Özdemir will Tierwohlstandards für die Putenmast festlegen

03 Januar 2023
Pute
Puten

Eine Verordnung soll künftig die maximale Besatzdichte in der Putenmast festlegen. Agrarminister Özdemir plant verbindliche Tierwohlkriterien für die Putenhaltung. Die Geflügelwirtschaft sieht das kritisch, denn nach den aktuellen Plänen von Minister Özdemir dürften die meisten Putenhalter dann ihre Bestände auf der vorhandenen Fläche deutlich verkleinern müssen.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) will Mindestanforderungen an die Haltung von Mastputen festlegen. Dazu hat der Minister jetzt Eckpunkte vorgelegt. Sie sehen Regeln für einen Sachkundenachweis, die Versorgung der Tiere mit Futter und Wasser, das Stallklima, die Besatzdichte und Mindestkontrollen vor. Ziel ist, diese Anforderungen für das Halten von Puten in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aufzunehmen.

In dem Eckpunktepapier heißt es, die Vorgaben sollen die Ansprüche an eine tiergerechte Haltung, Pflege und Fütterung von Puten umsetzen. Bisher sieht die Nutztierhaltungsverordnung für die Putenmast keine Auflagen vor. Das Bundeslandwirtschaftsministerium bezeichnet die Eckpunkte als "Diskussionsgrundlage", um mit allen wesentlichen Beteiligten in einen sehr frühzeitigen fachlichen Dialog zu treten.

Der Geschäftsführer des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), Wolfgang Schleicher, kritisierte die Eckpunkte gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) als „realitätsverweigernde Traumtänzerei“. Schleicher befürchtet, dass die Putenhaltung wegen der geplanten neuen Vorschriften aus Deutschland abwandern wird.

Maximale Besatzdichte für Mastputen ein Viertel unter ITW-Standard

Wie aus dem Eckpunktepapier hervorgeht, soll die Besatzdichte für männliche Tiere auf höchstens 40 kg Lebendgewicht und 1,9 Puten pro Quadratmeter begrenzt werden. Für Putenhennen sollen höchstens 35 kg Lebendgewicht und 3,1 Tiere pro Quadratmeter zulässig sein.

Die Initiative Tierwohl (ITW) sieht derzeit für ITW-Betriebe eine maximale Besatzdichte von 48 kg Lebendgewicht für Putenhennen und von 53 kg Lebendgewicht für Putenhähne je Quadratmeter nutzbarer Stallfläche vor.

Nach den Überlegungen von Özdemir müssten ITW-Tierhalter die Besatzdichte in ihren Ställen also um rund ein Viertel verringern. Der ITW zufolge werden 90 Prozent des in Deutschland erzeugten Geflügels nach ITW-Standard produziert, wobei die Marktdurchdringung bei Puten nach Einschätzung von Experten etwa 70 Prozent beträgt.

Putenhalter müssen Sachkunde nachweisen können

Landwirte, die 50 oder mehr Mastputen halten wollen, sollen künftig eine gültige Sachkundebescheinigung vorweisen müssen. Die Anforderungen an den Sachkundenachweis orientieren sich an den bestehenden gesetzlichen Regeln für Geflügelmäster und an den „Bundeseinheitlichen Eckwerten für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastpusten“ aus 2013.

Die Putenhalter sollen verpflichtet werden, den Bestand mindestens zweimal täglich zu kontrollieren. Es muss ein Krankenabteil mit reduzierter Besatzdichte für kranke Puten eingerichtet werden, das mehrmals täglich kontrolliert werden muss. Die Mortalitätsrate muss vom Geflügelhalter täglich erfasst und bei der Schlachtung übermittelt werden. Vorgesehen sind auch Regelungen für die durchzuführenden amtlichen Kontrollen.

