Rote Vogelmilben mit integriertem Schädlingsmanagement bekämpfen

14 März 2024
Stallmanagement
Rote Vogelmilbe

Durch das abgestimmte Zusammenspiel von Hygiene- und Präventionsmaßnahmen, einem regelmäßigen Milben-Monitoring als „Frühwarnsystem“ sowie dem kontrollierten Einsatz von Präparaten mit physikalischen und/oder chemischen Wirkungsmechanismen kann der Befallsdruck durch Rote Vogelmilben auch mit reduziertem Biozid-Einsatz langfristig gesenkt werden.

Rote Vogelmilben – hartnäckige Plagegeister mit globaler Verbreitung

Die Rote Vogelmilbe (Dermanyssus gallinae) ist ein weltweit vorkommender, vorwiegend nachtaktiver blutsaugender Ektoparasit bei zahlreichen Vogelarten. Beim Nutzgeflügel sind besonders Legehennen betroffen, da durch ihre lange Haltungsdauer in strukturierten und damit versteckreichen Ställen der Aufbau stabiler Milbenpopulationen begünstigt wird.

Zur Befallssymptomatik gehören bei Legehennen neben Juckreiz, Hautschädigungen und Federausfall ebenso Unruhe, Schreckhaftigkeit oder Apathie. In stark belasteten Beständen werden Gewichtsverluste, Blutarmut und erhöhte Mortalitätsraten sowie Verschlechterungen der Eiqualität und Abnahmen der Legeleistung festgestellt. Der Milbenbefall kann ferner unerwünschte Verhaltensweisen wie Federpicken und Kannibalismus fördern. Insgesamt werden Gesundheit und Wohlbefinden der Legehennen durch starken Milbenbefall erheblich beeinträchtigt, was als hochgradig tierschutzrelevant anzusehen ist.

Daneben spielt die Rote Vogelmilbe auch als Vektor von geflügelspezifischen, aber auch von humanpathogenen viralen und bakteriellen Erregern eine Rolle. Beschrieben werden unter anderem durch Vogelmilben verursachte Rotlaufinfektionen und Salmonellosen sowie Übertragungen von Pasteurellen, Paramyxoviren, Influenza A-Viren und Chlamydien. Bei Abwesenheit von Vögeln als Hauptwirtstieren können auch Säugetiere und Menschen als mögliche Wirte für Rote Vogelmilben fungieren. Ein Milbenbefall äußert sich beim Menschen zumeist als stark juckender Hautausschlag an Rumpf und Extremitäten. Vor diesem Hintergrund darf auch das von einem Befall mit Roten Vogelmilben ausgehende Zoonoserisiko nicht unterschätzt werden.

Vogelmilben in 94 Prozent der Legehennenbestände

Ein massenhaftes Auftreten von Roten Vogelmilben kann auch bedeutende wirtschaftliche Schäden verursachen. In Deutschland sind Literaturangaben zufolge schätzungsweise 94 % der Legehennenhaltungen von einem Befall mit Roten Vogelmilben betroffen. Die dadurch verursachten, aus Bekämpfungsmaßnahmen und Produktionsverlusten resultierenden wirtschaftlichen Einbußen werden je nach Berechnungsgrundlage auf jährlich bis zu 123 Mio. Euro geschätzt. Das unterstreicht neben den Aspekten des Tierwohls, der Tiergesundheit und des Arbeitsschutzes die Notwendigkeit effizienter Bekämpfungsstrategien.

Aufwändige Bekämpfungsmaßnahmen

Die Biologie der Roten Vogelmilbe (hohe Vermehrungsraten, nächtliche Aktivität bei ansonsten versteckter Lebensweise, bis zu neun Monate Nahrungskarenz) erschwert ihre effektive und nachhaltige Bekämpfung. Daneben sind außerdem zunehmend Resistenzen gegen bislang wirksame Akarizide zu beobachten.

