Das Thema Kükentöten wird nicht nur in Fachmedien viel diskutiert. Der „Spiegel“ erklärt in seiner aktuellen Ausgabe sehr ausführlich den Stand der Dinge hierzulande. Und zeigt mit Beispielen aus EU-Nachbarländern, dass man bessere Wege gehen kann.
Verbot Kükentöten: Andere Länder – andere Sitten
Immerhin drei Seiten widmet das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ diese Woche dem Verbot des Kükentötens. Es wird also nicht nur in der Geflügelbranche diskutiert, sondern ist auch für Verbraucher ein „relevantes“ Thema. Deutschland ist bekanntlich Vorreiter beim Verbot, die männlichen Eintagsküken von Legerassen zu töten. Seit Anfang 2022 gilt dieses Verbot. Drei Alternativen haben sich seitdem etabliert – allem voran die Geschlechtsbestimmung im Brutei (In-ovo-Verfahren), bei der es zwei praxistaugliche Verfahren gibt. Daneben wird ein Teil der männlichen Küken aufgezogen (Bruderhahnmast) oder es werden Zweinutzungsrassen eingesetzt - beides ist ökonomisch und aus Gründen der Nachhaltigkeit problematisch.
Vorreiterrolle beim Verbot Kükentöten brachte viele neue Probleme
Der „Spiegel“ analysiert sehr genau, warum Deutschlands Vorreiterrolle beim Verbot des Kükentötens für neue Probleme gesorgt hat: Viele der männlichen Eintagsküken werden nicht in Deutschland aufgezogen, sondern etwa nach Polen gebracht. Die Futterverwertung ist mangelhaft, das Fleisch kann mit dem von Mastrassen nicht konkurrieren. Ähnliches gilt für die Zweinutzungsrassen. Nicht verboten ist in Deutschland zudem der Import von Jung- oder Legehennen aus dem Ausland, wo das Kükentöten legal ist. Werden die Eier in verarbeiteten Produkten wie Nudeln eingesetzt, ist keine Deklaration nötig – der deutsche Verbraucher merkt nichts davon.
Über der Geschlechtsbestimmung im Brutei hängt in Deutschland als Damoklesschwert, dass es schon 2024 eine Verschärfung des Gesetzes geben soll. Ab dann soll die In-ovo-Methode nur noch zulässig sein, wenn sie vor dem 7. Bruttag angewendet werden kann. Das kann jedoch keines der beiden etablierten Verfahren. Andere, die das könnten, sind noch in der Entwicklung und werden aller Voraussicht nach auch in zehn Monaten nicht in der breiten Praxis eingesetzt werden können.
In anderen EU-Ländern gibt es bessere Lösungen
In unseren Nachbarländern will man, ebenso wie in Deutschland, aus ethischen Gründen auch vom Kükentöten wegkommen, darin besteht Einigkeit. Aber den Unterschied machen die Wege, die dazu beschritten werden. Und die sind pragmatischer:
Niederlande: wissenschaftliche Folgenabschätzung
In den Niederlanden ist die Eiererzeugung ein wirtschaftlich bedeutender Bereich der Agrarwirtschaft. Dort hat das Landwirtschaftsministerium bislang noch kein Verbot des Kükentötens verhängt, man setzt auf wissenschaftliche Expertise: Die Universität Wageningen wurde mit einer Folgenabschätzung beauftragt. Die Studie dazu wurde im vergangenen Sommer vorgelegt. Das wesentliche Ergebnis laut „Spiegel“: Ein Verbot führe nicht automatisch dazu, dass weniger Küken getötet werden. Zudem könne es bewirken, dass etwa Millionen Mäuse gezüchtet würden als Ersatz für die fehlenden Futterküken in Zoos, Tierparks etc. Womöglich würden auch Länder, in denen das Kükentöten noch erlaubt ist, die Produktion von Futterküken für den Export intensivieren. Das Fazit der Wissenschaftler: „Ein Verbot ist kein Selbstzweck“.
Frankreich: längere Übergangsfristen
Frankreich beschloss zwar gemeinsam mit Deutschland den Ausstieg aus der Praxis des Kükentötens. Doch weiterhin zugelassen ist es bei den männlichen Küken von Weißlegern. Die in der Praxis angewandte Methode der Geschlechtsbestimmung per Durchleuchtung des Bruteis funktioniert nämlich nur bei Braunlegern. Zudem dürfen französische Brütereien die jetzt im Einsatz befindlichen Techniken zur Geschlechtsbestimmung noch fünf Jahre weiter nutzen.
Österreich: Abgabe an Zoos und Greifvogelstationen erlaubt
Auch in Österreich gilt seit dem 1. Januar 2022 ein Verbot des Kükentötens. Entscheidend ist hier aber die Ausnahmeregelung: Zu „Futterzwecken“ ist es weiter zulässig. Futterküken stellen demnach eine unverzichtbare Nahrungsquelle für verschiedene Zootiere, darunter auch viele gefährdete Arten dar. Zoos, Tierparks sowie Greifvogelstationen sind in Österreich Abnehmer der Tiere. Vor 2022 kam etwa die Hälfte der Futterküken in Österreich aus dem Ausland – u. a. auch aus Deutschland.
Ende März Anhörung im Bundestag, wie es weitergehen soll
In Deutschland setzt die Branche jetzt noch ihre Hoffnung auf den 31. März 2023. Dann muss der jetzige Landwirtschaftsminister Cem Özdemir vor dem Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft des Deutsches Bundestags über den Stand der Möglichkeiten bei der Geschlechtsbestimmung im Ei berichten. Laut „Spiegel“ erkärte das Bundeslandwirtschaftsministerium, dass dieser Bericht „eine Grundlage darstellen werde, um über etwaigen weiteren Handlungsbedarf zu entscheiden“.
Diesen Handlungsbedarf gibt es eindeutig!
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