Tierschutzverein klagt gegen Putenhalter

18 April 2024
Pute
Pute ZDG

Das Urteil des VGH Mannheim in der sogenannten „Putenklage“ lässt aufhorchen: Das oberste Verwaltungsgericht Baden-Württemberg entschied, dass die in den Puteneckwerten 2013 niedergelegten Haltungsmodalitäten nicht als Maßstab für eine art- und bedürfnisgerechte Ernährung, Pflege und Unterbringung von Puten herangezogen werden könnten.

Geklagt hatte der Verein „Menschen für Tierrechte“. Dieser hatte 2017 beim Veterinäramt Schwäbisch-Hall (Baden-Württemberg) beantragt, gegen einen Putenmäster einzugreifen und die Putenhaltung vollständig zu untersagen, nachdem Tierrechtler in den Putenställen gefilmt hatten. Nachdem das Veterinäramt keinen Bedarf für ein Einschreiten sah, reichte der Verein eine Untätigkeitsklage gegen den Landkreis beim Verwaltungsgericht in Stuttgart ein. Die Klage wurde abgewiesen und der Verein legte Berufung ein – mit einem Teilerfolg.

Gutachten erstellt

Ein vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) eingeholtes Sachverständigengutachten kam zu dem Schluss, „dass bei der Intensivnutztierhaltung von Puten der Zuchtlinie „B.U.T. 6“ unter Einhaltung der Vorgaben der Puteneckwerte 2013 mit einer nicht zu vertretenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sei, dass den Tieren Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden.

Um die Anforderungen des § 2 Nr. 1 Tierschutzgesetz (TierSchG) an eine Nutztierhaltung von Mastputen zu bestimmen und zu verdeutlichen, griff das Gericht nach eigenen Angaben auf die Empfehlungen des Ständigen Ausschusses des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen in Bezug auf Puten von 2002 sowie auf das eingeholte Sachverständigengutachten zurück. Es kam zu dem Schluss, dass die Puten im Betrieb der Beigeladenen nicht ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend angemessen verhaltensgerecht untergebracht seien. Das Haltungssystem ist aus Sicht der Richter „mit den Vorgaben des Tierschutzgesetzes nicht vereinbar“.

Das Land Baden-Württemberg muss jetzt neu über den Antrag des Vereins auf tierschutzrechtliches Einschreiten entscheiden. Eine komplette Untersagung der Putenhaltung sah das Gericht jedoch als unverhältnismäßig an. Es gebe mildere Mittel: die Besatzdichte verringern, den Stall anders strukturieren, mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für die Tiere und nähere Maßgaben zur Art der Einstreu und diesbezüglichen Erneuerungsintervallen.

Einzelfallentscheidung

Die Tierschutzorganisation „Albert Schweitzer Stiftung“ hält das Urteil für einen Präzedenzfall mit Auswirkungen auf die gesamte Putenbranche. Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) hingegen teilte auf Anfrage mit, dass es in dieser Einzelfallentscheidung keine grundsätzliche Bedeutung für die Putenhaltung in Deutschland sieht. Die Bundeseinheitlichen Eckwerte aus dem Jahr 2013 seien zusammen mit dem Tierschutzgesetz und den grundsätzlichen Regelungen der Tierschutznutztierhaltungsverordnung auch weiterhin die rechtliche Grundlage für die Putenhaltung und eine gute fachliche Praxis in Deutschland. Die von den Richtern in Mannheim vorgetragenen Einwände gegenüber den Bundeseinheitlichen Eckwerten sind laut ZDG hingegen nicht überzeugend.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Zwar wurde die Revision nicht zugelassen. Die Beteiligten können dagegen noch eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.  VGH Mannheim, Urteil vom 7.3.2024, (Az.: 6 S 3018/19).

PM/lj/cby
Bild: ZDG

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