Auch Heidemark, Europas größter Putenfleischvermarkter, schlägt Alarm. Würde das Eckpunktepapier Puten umgesetzt, ist Deutschland nicht mehr konkurrenzfähig. Überall in der EU sind die Standards deutlich niedriger.
Eckpunktepapier Puten: Auch Heidemark schlägt Alarm
Der Geflügelfleischspezialist Heidemark mit Sitz im Landkreis Oldenburg, fürchtet um die Putenhaltung in Deutschland. „Wenn das Eckpunktepapier zur Putenhaltung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir so umgesetzt wird, wie es auf dem Tisch liegt, können Landwirte in Deutschland keine Puten mehr halten“, kritisiert Christopher Kalvelage, Geschäftsführender Gesellschafter von Heidemark. „Das öffnet die Türen für Billigimporte aus dem Ausland.“ In Deutschland würde nach Berechnungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen Putenfleisch zum Luxusartikel mit Preiserhöhungen von 2,50 €/kg. Durch die gestiegenen Futter- und Energiekosten ist Putenfleisch ohnehin schon deutlich teurer geworden für Verbraucher. Zum Vergleich: Im Februar 2021 kostete 1 kg Putenschnitzel natur 7,74 €, im Februar 2023 bereits 11,04 € (GfK).
Freiwillige Vereinbarungen Vorbild in anderen Ländern
Ende vergangenen Jahres hatte das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) ihr Eckpunktepapier für die Haltung von Mastputen vorgestellt. Putenmästerinnen und Putenmäster, Fachverbände und Vermarkter reagierten auf breiter Front mit heftiger Kritik. Das Eckpunktepapier soll Teil der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung werden und „eine Gesetzeslücke schließen“, wie das BMEL argumentiert. Zwar gibt es in Deutschland bislang tatsächlich keine gesetzlichen Regelungen für die Putenhaltung, aber bereits seit 2013 eine freiwillige Haltungsvereinbarung der Branche. Sie wurde damals in Abstimmung von Branche, BMEL, Wissenschaft und u.a. Tierschutzorganisationen erarbeitet und hat gesetzesähnlichen Charakter. Sie dient Veterinären als Vorgabe bei Kontrollen. Dänemark hat die freiwilligen Vereinbarungen in Deutschland 1:1 für seine gesetzlichen Vorgaben zur Putenhaltung übernommen.
Die Kritik von Heidemark und der gesamten Putenbranche bezieht sich vor allem auf die im Eckpunktepapier genannten Besatzdichten. Sie liegen mit 40 kg/qm (Hahn) bzw. 35 kg/qm (Henne) erheblich unter den Besatzdichten der freiwilligen Vereinbarung in Deutschland (58 kg/52 kg). Und sie liegen ebenfalls deutlich unter den Vorgaben der Initiative Tierwohl (ITW) mit 53 kg/qm für Putenhähne bzw. 48 kg/qm für Putenhennen. Ca. 70 % der Putenerzeugung in Deutschland erfüllt bereits die Kriterien der Initiative Tierwohl. Das gut eingeführte ITW-System, das teilnehmenden Landwirten einen Mehrerlös sichert, würde mit der Umsetzung der Eckpunkte hinfällig.
Neben Deutschland es gibt es nur in Polen und Ungarn spezifische Haltungsverordnungen für Puten mit deutlich höheren Besatzdichten. In Italien, Frankreich und Spanien existieren gar keine Obergrenzen für die Besatzdichte. Zudem hat die EU aktuell die Importquoten für Geflügelfleisch aus Brasilien, Chile und der Ukraine erhöht. „Niemand kann wollen, dass wir regional erzeugtes Fleisch durch Importe ersetzen, die oftmals unter deutlich niedrigeren Tierwohl-, Umwelt- und Sozialstandards produziert werden“, sagte Christopher Kalvelage. Schon heute ist in Deutschland der Importanteil bei Putenfleisch hoch. Es geht vor allem in den Bereich Großverbraucher und Convenience.
Einheitliche EU-Regelungen sind nötig
Er forderte den Abschied vom deutschen Alleingang und stattdessen EU-weite Regelungen. Im Rahmen der “Farm to Fork Strategie“ ist von der EU-Kommission ein Prozess zur Überarbeitung der Tierschutzvorschriften, einschließlich Tiertransporte und Schlachtung von Tieren aufgesetzt. Sie sollen an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst werden. Dieser Prozess läuft für alle Tierarten, auch für die Pute. Der Heidemark-Chef forderte, dass das BMEL besser diesen Prozess nutzen solle, um deutsche Positionen einzubringen und einheitliche EU-Regelungen zu schaffen. Nur so könnte Wettbewerbsgleichheit erreicht werden.
Enttäuscht ist sicher nicht nur Christopher Kalvelage, dass Landwirtschaftsminister Cem Özdemir im Vorfeld des Eckpunktepapiers kein einziges Mal den fachlichen Austausch mit der Branche gesucht hat. Er forderte Özdemir auf, dies nachzuholen.
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