Putenmast: Müssen einige Eckwerte auf den Prüfstand?

23 Juni 2022
Pute
Mastputen in einem beleuchteten Stall

Nach den Bundeseinheitlichen Eckwerte zur Haltung von Mastputen müssen Putenställe mit einer Mindestlichtstärke überall gleichmäßig ausgeleuchtet sein. Ein Projekt untersucht, ob nicht dunklere Ruhebereiche im Stall, die auch Struktur geben, gut wären.

Was in der Legehennenhaltung inzwischen Standard ist, stellt für die Putenhaltung nach wie vor ein ungelöstes Problem dar: ein Verzicht auf das Schnabelkürzen, und zwar ohne Probleme mit Federpicken oder Kannibalismus in der Herde. Viele Projekte und Untersuchungen gab es hierzu in den vergangenen Jahren. Eine Hypothese ist, ob ein strukturierter Stall mit Aktivitäts- und Ruhebereich eher den Bedürfnissen der Tiere entspricht als ein gleichmäßig ausgeleuchteter Stall und deshalb zu geringerem Beschädigungspicken/Kannibalismus führen würde.

Ruhezonen im Stall werden gut angenommen

Unter Federführung der Tierärztlichen Hochschule (TiHo) Hannover läuft aktuell ein Projekt der Modell- und Demonstrationsvorhaben Tierschutz (MUD-Projekt), das sich mit dieser Hypothese befasst. Es wurde jetzt im Rahmen einer Online-Veranstaltung vorgestellt. Das Projekt läuft in der Praxis auf drei Putenmastbetrieben, die jeweils über zwei ähnliche Ställe verfügen. Auf diesen drei Praxisbetrieben wurde jeweils ein Stall als Versuchsstall umgerüstet. Diese Versuchsställe wurden mittels Abtrennungen (Bauzäune, Trennwände) in Aktiv- und Ruhebereich aufgeteilt. Die Ruhezone umfasst etwa 20 % der Stallfläche, Wasser- und Futterversorgung wurden hier abgestellt. Die Lichtstärke wurde im Ruhebereich um mindestens 30 % reduziert. Erreicht wurde dies zum Beispiel durch Abdunkeln der Fensteröffnungen mit schwarzer Folie oder durch das Anbringen von Lichtblenden draußen vor den Fenstern. 

Geflügelfachtierarzt Ronald Günther erläuterte in der Online-Veranstaltung die besonderen Herausforderungen des Projektes. So musste trotz der Abtrennung eines Teilbereiches im Stall die Lüftungsführung weiter funktionieren und auch den Ruhebereich mit Frischluft versorgen, da es in den Hitzeperioden des Hochsommers sonst zu Problemen kommen könnte. Die drei Versuchsställe verfügen alle über eine Zwangslüftung bzw. eine Sommer-Zusatzlüftung. „Die Lüftung ist in bestehenden Ställen ein begrenzender Faktor für eine Strukturierung“, so Günther. Damit eine Strukturierung im Stall auch „praxistauglich“ ist, muss zudem das Ein- und Nachstreuen im Ruhebereich machbar sein; Abtrennungen dürfen die Servicearbeiten nicht zu sehr behindern.

Der erste Teil des Projektes ist mittlerweile abgeschlossen. Er wurde noch mit kupierten Puten durchgeführt, quasi als „Übung“ für die beteiligten Mäster. Der Ruhebereich sei von den Puten gut angenommen worden, erklärte Ronald Günther. „Wenn Tiere die Wahlmöglichkeit haben, fühlen sie sich wohler“, so seine Feststellung. Aktuell läuft der zweite Teil des Projektes, hierbei wurde auf das Schnabelkürzen bei den Puten verzichtet.

Gesetzliche Vorgaben

Der Geflügelfachtierarzt gab in seinem Vortrag auch einen Überblick über die Entwicklung der gesetzlichen Vorgaben für die Putenhaltung. Die bundeseinheitlichen Eckwerte zur Haltung von Mastputen sehen nach wie vor eine gleichmäßige Ausleuchtung des gesamten Stalles vor, ebenso eine Minimallichtstärke. Zwar gibt es in den überarbeiteten Eckwerten von 2013 auch die Empfehlung zur Strukturierung des Stalles, wegen mangelnder Erfahrungen wurde dies jedoch nicht konkretisiert.

Inzwischen gibt bei speziellen Labeln oder bei der Haltungsstufe 4 des Lebensmittelhandels sogar die Verpflichtung zur Strukturierung des Stalles. Jedoch wäre es derzeit rechtlich nicht möglich, einen Putenmaststall mit einem abgedunkelten Ruhebereich auszustatten. Hierfür müsste die Forderung nach der Mindestlichtstärke im gesamten Stall überarbeitet werden. Laut Günther fehlen hierfür noch ausreichend belastbare Daten. Das hier beschriebene Projekt, das Anfang des nächsten Jahres abgeschlossen sein soll, könnte gegebenenfalls solche Daten liefern.

Land und Forst / Christa Diekmann-Lenartz
Bild: Erwin Linder

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