Geflügelfarm und Pflegebauernhof als Insel in der hörenden Welt
02 Juni 2024
Agribusiness
Evita und Jochem Goudriaan sind beide gehörlos und betreiben einen Geflügel- und Pflegebetrieb in Scherpenzeel, Gelderland (Niederlande). Auf ihrer Gebärdensprachfarm haben sie ausschließlich gehörlose Kunden. "Sie blühen hier völlig auf, weil sie sich hier endlich ausdrücken können".
Donnerstag ist ein geschäftiger Tag auf der Sign Farm. Gegen 10 Uhr gehen die verschiedenen Betreuungsgäste zur Kantine. Sie geben uns ein Zeichen, dass wir mitkommen können. Wir sind etwas zu früh dran und unser Dolmetscher ist noch nicht da. Daher müssen wir uns mit Händen und Füßen und mit getipptem Text auf dem Telefon verständigen. Die Atmosphäre in der Kantine ist energiegeladen und enthusiastisch. Eifrig gestikulierend erzählen sich die Kunden alles Mögliche. Man merkt ihnen an, dass sie sich wohlfühlen und sich trauen, sich zu äußern.
Als der Dolmetscher eintrifft, wird es etwas einfacher, Evita und Jochem einige Fragen zu stellen. Das junge Paar betreibt seit 2012 einen Bio-Legehennenbetrieb in Scherpenzeel, GD. Evitas Eltern hatten bereits einen Milchviehbetrieb, erklärt sie. "Meine Eltern sind unternehmerisch denkende Menschen. Mein Bruder durfte den Milchviehbetrieb weiterführen, und meine Eltern kauften 2004 diesen Geflügelbetrieb dazu. Den haben wir anfangs gemeinsam geführt, bis Jochem und ich ihn übernommen haben."
Die Geflügelfarm war schon immer biologisch. In zwei Ställen hält das Ehepaar 26.000 Dekalb-Legehennen. Der Geflügelzweig ist die Haupteinnahmequelle des Paares. Sie macht 75 Prozent des Einkommens aus. "Es ist also wichtig, dass es dort gut läuft", sagt er.
Mit der letzten Legehennenherde lief es so gut, dass sie in 105 Wochen 530,6 Eier pro Henne aufzogen. Die Norm für 105 Tage liegt bei 480 Eiern. Eine großartige Leistung, die natürlich mit den Kunden, die auch Hilfslandwirte genannt werden, gefeiert werden musste. "Die Tatsache, dass wir so etwas erreichen, gibt allen einen Schub an Selbstvertrauen", sagte er.
Jochem ist der Meinung, dass es wichtig ist, sich Zeit für den Kontakt mit den Nebenerwerbslandwirten zu nehmen.
Selbst beigebracht
Jochem hat sich selbst viel über die Geflügelzucht beigebracht. Er tat dies durch Selbststudium und Kontakt mit dem Berater und Tierarzt der Aufzuchtorganisation. "Wir haben Betriebe um uns versammelt, die offen für eine andere Art der Kommunikation sind. Wenn ich mit unserem Berater durch den Stall gehe, skypen wir uns gegenseitig, um zu diskutieren. Das funktioniert sehr gut. Es gab auch schon Zeiten, in denen die Leute nicht mit uns kommunizieren wollten oder nicht glaubten, dass wir als Gehörlose einen Geflügelbetrieb führen können. Das funktioniert einfach nicht. Auf der anderen Seite verstehen wir natürlich auch, dass sich die Menschen daran gewöhnen müssen. Solange der Wille da ist, haben wir Geduld und Verständnis
Hilfskräfte
Die Kunden besuchen die Geflügelfarm an vier Tagen in der Woche. Die tägliche Gruppengröße schwankt zwischen sechs und etwa 14 Personen. Um alle angemessen betreuen zu können, sind vier Betreuer anwesend und es kommen regelmäßig Freiwillige hinzu. Die Betreuer sind ebenfalls gehörlos und beherrschen die Gebärdensprache. Diese Betreuer sind oft über die Gehörlosengemeinschaft zur Sign Farm gekommen. Die Geflügelfarm hat auch einen festen Mitarbeiter.
Morgens stehen in der Regel Aufgaben im Zusammenhang mit dem Geflügel auf dem Programm, z. B. Stallarbeit. Darüber hinaus kann man in der Saison auch im Obst- oder Gemüsegarten arbeiten, Holz spalten, in der Werkstatt arbeiten oder handwerkliche Tätigkeiten ausführen. Zurzeit stellen die Hilfsbauern auch Produkte für einen nahe gelegenen Markt her. "Wir denken, dass es schön wäre, diese Produkte zusammen mit den Hilfsbauern zu verkaufen. Um diese Verbindung mit dem Rest der Gesellschaft herzustellen."
