Insekten als Geflügelfutter: Kleine Tiere mit großem Potenzial

24 Juli 2024
Nährstoffe
Insektenmast

Auf den ersten Blick sind sie unspektakulär: die Larven der Schwarzen Soldatenfliege. Doch auf ihr ruhen große Hoffnungen. Sie könnten Geflügel nachhaltig mit Protein versorgen. Wertvolle Reststoffe können an sie verfüttert werden. Bei Landwirt Julius gr. Macke ist die Produktion angelaufen.

„Es sind schon etwas andere Tiere“, sagt Elke Schluse lachend, als sie die Larven über ihre Hand krabbeln lässt. Sie und ihr Mann Rainer bewirtschaften einen landwirtschaftlichen Betrieb in Westfalen. Sie könnten sich einen Einstieg in die Insektenzucht durchaus vorstellen und sind deshalb heute auch auf dem Betrieb von Julius gr. Macke in Essen i. O. (Landkreis Cloppenburg). Wie einige andere norddeutsche Berufskollegen und Berufskolleginnen, wollen sie sich aus erster Hand über das Thema informieren.

Insektenlarven sind sehr eiweißreich

Derzeit wird viel über die Insektenzucht berichtet. Es geht hierzulande in der Regel um die Schwarze Soldatenfliege. Deren Larven sind sehr eiweißreich und können als Alternative etwa zu Soja im Geflügel- oder Schweinefutter eingesetzt werden.

Was sich für die meisten noch nach Zukunftsmusik anhört, ist bei Julius gr. Macke schon Alltag: Seit Februar diesen Jahres ist seine Anlage in Betrieb, 6 t Larven erzeugt er in zwei sogenannten Klimakammern pro Woche: „Wir sind aus den Kinderschuhen raus“, sagt Julius Vater Clemens gr. Macke. Dennoch werde noch viel probiert und variiert. Neben der neuen Tierart werden auf dem Familienbetrieb seit 25 Jahren Bio-Legehennen gehalten.

Vorläuferprojekt mit direkter Verfütterung

Gr. Mackes haben sich schon ein paar Jahre mit der Schwarzen Soldatenfliege beschäftigt. Im Rahmen eines Projektes verfütterten sie die Larven direkt an ihre Legehennen. Ziel war, Gesundheit und Leistung zu verbessern und Kannibalismus zu reduzieren. Die Ergebnisse waren vielversprechend. Projektpartner war dabei das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) aus dem benachbarten Quakenbrück.

Für die jetzige Forschungsanlage, die gr. Mackes gebaut haben, fungiert das DIL wieder als wissenschaftlicher Begleiter. Lieferant der Junglarven und Abnehmer der gemästeten Larven ist die Firma FarmInsect. Für FarmInsect und den Stalleinrichter Big Dutchman, der einen Großteil der Anlage gebaut hat, ist der Betrieb gr. Macke wiederum Demonstrationsanlage. Denn das Interesse ist sehr groß, nicht nur von Landwirten, sondern ebenso von Banken, Futtermittelherstellern oder aus dem Heimtierbereich: „Derzeit gehen unsere Larven ins Heimtierfutter. Das ist ein lukrativer Markt, auf dem zunehmend auch nach Nachhaltigkeit gefragt wird“, sagt Clemens gr. Macke.

Insektenzucht ist regional und nachhaltig

Er und sein Sohn sehen großes Potenzial in der Insektenzucht: „Sie ist regional und nachhaltig, es gibt sehr viele Reststoffe aus der Nahrungsmittelproduktion, die für andere Nutztierarten nicht so geeignet sind, von den Larven aber super verwertet werden können.“

Informierten über die Insektenzucht (v.l.): Max Pommerehne, FarmInsect, Julius und Clemens gr. Macke.
Eine Flüssigfütterung verteilt den Futterbrei für die Insekten wird in Kisten.
Julius gr. Macke verteilt die Junglarven auf den Kisten mit Futterbrei.
In der Halle sind die Klimakammern (re.) und Futter- sowie Verarbeitungstechnik untergebracht.
Die Larven sind nach einer Woche fertiggemästet.
Das Trennen der fertigen Larven vom Mist ist automatisiert.
Gr. Mackes haben den Larvenmist probeweise pelletiert, interessant wäre ein Einsatz im Gartenbereich.
Eine ungewohnte, aber interessante Nutztierart - finden Elke und Rainer Schluse.
Landwirt Manfred Seppel hat ein leerstehendes Altgebäude, er und sein Sohn Tobias könnten sich darin eine Insektenmast vorstellen.

Die Junglarven werden von FarmInsect im Alter von fünf Tagen geliefert und eine Woche später wieder abgeholt. Aus 24 kg Junglarven werden im kurzen Lebenszyklus 6 t Mastlarven, sie nehmen in der Zeit etwa das 250fache ihres Gewichtes zu. Gearbeitet wird mit einem Kistensystem. Die Kisten werden im Betrieb mit Futterbrei und den Junglarven befüllt und dann für eine Woche in die Klimakammer geschoben.

Max Pommerehne von FarmInsect, der heute bei der Führung dabei ist, erläutert den anwesenden Landwirtinnen und Landwirten die drei entscheidenden Faktoren für eine wirtschaftliche Insektenproduktion:

1. Gebäude

Das System von FarmInsect ist standardisert und modular aufgebaut. Es ist für einen Einbau in vorhandene Gebäude gedacht. Das Gebäude muss allerdings eine Höhe von 4 m haben und isoliert sein. Nur dann kann außerhalb der Klimakammern die nötige Temperatur von 20 °C erreicht werden. In den Klimakammern brauchen die Larven durchgängig 30 °C.

2. Energie

Für den hohen Energiebedarf der Insektenzucht ist es sinnvoll, günstige Energie zur Verfügung zu haben. So wundert es nicht, dass Landwirte mit Biogasanlage bzw. einer Beteiligung an einer Biogasanlage sich für die Insektenzucht interessieren.  

3. Futter

Um das Futter kümmern sich die Anlagenbetreiber selbst. Da die Larven der Schwarzen Soldatenfliege wortwörtliche Allesfresser sind, gibt es viele Möglichkeiten. Gr. Mackes setzen zum Beispiel Kartoffelschlempe von einem benachbarten sehr großen Kartoffelverarbeiter ein. Max Pommerehne berichtet von einem Kollegen, der mit Saatgut-Ausschuss eines Pflanzenzuchtunternehmens beliefert wird. Das Futter für die Insektenlarven muss breiförmig sein. Die Technik hierfür ist vergleichbar mit einer Flüssigfütterung für Schweine.

Einen Beitrag zur Wirtschaftlichkeit der Insektenzucht soll auch der übrigbleibende Mist der Larven, der sogenannte Fraß, leisten. In der Biogasanlage bringt er in etwa den Methanertrag von Mais. Doch FarmInsect und gr. Mackes sehen noch anderes Potenzial: Der lose Fraß könnte als Torfersatz oder in Pelletform als Dünger im Gartenbau genutzt werden. „Torfwerke suchen zum Teil händeringend nach Ersatz nach Auslaufen der Torfabbbau-Genehmigungen“, so ein Teilnehmer der Veranstaltung.

Christa Diekmann-Lenartz
Bild: Christa Diekmann-Lenartz, Farminsect

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