Die Bekämpfung mit chemischen Präparaten gehört zu den am häufigsten angewandten Maßnahmen. Als Akarizide waren bzw. sind zahlreiche Präparate mit Wirkstoffen aus den Gruppen der chlorierten Kohlenwasserstoffe, Organophosphate, Carbamate, synthetischen Pyrethroide, Amidine, makrozyklischen Laktone, pflanzlichen Insektizide und Larvalentwicklungshemmer bzw. Chitinsynthesehemmer in Gebrauch, wobei generell das Rückstandsrisiko und entsprechende Beschränkungen für den Einsatz bestimmter Wirkstoffe bei Lebensmittel-liefernden Tieren zu beachten sind. Sehr gute Wirksamkeit weist gegenwärtig noch Exzolt® (MSD Tiergesundheit, D 85716 Unterschleißheim) auf. Exzolt® enthält den Wirkstoff Fluralaner, der in einer Dosierung von 0,5 mg Fluralaner pro kg Körpergewicht zweimal im Abstand von sieben Tagen über das Tränkewasser verabreicht werden muss, um einen Milbenbefall nachhaltig zu dezimieren. Mit der steigenden Zunahme von Resistenzen gegen chemische Wirkstoffe gewinnen in den letzten Jahren auch physikalische Bekämpfungsverfahren, beispielsweise die Verwendung amorpher synthetischer Silikate, an Bedeutung.

Integriertes Schädlingsmanagement: So kann es gehen

Als „Integriertes Schädlingsmanagement“ bezeichnet man eine ursprünglich für den Gartenbau entwickelte gesamtheitliche Bekämpfungsstrategie, die unterschiedliche Ansätze zur Feststellung und Einschätzung eines Schädlingsbefalls sowie zu seiner Minimierung bzw. Beseitigung kombiniert. Dabei sind folgende Grundsätze von Bedeutung:

  • situationsabhängige Risikobewertung
  • adäquate Präventionsmaßnahmen
  • Etablierung einer schädlingsfeindlichen Umgebung
  • regelmäßiges Monitoring der Populationsentwicklung des Schädlings
  • Leitlinien für die Feststellung eines Schädlingsbefalls
  • Entwicklung von Strategien für ein adäquates Befallsmanagement

Aus gegebenem Anlass wurde das Konzept des „integrierten Schädlingsmanagements“ in einem Versuchsstall des FLI-ITT von 2020 bis 2023 angewendet. In diesem Stall wurden zu Beginn der Datenaufnahme insgesamt 340 Legehennen, verteilt auf 20 Abteile mit einer Grundfläche von jeweils 4 m², in Bodenhaltung gehalten.

Mit Wellpappe bestückte Rohrfalle
Nach zwei Wochen finden sich zahlreiche Vogelmilben unterschiedlicher Entwicklungsstadien in den Pappeinlagen.

Für ein regelmäßiges Monitoring zum Befall mit Roten Vogelmilben wurden je Stallabteil zwei mit Wellpappe bestückte Rohrfallen an der Anflugstange eines Gruppennestes und an einer Sitzstange angebracht. Im Rahmen des Milben-Monitorings konnte dabei im Juni 2020 ein rapider Anstieg der Milben-Population festgestellt werden. Als Bekämpfungsmaßnahme wurde Exzolt® zweimal im Abstand von sieben Tagen über das Tränkewasser verabreicht. Das Milben-Monitoring zeigte, dass dadurch die Befallsdichte um 99,8 % reduziert werden konnte und bis zur Ausstallung der Legehennen im August 2020 konstant niedrig blieb.

Unmittelbar nach der Ausstallung der Hennen wurden Gruppennester, Sitzstangen, Tränken und Futtertröge ausgebaut sowie die Einstreu und der Inhalt der Kotgruben mechanisch entfernt. Stall und Einrichtungsinventar wurden danach zunächst mit einem Hochdruckreiniger von anhaftendem Schmutz befreit und anschließend unter Einsatz eines alkalischen Schaumreinigungsmittels (Menno® Clean; Menno Chemie Vertrieb GmbH, D 22850 Norderstedt) nass gereinigt.