Trockene Einstreu soll Fußballen der Puten schonen

Nach den geplanten Haltungsbedingungen müssen die Puten jederzeit ungehindert und gleichermaßen Zugang zu ausreichend Futter und Wasser für alle Tiere haben. Die Nutztier-Haltungsverordnung soll dabei genaue Vorgaben über die Abmessungen der Fütterungs- und Tränkeanlagen in den Ställen sowohl für die Mast als auch die Aufzucht machen.

Den Tieren muss ständig geeignetes, manipulierbares Einstreumaterial zur Verfügung stehen. Das Material muss locker und trocken sein, damit Erkrankungen der Fußballen oder der Brusthaut kein Vorschub geleistet wird. Der Stall muss einen ausreichenden Einfall von Tageslicht ermöglichen. Die Lichtöffnungen müssen dabei mindestens 3 Prozent der Stallgrundfläche entsprechen.

Keine neuen Vorgaben für das Kupieren des Schnabels geplant

Nach Darstellung des Bundesministeriums treten unter den gegenwärtigen Haltungsbedingungen bei Mastputen gesundheitliche Probleme auf, zum Beispiel Erkrankungen und Verformungen des Skelettapparates, Brustblasen oder Fußballenerkrankungen. Um die Tiere dennoch unter den üblichen Besatzdichten mästen zu können, würden ihnen vielerorts die Schnäbel kupiert, so das Ministerium.

Zum Kupieren oder Veröden der Schnäbel sieht das Eckpunktepapier allerdings keine Regelung vor. Das Ministerium verweist darauf, das Kupieren der Schnäbel sei durch das Tierschutzgesetz verboten und nur in Ausnahmefällen zulässig.

„Putenmast wird nach Polen und Ungarn abwandern“

ZDG-Geschäftsführer Wolfgang Schleicher kritisiert die geplante Besatzdichte für Putenhähne von höchstens 40 kg Lebendgewicht/qm als deutlich zu niedrig. Er warnte im Gespräch mit agrarheute, wenn die reduzierten Besatzdichten rechtlich vorgeschrieben würden, werde dies das Ende der Putenhaltung in Deutschland einläuten.

Im vergangenen Jahr wurden hierzulande laut Destatis 33,2 Millionen Puten gewerblich geschlachtet, 5 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Selbstversorgungsgrad mit Putenfleisch wird vom ZDG auf 70 bis 80 Prozent geschätzt.

Schleicher fürchtet, dass sich die Erzeugung nach Polen oder Ungarn verlagert, wenn die maximal erlaubte Besatzdichte in den Ställen so stark reduziert werde. Er verweist auf die Situation in Österreich: Dort gelten für Putenhähne und -hennen einheitlich 40 kg Lebendgewicht je Quadratmeter als Obergrenze. Der Selbstversorgungsgrad betrage dort nur noch 30 Prozent, mit weiter sinkender Tendenz.

ZDG fordert EU-weit einheitliche Regeln zum Tierwohl in der Putenmast

Schleicher betont, die Geflügelwirtschaft nehme ihre Verantwortung für das Tierwohl sehr ernst. Mit einer Abwanderung der Erzeugung in Länder mit schlechteren Bedingungen für das Tierwohl und die Tiergesundheit sei niemandem gedient. Der ZDG fordert darum EU-weit einheitliche Standards für die Putenhaltung und eine Herkunftskennzeichnung für Putenfleisch.

Derzeit sieht es jedoch so aus, als ob Deutschland national vorausgeht. Die Verbände müssen schon bis zum 13. Januar zu Özdemirs Eckpunkten Stellung nehmen. Erwartet wird, dass die Bundesregierung im kommenden Jahr einen Entwurf zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vorlegen wird.

Hingegen lässt sich die Europäische Kommission bei diesem Thema viel Zeit: Sie will laut ihrer „Roadmap“ für das Tierwohl die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) erst Mitte 2024 um eine wissenschaftliche Einschätzung bitten, die bis Ende 2025 vorliegen soll. Dann werden die Halter in Deutschland voraussichtlich längst strenge nationale Auflagen erfüllen müssen.

agrarheute / Norbert Lehmann
Bild: Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V.

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