Sollte die Vogelgrippe den brasilianischen Geflügelsektor hart treffen, könnten sich die Aussichten für die Geflügelhalter in Europa weiter verbessern. Das schreibt die Rabobank in ihrem vierteljährlichen Update zum Geflügelfleischmarkt, den sie am vergangenen Montag veröffentlichte. Darin schätzen Experten nicht nur den niederländischen Markt ein, die Situation in Europa insgesamt wird beleuchtet.
Vogelgrippe in Brasilien – Spitzenjahr für europäische Masthähnchenhalter?
Der niederländische Geflügelfleischmarkt ist nach Einschätzung der Analysten der Rabobank nach wie vor relativ stark und hat sich seit Anfang des Jahres etwas verbessert, wobei auch die Nachfrage nach Hähnchenfleisch saisonal bedingt höher ist. Die Preise für Masthähnchen sind seit einiger Zeit relativ stabil, mit leichtem Preisdruck Anfang Juni. Positiv zu vermerken ist, dass die Futtermittelpreise im Vergleich zum letzten Jahr stark gesunken sind. Die Futtermittelpreise in den Niederlanden liegen jetzt 11 % unter dem Niveau vom Januar 2023 und 20 % unter dem Niveau vom Mai letzten Jahres. Die Preise für Bruteier waren im vergangenen Jahr aufgrund der höheren Nachfrage aus dem Nahen Osten und Nordafrika gestiegen, sind jetzt aber rückläufig.
Nach den Angaben der Rabobank verbessert sich die Preissituation auf dem Hähnchenmarkt derzeit. Die Analysten führen dies vor allem auf die anhaltend hohen Rindfleischpreise und die stark steigenden Schweinepreise zurück. Die Hähnchenfleischpreise hätten vor allem im ersten Quartal dieses Jahres unter Druck gestanden, weil die polnische Produktion wieder voll ausgelastet war und die Ukraine ihre Exportmengen weiter erhöhte. Vor allem die Preise für Brustfleisch fielen, während sich die Preise für die dunkleren Teile wie Beine, Flügel und Füße gut hielten. Dies änderte sich im zweiten Quartal 2023 etwas, weil die Nachfrage in diesem Zeitraum traditionell etwas höher und das Angebotswachstum etwas geringer ausfielen. Dennoch lägen die Preise für Teile immer noch über dem Niveau des letzten Sommers, so die Marktanalysten.
Bruteierpreise sinken
Die Preise für Bruteier sinken aufgrund der geringeren Nachfrage auf den Exportmärkten in Nordafrika und im Nahen Osten sowie des verstärkten Wettbewerbs, so die Spezialisten der Bank weiter. Einige Länder wie Saudi-Arabien und Irak bauen ihre eigene Produktion von Großelterntieren auf, was die Nachfrage verringert. Der Druck der Vogelgrippe auf die Produktion im Nahen Osten war geringer, während die Türkei und einige mitteleuropäische Märkte preislich wettbewerbsfähiger waren. Dies könnte sich bald wieder ändern, wenn die Vogelgrippe ausbricht, führt aber derzeit zu einem Preisdruck auf die Bruteierpreise.
Hähnchenverkäufe: weniger Volumen, wachsende Exportmengen
Auf der Nachfrageseite steht der Hähnchenabsatz in den Niederlanden unter Druck, lautet die Analyse der Rabobank. Der Hähnchenkonsum der Haushalte lag im Zeitraum Januar bis April 2023 rund 10 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Dagegen stieg der Verkaufswert von frischem Geflügelfleisch um mehr als 10 Prozent, was auf höhere Kosten und die Umstellung auf Hähnchen mit dem 1-Stern-Label Beter Leven zurückzuführen ist.
Die niederländischen Hähnchenexporte in die beiden wichtigsten Exportmärkte deutschland und Großbritannien blieben - verglichen mit der Nachfrage in den Niederlanden, die derzeit etwas unter Druck steht - gut. Die Exporte nach Deutschland stiegen im ersten Quartal 2023 um etwa 2 Prozent, während die Exporte in das Vereinigte Königreich (UK) nach Rückgängen im Jahr 2022 um 3 Prozent stiegen.
