Rote Vogelmilbe: Neue Wunderwaffe in Arbeit

06 Mai 2023
Rote Vogelmilbe
Biolegehennen im Stall

Der Kampf gegen die Rote Vogelmilbe gehört in der Hennenhaltung zum Alltag. Forschung und Wirtschaft arbeiten derzeit an einer neuen „Waffe“ ohne Chemie und damit ohne Gefahr von Resistenzen.

Es gibt wohl kaum eine Legehennenhalterin oder einen Legehennenhalter, der nicht schon Bekanntschaft gemacht hat mit der Roten Vogelmilbe in seinem Stall. In Geflügelmastbetrieben ist sie durch die vielen Reinigungsintervalle eher selten anzutreffen.

Im Legehennenbetrieb muss sie jedoch wegen ihrer negativen Wirkungen auf das Tier bekämpft werden. Die Rote Vogelmilbe ist ein Parasit, sie saugt nachts Blut bei den Hennen, tagsüber versteckt sie sich in Ritzen und Spalten unweit der Schlafplätze der Tiere im Stall. In den Verstecken legt die Rote Vogelmilbe auch ihre Eier. Die Vermehrung geht bei entsprechenden Temperaturen rasend schnell, deshalb ist es dringend geboten, die Population zumindest niedrig zu halten. Ein vollständiges Ausrotten ist in der Regel kaum möglich.

Die Rote Vogelmilbe sorgt nicht nur für Unruhe und Nervosität im Stall (bis hin zu Federpicken und Kannibalismus), sondern kann auch Krankheiten übertragen. Zur Bekämpfung stehen synthetische Insektizide zur Verfügung, allerdings entwickelt die Rote Vogelmilbe schnell Resistenzen. Ebenfalls zum Einsatz kommen Silikatstäube, die die Wachsoberfläche des Schädlings zerstören, für Mensch und Tier aber unbedenklich sind.

Ein ganz neuer, sehr erfolgversprechender Ansatz für die Bekämpfung der Roten Vogelmilbe ohne Chemie kommt aus der Medizin: Das sogenannte Kalte Atmosphärendruckplasma. Zur Erklärung ist etwas Physik nötig: Plasma ist der vierte Aggregatzustand von Materie – neben fest, flüssig und gasförmig. Bei der Erzeugung (mittels Strom) entsteht elekromagnetische Strahlung. In der Medizin wird das Kalte Plasma eingesetzt bei schlechtheilenden Wunden oder zum Beispiel zur Dekontamination von chirurgischen Instrumenten – es wirkt keimtötend.

Künstliche Verstecke

Nun soll es auch gegen die Rote Vogelmilbe im Geflügelstall zum Einsatz kommen. Wie das gelingen kann, wird derzeit in einem Projekt von Friedrich-Löffler-Institut (FLI), Hochschule Göttingen, Tierärztlicher Hochschule Hannover und dem Stalleinrichter MIK International entwickelt. Dr. Thomas Bartels vom FLI stellte das sehr spannende Projekt kürzlich auf einer Bioland-Tagung vor.

Damit die Milben mit dem Kalten Plasma abgetötet werden können, müssen sie quasi gesammelt werden im Stall. Dazu wurden im Projekt künstliche „Verstecke“ gebaut. Sie sind aus Kunststoff und ähneln Rohren mit innenliegender Wellpappenstruktur. Sie werden in unmittelbarer Nähe der Sitzstangen im Stall platziert. Die Milben nahmen sie im Versuchsstall gut an. In diesen künstlichen Verstecken wird durch kontrolliert zugeführte elektrische Energie (10-20 Watt) das Kalte Plasma erzeugt.

Erster Prototyp bereits in dieem Jahr

Die Wirkung ist laut Dr. Bartels sehr überzeugend: Alle Stadien der Roten Vogelmilbe vom Ei bis zum erwachsenen Weibchen waren zuverlässig nach spätestens zwölf Stunden abgestorben. Selbst die kürzeste getestete Dauer der Anwendung (0,2 Sekunden) reichte dafür aus.  

Derzeit wird im Projekt daran gearbeitet, das Modell zur Praxisreife zu entwickeln. Ein Prototyp soll im Laufe dieses Jahres fertig sein, eine stalltaugliche Variante soll auch nachrüstbar für bestehende Ställe sein. Im Projekt erfolgte die Stromversorgung über eine übliche 230-Volt-Leitung. Angedacht, weil praktikabler, ist für die Praxis der Einsatz eines Akkus.

Denkbar wäre laut Dr. Bartels auch eine Anwendung gegen andere Schädlinge oder Lästlinge wie Fliegen im Pferde- oder im Kuhstall. Für die Legehennen ist die Nutzung von Kaltem Plasma im Übrigen genauso ungefährlich wie für Patienten mit Problemwunden. Es gibt keinen direkten Kontakt zum Strom. Man darf gespannt sein, wie die Entwicklung weitergeht. In der Medizin und Pflege gilt das Kalte Plasma auf jeden Fall als Zukunftsthema.

Christa Diekmann-Lenartz
Bild: Kristoffer Finn

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