In den letzten Wochen wurde in der internationalen Presse über die Vogelgrippe in Rohmilch in den Vereinigten Staaten und zwei infizierte Kinder in Kanada und Kalifornien berichtet. Auch der Spiegel berichtete vor kurzem über die seit Monaten grassierende Vogelgrippe in US-Kuhherden. Und er schrieb, dass Forscher entdeckt haben sollen, dass es nur noch einer weiteren genetischen Veränderung bedarf, damit der Erreger auf den Menschen überspringt. Doch stimmt das wirklich? Geflügelnews hat das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) gebeten, die Situation einzuordnen und zu bewerten.
Die Überschriften mancher Artikel in den letzten Tagen sind nach Ansicht des FLI zum Teil über die Faktenlage hinausgeschossen. Insbesondere für die Übertragung von Mensch zu Mensch wären nach FLI-Angaben weitere Anpassungen des Virus notwendig.
Das FLI schreibt: „Bis heute wurden nur wenige Anpassungen von hochpathogenen aviären Influenzaviren H5N1 der Klade 2.3.4.4b im Menschen beobachtet (Klade = geschlossene Abstammungsgemeinschaft, Anm. der Red.), die dabei in erster Linie die grundsätzliche Vermehrungsfähigkeit im Säugetierwirt verbesserten. Anpassungen an den humanen Rezeptor, wie in der kürzlich erschienen Studie von Lin ZH et al aus den USA beschrieben, sind bei dieser Klade neu und bisher nur einmal berichtet worden, nämlich im Fall einer Infektion bei einem Jugendlichen in Kanada. Wenige Anpassungen im Hämagglutinin des Virus, einer der Proteinstrukturen auf der Virushülle, scheinen dabei bereits auszureichen, um eine stärkere Bindung an menschliche Influenzavirus-Rezeptoren zu ermöglichen. Sie können es den weiteren Viren erleichtern, sich im Menschen zu vermehren.“
H5N1-Virus: Warum eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung schwer möglich ist
Für eine vollständige Anpassung, die dann auch die Übertragung von Mensch-zu-Mensch erlauben würde, müssten trotzdem weitere schwer überwindbare Hürden bezwungen werden, so das FLI. Hierzu gehöre das angeborene Immunsystem des Menschen. So sei es in Kanada trotz der beim dortigen Fall festgestellten drei anpassenden Mutationen nicht zur Übertragung auf andere Menschen, und damit auch nicht zu einer weiteren Kumulation von Anpassungen gekommen.
Die nun veröffentlichte Studie aus den USA sowie der Fall in Kanada wiesen derzeit in erster Linie darauf hin, dass solche Anpassungen im Hämagglutinin an den humanen Rezeptor möglich seien und bei der Überwachung und Risikoeinschätzung unbedingt beachtet werden müssen.
Außerdem lieferten diese Beobachtungen weitere gute Gründe, die Zahl der sogenannten H5N1-Spill-over-Infektionen von Tieren (Geflügel, Rinder) auf den Menschen so weit wie möglich zu verhindern, schreibt das FLI. Die Verbreitung in landwirtschaftlichen Nutztieren sollte unbedingt gestoppt und Kontaktpersonen in solchen Betrieben sollten mit umfassender persönlicher Schutzkleidung vor möglichen Übertragungen effizient geschützt werden.
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