Angebot in Europa anhaltend unter Druck
Die relativ hohen Preise für Masthähnchen sind nach Einschätzung der Rabobank größtenteils auf das anhaltend knappe Angebot zurückzuführen. Das Angebot an Geflügelfleisch in Europa bleibt wegen der Vogelgrippe und wegen hoher Futterkosten unter Druck. Im Vergleich zum niedrigen Niveau im ersten Quartal 2022 ist die Masthähnchenproduktion im ersten Quartal 2023 um rund 4 Prozent gestiegen. "Vergleicht man dies mit dem Vor-Corona-Pandemie-Jahr 2019, ist die Gesamtproduktion nur um 1 Prozent gestiegen. Seit einiger Zeit gibt es kaum noch ein Produktionswachstum", sagt Jeroen van den Hurk, Sektormanager Geflügelzucht bei der Rabobank.
Bei anderen Geflügelarten wie Pute und Ente ist die Produktion in Europa im ersten Quartal 2023 erneut gesunken. Die Produktion von Puten liegt 12 Prozent unter dem Niveau von 2019, während die Entenproduktion sogar 30 Prozent unter dem Niveau von 2019 liegt. In beiden Sektoren ist dies hauptsächlich auf die Vogelgrippe und die höheren Risiken zurückzuführen, denen diese Sektoren ausgesetzt sind.
Futtermittelpreise fallen vermutlich leicht
Die Futtermittelpreise sind in diesem Jahr im Vergleich zu 2022 bereits um mehr als 10 Prozent gesunken und werden voraussichtlich weiter leicht fallen. Dieser Preisrückgang ist weitgehend mit dem größeren Angebot auf den Weltmärkten für Getreide und Ölsaaten verbunden. Die Rabobank erwartet, dass die Weltmarktpreise für Getreide und Ölsaaten allmählich weiter sinken werden. Die Bank geht außerdem davon aus, dass die Futtermittelkosten im Jahr 2023 um mehr als 15 Prozent unter dem historisch hohen Niveau von 2022 liegen werden.
Für die niedrigeren Getreide- und Ölsaatenpreise gibt es mehrere Gründe. Dazu gehören die Rekordernte von brasilianischem Mais und Sojabohnen sowie die niedrigeren Düngemittelpreise, die zu einem höheren Düngemitteleinsatz von Betrieben mit besseren Erträgen führen werden. Eine Rolle spielen auch die recht guten Aussichten für die Weizenernte in Europa aufgrund eines milden Winters und die Tatsache, dass Russland Getreide zu wettbewerbsfähigen Preisen auf den Weltmärkten verkauft.
Auf der Nachfrageseite steht die Nachfrage teilweise unter Druck, insbesondere in China, was auf die relativ schwache Wirtschaftslage zurückzuführen ist. Das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) hat seine ersten Prognosen für die Mais- und Sojabohnenproduktion in diesem Erntejahr vorgelegt. Die Fachleute dort rechnen mit einer Rekorderzeugung in den USA, ein weiterer Faktor für niedrigere Marktpreise für Futtermittelrohstoffe.
Die Gesamteinfuhren von Hähnchenfleisch in die 27 EU-Länder sind im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum ersten Quartal 2022 um 25 Prozent auf 220 000 Tonnen gestiegen. Bei den Herkunftsländern gab es eine erhebliche Verschiebung. Die Einfuhren aus dem Vereinigten Königreich haben sich mit nur 25 000 Tonnen mehr als halbiert, während sich die Einfuhren aus der Ukraine auf 65 000 Tonnen verdreifacht haben. Auch die Einfuhren aus Brasilien (+30 % auf 75.000 Tonnen) und Thailand (+30 % auf 45.000 Tonnen) haben stark zugenommen.
Der rasche Anstieg der Einfuhren aus der Ukraine seit der vorübergehenden Aufhebung der Einfuhrbeschränkungen zur Unterstützung eines Landes, das sich im Krieg befindet, hat Auswirkungen auf den Markt. Dies liegt vor allem daran, dass ein erheblicher Anteil an frischem Hühnerfleisch vorhanden ist, das im Gegensatz zu gefrorenen Produkten aus Thailand und Brasilien direkt mit dem europäischen Angebot konkurriert. Dies ist einer der Gründe dafür, dass der Markt für Brustfleisch etwas hinter dem für dunkles Hühnerfleisch zurückgeblieben ist.
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