Heidemark: Weg mit den bürokratischen Hürden beim Stallbau!

04 September 2024
Pute
Heidemark

Landwirtin Anette Wilking (Mitte) möchte ihre Putenställe für die Haltungsform 3 nachrüsten, scheitert jedoch an den rechtlichen Rahmenbedingungen.

Das Unternehmen Heidemark hatte am Dienstag (3.9.) Experten und Betroffene auf den Hof der Familie Wilking in Vechta-Langförden eingeladen, um zu diskutieren, wie die Transformation der Putenhaltung hin zu mehr Tierwohl gelingen kann. Seit Jahren werden hier Veränderungen gefordert und die Branche ist schon auf dem Weg. Sie hat bereits vor Jahren bundeseinheitliche Eckwerte definiert und engagiert sich in der Initiative Tierwohl. Doch bei der Umsetzung des nächsten logischen Schrittes – der Haltungsstufe 3 - scheitert man, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht stimmen.

Unter dem beschriebenen Umstand leidet auch Familie Wilking, die in Vechta-Langförden einen Hof mit 70 Hektar Ackerland, Mastschweinen und einer Putenmast mit 26 000 Tierplätzen bewirtschaftet. Die Familie möchte ihre Putenställe gern auf Haltungsform 3 umstellen, weil sie darin die Zukunft sieht. Die Ställe sollen neben einem höheren Platzangebot (30 Prozent weniger Tiere als in Haltungsstufe 1) und Beschäftigungsmaterial auch einen Zugang zu einem Wintergarten bieten. Den Bauantrag für den Wintergarten hat die Familie gemeinsam mit einem Architekten ausgearbeitet, aber noch nicht eingereicht. Warum nicht?

„Weil wir es nicht dürfen“, sagt Annette Wilking. „Denn dieser Bauantrag ist nach aktuellem Baurecht und Emissionsverordnungen nicht genehmigungsfähig.“ Die Landwirtin hat sowohl die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Mirjam Staudte als auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir schon persönlich auf das Thema angesprochen, „aber bisher nur Visitenkarten und keine Antwort erhalten“. Trotzdem will die Familie nicht resignieren und hofft, dass sich ihr Plan trotz aller Hürden trotzdem irgendwann realisieren lässt.

Der Bund muss nachbessern

Wie könnte das gehen? Vechtas Kreisrat Dr. Benedikt Beckermann verweist auf gesetzgeberische Vorgaben des Bundes. Dort müsse im Baurecht nachgebessert werden. „Unser Handlungs- und Ermessensspielraum vor Ort ist begrenzt“, sagt Dr. Beckermann. Sein Cloppenburger Kollege Ansgar Meyer führt an, dass die Anerkennung von Haltungsform 3 als gesichertes Haltungsverfahren für landwirtschaftliche Betriebe Möglichkeiten bei der Genehmigung eröffnen könne. Dem stimmt auch Stephanie Nöthel, Abteilungsleiterin im niedersächsischen Wirtschaftsministerium, zu. Nach ihrer Aussage ist ein Umbau für landwirtschaftliche Betriebe mit eigener Futterbasis von mindestens 50 Prozent aus eigenem Anbau leichter zu bewerkstelligen als in der gewerbliche Tierhaltung. „Hier muss Berlin im Baurecht noch Hürden beseitigen.“

Aldi: Keine Alternative zu Haltungsform 3 und 4

Bernd Kalvelage, der Heidemark über Jahrzehnte geführt hatte und bereits vor mehr als zehn Jahren die eigenen Ställe in Sachsen-Anhalt mit Wintergärten ausstattete, sieht sich als Marktführer trotz aller Stolpersteine in der Pflicht, die Standards in der Putenhaltung zu setzen. „Heidemark hat sich schon immer für die Haltungsform 3 eingesetzt und die muss jetzt für alle Landwirte ermöglicht werden“, sagt er. Mehr Tierwohl sei das Ziel.

Den Handel freut solch eine Einstellung. So gibt es für Stephan Schoch, Nachhaltigkeitsmanager bei Aldi Süd, keine Alternative zur Haltungsform 3. Beim Discounter Aldi sehe man im Haltungswechsel eine Investition in die Zukunft, doch dieser müsse mit dem Standort Deutschland verknüpft sein. „Bei Aldi haben wir unseren Partnern diesbezüglich Planungssicherheit gegeben. So wird es bis 2030 bei Aldi Süd Frischfleisch nur noch in den höheren Haltungsformen 3 und 4 geben.“ Die Umstellung laufe gut, wobei die Pute die erste Tierart sei, die man bereits zu 100 Prozent umgestellt habe. „Trotz Inflation kauft der Kunde bei uns in den Läden Haltungsform 3 und 4 und wir konnten unsere Umsatzanteile dieser Produkte steigern. Der Kunde nimmt es an und ist bereit, mehr für Tierwohl auszugeben.“ Schoch betonte, dass die Pute bei Aldi Süd nicht nur zu 100 Prozent aus der Haltungsform 3 stamme, sondern das Fleisch auch zu 100 Prozent aus Deutschland komme. Seiner Ansicht nach müssen zwei Themen dringend geregelt werden. Die Finanzierung des Umbaus der landwirtschaftlichen Stallanlagen und das Baurecht.

Gleiches Recht für alle

Nach Christoph Lang, Leiter Unternehmensentwicklung bei Heidemark, braucht es vier Punkte, damit der tierwohlgerechte Umbau vorangetrieben werden kann. Da sei zum einen das Bekenntnis zur deutschen Herkunft durch den Handel und durch die Verbraucher, denn mehr Tierwohl im Stall koste natürlich auch etwas. Mit der Haltungsstufe 3 könne man mit der Ware, die aus Osteuropa - insbesondere aus Polen und der Ukraine - nach Deutschland hereinschwappe, nicht mithalten.

Darüber hinaus müssten Standards einheitlich über alle Fleischarten umgesetzt werden, da sonst die Gefahr bestehe, dass Verbraucher preismotiviert einkaufen und die Anstrengungen zu mehr Tierwohl nicht honorieren. Auch eine Ausweitung auf andere Kanäle wie Außer-Haus-Verzehr und verarbeitete Ware sei erforderlich.

Und natürlich müssten die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit ein Umbau möglich ist. Das betreffe die Herkunfts- und Haltungskennzeichnung, das Baurecht und das Bundesimmissionsschutzgesetz. Hier seien in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Schweinehaltung einige Dinge umgesetzt worden. „Für die Geflügelwirtschaft ist leider wenig bis gar nichts passiert“, so Lang.

Text:
Cordula Moebius

Cordula Moebius

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Bild: Cordula Möbius

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