„Bei den Puten sehen wir schwarz!“

28 Juli 2022
Pute

„Wenn es um die Haltung und den Schutz von Puten geht, wissen wir gar nicht so richtig, wo wir ansetzen sollen“, erzählt Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, im zweiten Teil des Interviews mit Geflügelnews und Caspar von der Crone (CD Consulting). Und er spricht über seinen Wunsch einer anderen Wertschätzung für Produkte von Nutztieren. 

Geflügelnews: Gibt es bei der Haltung von Puten ähnliche Pläne wie bei der Haltung von Masthähnchen? 

Nein, die gibt es nicht. Der Hintergrund ist, dass wir die Masthähnchenhaltung für reformierbar halten und bei der Putenhaltung schwarzsehen. Hier wissen wir gar nicht so richtig, wo wir ansetzen sollen. Die üblichen Puten-Zuchtlinien gehen aus Qualzuchtsicht überhaupt nicht und echte Alternativen sehen wir nicht. Deshalb gehen wir hier mit unserer Partnerorganisation Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg den juristischen Weg der Tierschutz-Verbandsklage und wollen feststellen lassen, dass die heutige Putenhaltung mit dem Tierschutzrecht nicht vereinbar ist.

Caspar von der Crone, CD Consulting: Was uns alle beschäftigt, ist unsere Nahrungsgrundlage und die Futterversorgung. Damit wird leider derzeit sehr viel Politik gemacht und an den Börsen wird spekuliert. Wird hier überzogen, um den Standard nicht weiter steigern zu müssen?

Für mich ist das ein ganzer Themenkomplex, der ineinandergreift. Ich fange mal mit dem Fleischkonsum an: Wir konsumieren in Deutschland deutlich mehr Fleisch als die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Da ist es doch viel sinnvoller zu sagen: Wir essen weniger Fleisch und realisieren dafür höhere Tierschutzstandards - das darf dann auch ein bisschen mehr kosten. Und wenn wir weniger Fleisch produzieren müssen, weil die Nachfrage nach Fleisch nachlässt, dann sinkt auch die Sorge darum, wo wir die Futtermittel für die Tiere herkommen sollen.

"Mir wäre es lieber, wenn wir nicht mehr darauf hinweisen müssen, dass bei der Erzeugung von Fleisch routinemäßig gegen das Tierschutzrecht verstoßen wird."

Caspar von der Crone, CD Consulting: Weniger ist also mehr und es ist besser, einen hohen Standard zu haben?

Wir sind froh, wenn dieser Weg beschritten wird. Deshalb ziehen wir ja ab und zu das Schwert des Verbandsklagerechtes. Mir wäre es allerdings lieber, wenn sich die Wirtschaft in eine Richtung entwickelt, bei der wir nicht mehr darauf hinweisen müssen, dass bei der Erzeugung von Fleisch routinemäßig gegen das Tierschutzrecht verstoßen wird. Wünschenswert wäre, dass eine andere Wertschätzung für Produkte von Nutztieren in den Markt kommt, und zwar von allen Seiten. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind bereit dafür. Ein Hemmschuh dieser Entwicklung sind allerdings die Lockangebote des Handels. Solange diese Angebote am Markt sind, ist es ziemlich schwer, den Schritt in Richtung höherer Standards konsequent zu gehen. Ich finde, dass wir einfach das unterste Niveau vom Markt wegnehmen müssten, wie wir das auch bei den Käfigeiern getan haben. Damit würde dem Verbraucher die Umstellung erleichtert. 

Mahi Klosterhalfen ist Geschäftsführer und Präsident der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt. Bereits als Student setzte er sich aktiv für Tiere ein und gründete in dieser Zeit unter anderem die „Initiative käfigfreie Mensa“. Mahi Klosterhalfen engagiert sich auch in internationalen Tierschutz- und Tierrechtsbewegungen, unter anderem im Vorstand der internationalen Organisation Compassion in World Farming.

Bei Haltungsstandards darf es nicht nur um Platz und Auslauf gehen

Caspar von der Crone, CD Consulting: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat eine Haltungskennzeichnung nach dem Vorbild der Eier gefordert, er scheint sich damit aber nicht durchzusetzen. Das ist auch für den Tierschutz ein wichtiger Aspekt. Wie geht es hier aus Sicht der Albert Schweitzer Stiftung weiter?

Mit dem Modell von Cem Özdemir habe ich zwei Probleme: Das eine ist sein ganz starker Fokus auf den Faktoren Platz und Auslauf. Das ist mir zu simpel geraten. Tierschutzstandards sind einfach umfassender. Hier müssten Themen wie Qualzucht und Amputation, Beschäftigungsmaterial und Schlachtung mit einfließen. Das andere ist, dass Bio per se als höchster Standard definiert wird. Denn hier haben wir doch eine große Spannweite, angefangen bei EU-Bio bis hin zu Verbandsware in höheren Ebenen. Da muss eine differenziertere Betrachtung her. Wenn es um den Tierschutz geht, kann man kann die Anforderungen von EU-Bio auch im konventionellen Bereich leicht überbieten. Meine Zielrichtung ist nicht eine reine Haltungs- und Herkunftskennzeichnung; die Tierschutzkennzeichnung sollte hier mitgedacht werden. Da gibt es Nachbesserungsbedarf, sowohl bei dem Özdemir-Modell als auch beim Haltungsformmodell aus dem Lebensmitteleinzelhandel. 

Geflügelnews: Käfigfrei ist in Deutschland und vielen EU-Ländern umgesetzt. Doch in Drittstaaten, aus denen insbesondere Eiprodukte zu niedrigen Preisen importiert werden, gibt es noch konventionelle Käfige. Davon profitiert die Industrie, nicht aber die Landwirte. Dieses Verhalten ist nicht fair. Die Landwirte haben in alternative Haltungsformen investiert und müssen nun mit billigen Importen aus Drittländern konkurrieren. 

Das unterstreiche ich. Auch da fehlt die ganzheitliche Denkweise. Wir können uns nicht nur bei der Produktion vom Käfig verabschieden, sondern müssen dies auch bei der verarbeiteten Ware durchsetzen. Dazu kommt, dass wir vor rund einem Jahrzehnt von den meisten Unternehmen der deutschen Lebensmittelwirtschaft die Selbstverpflichtung eingeholt haben, keine Käfigware mehr zu verarbeiten. 

„Das Großhungern von Bruderhähnen lehnen wir ab!“

Im dritten Teil des Interviews mit Mahi Klosterhalfen geht es vor allem um die Geschlechtselektion im Brutei und das Thema Bruderhahn-Aufzucht. 

 

Text:
Cordula Moebius

Cordula Moebius

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Bild: Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V., Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt

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