Interview: Herdenschutzhunde im Auslauf

15 Oktober 2024
Legehenne
Herdenschutzhunde

Familie Eits ist froh, ihre Legehennen gut beschützt zu wissen. Waren früher tägliche Tierverluste die Regel, passen die beiden Pyrenäenberghunde Bud und Spencer schon seit drei Jahren auf, dass sich kein Fuchs oder Bussard mehr dem Auslauf nähert.

 

Hunde im Auslauf bieten Schutz vor Beutegreifern wie Fuchs und Habicht. Kerstin Eckhardt vom Verband Herdenschutz e. V. erklärt im Interview, worauf bei der Arbeit mit Herdenschutzhunden zu achten ist.

Auf Ihrem Betrieb in Hessen halten Sie Legehennen zusammen mit Herdenschutzhunden. Wie klappt das?

Das klappt wunderbar. Wir haben 2018 mit dem ersten Hühnermobil angefangen und fast zeitgleich kam der erste Hund. Inzwischen halten wir insgesamt 1.350 Legehennen in drei Hühnermobilen. Dazu haben wir sieben Herdenschutzhunde. Vier erwachsene und drei Junghunde, die noch in der Ausbildung sind.

Sie bilden Herdenschutzhunde also auch selbst aus?

Eigentlich nicht, aber wir wollten gerne einmal eigene Welpen haben. Von den acht Welpen haben wir drei behalten, die anderen haben wir verkauft. Einer ging an einen Alpaka-Betrieb, die anderen alle auf Legehennenbetriebe. Herdenschutzhunde auszubilden ist recht aufwändig und dauert zwei bis drei Jahre. Dann kostet ein ausgebildeter Herdenschutzhund zwischen 3.000 und 6.000 Euro. Welpen sind deutlich günstiger, aber dann muss ich als Hühnerhalter auch entsprechend Zeit in ihre Ausbildung investieren.

Welche Hunderassen sind für den Einsatz im Legehennenauslauf geeignet?

Landwirtin Kerstin Eckhardt mit ihrem drei Monate alten Herdenschutznachwuchs Hilda. Die Šarplaninac-Hündin wurde auf dem eigenen Betrieb geboren.

Alle klassischen Herdenschutzhunde. In Deutschland sind vor allem Pyrenäenberghunde bekannt und beliebt. Wir selbst haben sechs Šarplaninacs. Das ist eine Herdenschutz-Rasse aus den Balkanstaaten. Unser siebter Hund ist ein Maremmano-Abruzzese, eine Rasse, die aus Italien stammt.

Die Rassen unterscheiden sich in ihren Verhaltensweisen und man sollte schauen, welcher Hund zum eigenen Betrieb passt. Die Maremmanos sind in der Regel recht bellfreudig, was unpraktisch ist, wenn mein Betrieb in der Nähe eines Wohngebietes oder sogar mitten im Ort liegt.

Von Schäfern werden gerne Kangals genutzt, ebenso wie der Mastín Español. Das sind allerdings sehr massige Hunde und eher für größere Weidetiere geeignet. Hunde, die mit Hühnern eingesetzt werden, sollten grundsätzlich, egal welche Rasse, eher defensiv sein.

Sind die Hunde Tag und Nacht bei den Hühnern?

Genau. Die Hunde sind immer mit den Hühnern im Auslauf.  Dort haben sie bei uns einige Unterstände, zum Beispiel ein Kälberiglu, einen Viehanhänger und eine Hütte. In die Legehennenställe dürfen sie bei uns nicht. Im Stall würden sie vorhandene Eier fressen und Unruhe unter den Hennen verbreiten.

Die erwachsenen Hunde arbeiten in der Regel in Zweier-Teams. Hunde sollte man nicht allein halten. Das ist zum einen nicht artgerecht, zum anderen wird ihnen dann auch irgendwann langweilig und sie fangen an, Unfug zu machen.

Durch ihr dickes Fell können die Hunde das ganze Jahr über im Auslauf bleiben. Unsere Hunde liegen im Winter auch schon mal draußen und lassen sich einschneien. Das Fell isoliert im Winter gegen Kälte und im Sommer gegen Wärme.

Und die Hunde wissen genau, was ihre Aufgabe ist?

Ja, das wissen sie. Sie müssen eigenständig arbeiten und auf der Weide gebe ich keine Kommandos oder rufe sie zurück.

Wenn die Hunde allerdings bei uns auf dem Hof sind, das kommt auch manchmal vor, dann gelten da andere Regeln und sie müssen auf mich hören. Aber auf der Weide greife ich nicht ein und den Unterschied verstehen sie genau.

Sind Herdenschutzhunde für jeden Legehennenhalter geeignet?

Die drei Jahre alte Yona betrachet die Legehennenherde als ihre Familie und bietet effektiven Schutz vor Beutegreifern.

Menschen, die bislang keinen Bezug zu Hunden hatten, würde ich einen Herdenschutzhund nicht empfehlen. Man sollte schon ein Hundemensch sein und auch Erfahrungen mit Hunden haben. Allerdings sind Herdenschutzhunde keine Haushunde, sondern Arbeitstiere. Das heißt, sie sind viel autonomer und selbstständiger als andere Hunde.

Zudem kosten Sie Zeit und Geld, was beides nicht zu unterschätzen ist. Es fallen regelmäßig Futter- und Tierarztkosten an.