Eine Woche vor der erneuten Einstallung von Junghennen wurden Stall und Stalleinrichtung mit Venno® Vet 1 super und Neopredisan® 135-1 (Menno Chemie Vertrieb GmbH, D 22850 Norderstedt) behandelt. Mit dem in der vorliegenden Studie als Desinfektionsmittel eingesetztem Neopredisan® 135-1 (Wirkstoff p-Chlor-m-Kresol) wird Literaturangaben zufolge auch eine gute Wirksamkeit gegen alle Entwicklungsstadien der Roten Vogelmilbe einschließlich der Milbeneier erreicht. Anschließend erfolgte als Präventionsmaßnahme die Ausbringung von synthetischem amorphen Siliziumdioxid (Fossil Shield® Instant White easy; Bein GmbH, D 36132 Eiterfeld) als wässrige Suspension durch ein auf Entwesungsmaßnahmen spezialisiertes Fachunternehmen.

Literaturangaben zufolge wird wässrigen Suspensionsformulierungen von amorphen Silikatpräparaten eine länger anhaltende Wirkung bescheinigt. Die erneute Belegung des Stalles mit Legehennen [n = 500] erstreckte sich von November 2020 bis Dezember 2021. Nach der Ausstallung dieses Durchganges erfolgte vor der erneuten Einstallung von Legehennen [n = 500] im Zeitraum März 2022 bis März 2023 wiederum eine Reinigung, Desinfektion und Ausbringung von synthetischem amorphen Siliziumdioxid unter den bereits vorstehend beschriebenen Rahmenbedingungen.

Entwicklung der Milbenpopulation in den Monaten April bis Juli 2020 vor und nach der Behandlung mit Exzolt.

Konsequentes Milben-Monitoring als „Frühwarnsystem“

Über die gesamte Haltungsphase der beiden neuen Durchgänge wurde das bereits geschilderte Milben-Monitoring mittels Rohrfallen durchgeführt. Dabei wurden im Zeitraum von November 2020 bis März 2023 keine Roten Vogelmilben in den Fallen vorgefunden. Durch eine Behandlung mit Exzolt® konnte demnach in Kombination mit Nassreinigung von Stall und Stallinventar, gefolgt vom Einsatz geeigneter Desinfektionsmittel und prophylaktischer Ausbringung eines synthetischen amorphen Kieselsäurepräparates die Milbenpopulation auf ein Niveau unterhalb der Nachweisgrenze reduziert und niedrig gehalten werden.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse des mehrjährigen Milben-Monitorings zeigen, dass ein massiver Befall mit Roten Vogelmilben durch die gezielte Anwendung eines chemischen Akarizids sowie anschließende Hygiene- und Präventionsmaßnahmen erfolgreich reduziert und auf niedrigem Niveau gehalten werden konnte. Eine kombinierte Bekämpfungsstrategie in Form eines solchen „Integrierten Schädlingsmanagements“ kann somit eine geeignete Maßnahme darstellen, um einem massiven Befall mit Roten Vogelmilben in Legehennenställen unter vermindertem Einsatz chemischer Antiparasitika vorzubeugen.

Autoren: Vanessa Rüster (Friedrich-Loeffler-Institut, Institut für Tierschutz und Tierhaltung, Celle und Stiftung Tierärztliche Hochschule, Institut für Parasitologie, Hannover), Thomas Bartels(Stiftung Tierärztliche Hochschule, Institut für Parasitologie, Hannover), Alina Kathrin Lückemann (Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Oldenburg ), Margareta Wittmann (Fachhochschule Südwestfalen, FB Agrarwirtschaft, Soest), Christina Strube (Stiftung Tierärztliche Hochschule, Institut für Parasitologie, Hannover)

Rüster
Bild: Rüster

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