Administrative Herausforderungen
Die Bereitstellung von Pflegeleistungen ist mit administrativen Herausforderungen und Papierkram verbunden. Das erleben sie auch auf der Sign Farm. "Wir haben viele Klienten, die unter das niederländische Sozialhilfegesetz fallen. Das ist an Fristen geknüpft, so dass es immer wieder verlängert werden muss. Bei jeder Verlängerung ist es wieder spannend, ob jemand bleiben darf oder nicht. Jedes Mal wieder zu erklären, dass dieser Hilfsbauer, wenn er nicht in seinem Heimatort betreut wird, wieder rückfällig wird, weil er sich an anderen Orten nicht äußern kann. Das kostet Zeit und Energie."
Eine der Betreuerinnen auf der Sign Farm ist Pflegekoordinatorin und gleichzeitig Sozialarbeiterin. Sie hilft Evita und Jochem bei der zusätzlichen Verwaltung, die mit der Betreuung einhergeht.
Geflügel unverzichtbar
Neben dem Geflügelgeschäft entwickelte sich nach und nach auch der Pflegebereich. Beide Bereiche waren anfangs in einer Partnerschaft verbunden. "Die Partnerschaft machte es schwierig, transparent zu sein. Jetzt haben wir ein klares Dach. Das ist Geflügel und die Pflege ist ein Teil davon. Die beiden Bereiche können nicht getrennt voneinander existieren.
Es gibt jetzt eine klare Trennung in der Verwaltung. "Die Kosten für Einrichtungen, zum Beispiel die Anschaffung einer Wobbelsäge oder einer Spaltmaschine, werden aus den Einnahmen des Geflügels bezahlt." In der Pflege kommen Jochem und Evita gerade so über die Runden. "Das kann mehr werden", sagt er.
Die Geflügelzucht ist die Haupteinnahmequelle.
Neue Baupläne
Die beiden Unternehmer denken über einen Neubau nach, sagt Evita. "Einer der beiden Ställe ist jetzt wirklich alt und muss ersetzt werden", sagt er. Die Genehmigung für einen neuen Stall, der es ihnen auch erlauben würde, etwas mehr Geflügel zu halten, liegt schon seit einigen Jahren vor. Aber weil die Pflege so gut läuft, sind neue Ideen für das neue Gebäude entstanden. "Die Idee ist, mit dem neuen Stall auch einen zusätzlichen Pflegebereich zu schaffen, damit wir mehr Pflege anbieten können", sagt er.
Jochem holt Zeichnungen hervor, wie ein solcher Multifunktionsstall dann aussehen könnte. Auf der Zeichnung ist auch eine Werkstatt eingezeichnet. "Ja, wir haben eine Werkstatt einzeichnen lassen. Das ist etwas, was wir im Moment noch nicht machen. Ich habe schon erwähnt, dass wir Sachen für einen Markt herstellen. Vielleicht wäre es schön, wenn wir das in Zukunft strukturell machen könnten. Aber alles freiwillig. Wir wollen keinen Druck auf unsere Nebenerwerbslandwirte ausüben, dass sie eine bestimmte Menge an Produkten herstellen müssen."
Beide sehen dies auch als eine Gelegenheit, sich mehr mit der hörenden Welt um sie herum zu verbinden, sagt Jochem. "Es fühlt sich manchmal so an, als wären wir eine Insel hier in der Welt der Hörenden. Es wäre schön, wenn wir in diesem Laden, als Ruhepunkt, diese Verbindung zu den Hörenden herstellen könnten. Und wenn wir ihnen dann auch noch ein oder zwei Gebärden beibringen könnten, das wäre doch fantastisch, oder?"
Die Geschichte richtig machen
In fünf bis zehn Jahren hoffen Jochem und Evita, die Pläne für den Neubau realisiert zu haben. "In dieser Zeit sollten wir die Geschichte schon richtig hinbekommen. Wir wollen nicht, dass die Hühner verniedlicht werden und die Betreuung zu groß wird. Unsere Geschichte ist, dass wir eine Pflegefarm für Gehörlose sind und die Menschen sich sozial engagieren. Unser Ziel ist es wirklich, gehörlosen Menschen einen Platz zu geben, und dafür brauchen wir das neue Gebäude. Es ist auch ihr Traum, dass es in den Niederlanden mehr Orte wie ihre Signs Farm gibt.
"Für uns geht es darum, dass die Menschen Spaß haben. Dafür kann man sich alles Mögliche ausdenken", sagt Evita. "Wir können zum Beispiel auch eine Halle vermieten. Wichtig ist auf jeden Fall, dass wir ein guter Ort für unsere Hilfsbäuerinnen und -bauern sind und dass sie ihre Talente bei den Dingen, die wir tun, einsetzen können."
Sandra Wilgenhof
Bild:
Natasja Beverloo
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