landwirtschaft und Fischerei) am 17. Oktober 2022 angekündigt, einen Vorschlag für eine EU-weite Beendigung des Kükentötens vorzulegen.
Tierschutzbund: „BMEL knickt vor Branche ein!“
„Cem Özdemir tappt jetzt in die Falle, die ihm seine Vorgängerin mit einem unzureichenden Gesetzentwurf gestellt hat“, schreibt der Deutsche Tierschutzbund in einer Reaktion auf die Ankündigung Bundesministeriums, das Tierschutzgesetz erneut ändern zu wollen. Julia Klöckner habe nie die Systemfrage gestellt, sondern lediglich eine technische Lösung gewollt, um das tierschutzfeindliche System der Hochleistungseierproduktion zu erhalten. Der grundlegende Fehler dieses Gesetzes sei gewesen, dass man der Industrie mit der Geschlechtsbestimmung im Ei sowie der Tötung von Embryonen ein Schlupfloch gelassen habe, welches diese nun aus ökonomischen Interessen nutze. Das Kükentöten, ob im Ei oder nach dem Schlüpfen, sei rigoros zu verbieten und eine Umstellung auf sogenannte Zweinutzungshühner anzustreben.
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