Durch das abgestimmte Zusammenspiel von Hygiene- und Präventionsmaßnahmen, einem regelmäßigen Milben-Monitoring als „Frühwarnsystem“ sowie dem kontrollierten Einsatz von Präparaten mit physikalischen und/oder chemischen Wirkungsmechanismen kann der Befallsdruck durch Rote Vogelmilben auch mit reduziertem Biozid-Einsatz langfristig gesenkt werden.
Rote Vogelmilben – hartnäckige Plagegeister mit globaler Verbreitung
Die Rote Vogelmilbe (Dermanyssus gallinae) ist ein weltweit vorkommender, vorwiegend nachtaktiver blutsaugender Ektoparasit bei zahlreichen Vogelarten. Beim Nutzgeflügel sind besonders Legehennen betroffen, da durch ihre lange Haltungsdauer in strukturierten und damit versteckreichen Ställen der Aufbau stabiler Milbenpopulationen begünstigt wird.
Zur Befallssymptomatik gehören bei Legehennen neben Juckreiz, Hautschädigungen und Federausfall ebenso Unruhe, Schreckhaftigkeit oder Apathie. In stark belasteten Beständen werden Gewichtsverluste, Blutarmut und erhöhte Mortalitätsraten sowie Verschlechterungen der Eiqualität und Abnahmen der Legeleistung festgestellt. Der Milbenbefall kann ferner unerwünschte Verhaltensweisen wie Federpicken und Kannibalismus fördern. Insgesamt werden Gesundheit und Wohlbefinden der Legehennen durch starken Milbenbefall erheblich beeinträchtigt, was als hochgradig tierschutzrelevant anzusehen ist.
Daneben spielt die Rote Vogelmilbe auch als Vektor von geflügelspezifischen, aber auch von humanpathogenen viralen und bakteriellen Erregern eine Rolle. Beschrieben werden unter anderem durch Vogelmilben verursachte Rotlaufinfektionen und Salmonellosen sowie Übertragungen von Pasteurellen, Paramyxoviren, Influenza A-Viren und Chlamydien. Bei Abwesenheit von Vögeln als Hauptwirtstieren können auch Säugetiere und Menschen als mögliche Wirte für Rote Vogelmilben fungieren. Ein Milbenbefall äußert sich beim Menschen zumeist als stark juckender Hautausschlag an Rumpf und Extremitäten. Vor diesem Hintergrund darf auch das von einem Befall mit Roten Vogelmilben ausgehende Zoonoserisiko nicht unterschätzt werden.
Vogelmilben in 94 Prozent der Legehennenbestände
Ein massenhaftes Auftreten von Roten Vogelmilben kann auch bedeutende wirtschaftliche Schäden verursachen. In Deutschland sind Literaturangaben zufolge schätzungsweise 94 % der Legehennenhaltungen von einem Befall mit Roten Vogelmilben betroffen. Die dadurch verursachten, aus Bekämpfungsmaßnahmen und Produktionsverlusten resultierenden wirtschaftlichen Einbußen werden je nach Berechnungsgrundlage auf jährlich bis zu 123 Mio. Euro geschätzt. Das unterstreicht neben den Aspekten des Tierwohls, der Tiergesundheit und des Arbeitsschutzes die Notwendigkeit effizienter Bekämpfungsstrategien.
Aufwändige Bekämpfungsmaßnahmen
Die Biologie der Roten Vogelmilbe (hohe Vermehrungsraten, nächtliche Aktivität bei ansonsten versteckter Lebensweise, bis zu neun Monate Nahrungskarenz) erschwert ihre effektive und nachhaltige Bekämpfung. Daneben sind außerdem zunehmend Resistenzen gegen bislang wirksame Akarizide zu beobachten.
Die Bekämpfung mit chemischen Präparaten gehört zu den am häufigsten angewandten Maßnahmen. Als Akarizide waren bzw. sind zahlreiche Präparate mit Wirkstoffen aus den Gruppen der chlorierten Kohlenwasserstoffe, Organophosphate, Carbamate, synthetischen Pyrethroide, Amidine, makrozyklischen Laktone, pflanzlichen Insektizide und Larvalentwicklungshemmer bzw. Chitinsynthesehemmer in Gebrauch, wobei generell das Rückstandsrisiko und entsprechende Beschränkungen für den Einsatz bestimmter Wirkstoffe bei Lebensmittel-liefernden Tieren zu beachten sind. Sehr gute Wirksamkeit weist gegenwärtig noch Exzolt® (MSD Tiergesundheit, D 85716 Unterschleißheim) auf. Exzolt® enthält den Wirkstoff Fluralaner, der in einer Dosierung von 0,5 mg Fluralaner pro kg Körpergewicht zweimal im Abstand von sieben Tagen über das Tränkewasser verabreicht werden muss, um einen Milbenbefall nachhaltig zu dezimieren. Mit der steigenden Zunahme von Resistenzen gegen chemische Wirkstoffe gewinnen in den letzten Jahren auch physikalische Bekämpfungsverfahren, beispielsweise die Verwendung amorpher synthetischer Silikate, an Bedeutung.
Integriertes Schädlingsmanagement: So kann es gehen
Als „Integriertes Schädlingsmanagement“ bezeichnet man eine ursprünglich für den Gartenbau entwickelte gesamtheitliche Bekämpfungsstrategie, die unterschiedliche Ansätze zur Feststellung und Einschätzung eines Schädlingsbefalls sowie zu seiner Minimierung bzw. Beseitigung kombiniert. Dabei sind folgende Grundsätze von Bedeutung:
- situationsabhängige Risikobewertung
- adäquate Präventionsmaßnahmen
- Etablierung einer schädlingsfeindlichen Umgebung
- regelmäßiges Monitoring der Populationsentwicklung des Schädlings
- Leitlinien für die Feststellung eines Schädlingsbefalls
- Entwicklung von Strategien für ein adäquates Befallsmanagement
Aus gegebenem Anlass wurde das Konzept des „integrierten Schädlingsmanagements“ in einem Versuchsstall des FLI-ITT von 2020 bis 2023 angewendet. In diesem Stall wurden zu Beginn der Datenaufnahme insgesamt 340 Legehennen, verteilt auf 20 Abteile mit einer Grundfläche von jeweils 4 m², in Bodenhaltung gehalten.
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