Die Hunde brauchen auch jeden Tag ihre Streicheleinheiten, damit sie an Menschen gewöhnt bleiben. Es ist wichtig, dass sie gut sozialisiert sind. So können wir jederzeit mit fremden Menschen auf die Weide kommen, ohne dass die Hunde reagieren.

Und wovor beschützen die Hunde die Hühner?

Vor allen Feinden. Füchse und Marder bleiben dem Auslauf fern, sobald ein Hund da ist und Greifvögel – vor allem Habicht oder Uhu – trauen sich auch nicht mehr an die Hühner. Auch wenn nachts Rehe am Auslauf vorbeilaufen, bellen die Hunde. Und wenn fremde Menschen oder fremde Hunde am Zaun vorbeigehen, sind sie auch sehr wachsam. Wenn aber zum Beispiel Nachbarn regelmäßig mit ihrem Hund an unserem Auslauf vorbei spazieren gehen, dann schlagen sie nicht mehr an.

Und wie ist es mit Wölfen?

Als Hühnerhalter haben wir mit dem Wolf bislang keine Probleme. Die Hunde würden auch mit einem Wolf den Kampf aufnehmen. Meiner Erfahrung nach sind die Hündinnen noch kompromissloser als die Rüden. Wahrscheinlich, weil sie potenziell ihre Welpen verteidigen müssen.

Wenn der Wolfsdruck hoch ist, würde ich als Weidetierhalter mit einem Šarplaninac oder einem Kangal arbeiten. Also mit einer Rasse, die aus einer Gegend kommt, in der der Wolf niemals weg war.

Und wie vertragen sich die Hunde mit den Hennen?

Jeder Hund geht sehr unterschiedlich mit den Hennen um. Wir haben eine Hündin, Jona, die mag es nicht, wenn ihr die Hennen zu nahekommen. Sie tut ihnen nichts, aber sie verscheucht sie. Und wir haben andere Hunde, denen macht es gar nichts aus, wenn die Hennen um sie herumwuseln und sich auch mal Körner aus ihrem Fell picken.

Schnappt sich ein Hund denn auch mal ein Huhn?

Das kann vorkommen. Vor allem am Anfang, wenn die Hunde noch jung und in der Ausbildung sind. Manchmal töten und fressen sie ein Huhn – mit Federn und Knochen. Das ist für die Hunde nicht weiter schlimm. Geflügelknochen splittern nur, wenn sie gekocht sind. In rohem Zustand sind sie für die Hunde ungefährlich.

Aber das sollte natürlich trotzdem die Ausnahme bleiben. Wenn einer unserer Hunde ein Huhn verletzt oder sogar tötet, nehmen wir ihn für ein paar Wochen oder Monate von der Weide.
Das heißt, ich muss als Betriebsleiter auch neben der Weide Platz haben, um die Hunde unterzubringen?

Es gibt auch Betriebe, auf denen die Hunde ausschließlich im Auslauf gehalten werden. Allerdings ist es sinnvoll, auf dem Betrieb die Möglichkeit zu haben, Hunde auch woanders unterzubringen. Manchmal haben wir unsere Hunde sogar mit in der Wohnung und wir haben auf dem Hof einen Zwinger mit Auslauf. Manchmal wird ein Hund auch krank, verletzt sich oder ist läufig, und kann deshalb nicht im Auslauf arbeiten. Für eine kurze Zeit kann der andere Hund dann auch alleine arbeiten.

Ist eine Genehmigung nötig, um Herdenschutzhunde zu halten?

Nein. Die Hunde sind normal bei der Stadt angemeldet. Sie sind allerdings laut der Hundesteuersatzung unserer Gemeinde von der Hundesteuer zu befreien, da sie arbeitende Hunde sind. Dies wird in den einzelnen Städten und Gemeinden unterschiedlich gehandhabt.

Sie sind im Vorstand des Verbands Herdenschutz e. V. Was genau macht Ihr Verein?

Wir bieten Beratung in allen Fragen rund um den Herdenschutz. Für Weidetierhalter mit und ohne Hunde. Dazu gehört: Vorortberatung, Beratung für sichere Zaunsysteme, Unterstützung bei der Ausbildung und Auswahl von Herdenschutzhunden, Erstellen eines individuellen Betriebskonzeptes und Arbeitsprüfungen von Herdenschutzhunden an Weidetieren. Teilweise verlangen die Ordnungsbehörden der Gemeinden diese Prüfungen. Ein- bis zweimal im Jahr bieten wir Sachkundelehrgänge zum Halten von Herdenschutzhunden an. Die sind in einigen Bundesländern nötig, um eine Förderung für Herdenschutzmaßnahmen zu bekommen. Allerdings gilt die leider nicht für Hunde in Legehennenausläufen, da Hühner nicht als Weidetiere gelten.

Trotz allem Aufwand und der Kosten, würden Sie sagen, es lohnt sich, Herdenschutzhunde zu halten?

Unbedingt. Ich würde nicht mehr ohne Hunde arbeiten, weil mir das so viel Spaß macht. Es hängt natürlich davon ab, wie hoch der Druck durch Fressfeinde ist. Bei uns war der sehr massiv und durch die Hunde haben wir keine Hennenverluste mehr.

 

Land und Forst / Leonie Jost
Bild: Kristoffer Finn, Eckardt

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