Schärfere Regeln als in den anderen EU-Ländern, kein Dialog mit der Branche und kein wissenschaftlicher Hintergrund. Putenmästerin Sabine Asum befürchtet einen Zusammenbruch der bayerischen Putenmast, wenn das Eckpunktepapier von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in Kraft tritt.
Kalter Krieg gegen die Tierhaltung
Am 1. März öffnete Sabine Asum ihren Betrieb mit Putenmast im Landkreis Aichach-Friedberg, um auf die Folgen des von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir geplanten Eckpunktepapiers hinzuweisen. Andrea Tölle vom Bayrischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt sprach mit der BBV-Kreisbäuerin und Ausschussmitglied im Landesverband der Bayerischen Geflügelwirtschaft darüber, warum dieses Papier das Aus für ihren und viele weitere bayerische Betriebe bedeutet.
Welche Punkte des Eckpunktepapiers kritisieren Sie besonders?
Sabine Asum: Die wesentlichen Kritikpunkte sind die um ein Drittel verringerte Besatzdichte und die Begrenzung der Stückzahlen ohne ausreichend wissenschaftlichen Hintergrund. Vielmehr soll dadurch aus ideologischen Gründen die Tierhaltung in Deutschland „kalt“ abgebaut werden.
Meinen Sie, ein Landwirtschaftsminister will die Tierhaltung abschaffen?
Ja, er arbeitet leider gezielt daran, die Tierhaltung zu halbieren. Man kann sogar vom Kalten Krieg gegen die Tierhaltung sprechen.
Woran machen Sie das fest?
Zum Beispiel am mangelnden Dialog. Wenn ich partnerschaftlich etwas erreichen will, muss ich mit dem anderen reden. Doch ernsthafte Gespräche hat das Bundeslandwirtschaftsministerium mit unserer Branche leider nie geführt. Von Diskussionen oder Zusammenarbeit kann hier leider keine Rede sein. Dabei arbeiten wir ständig an der Weiterentwicklung unterer Haltungsbedingungen. Doch das wird vom Bundeslandwirtschaftsminister unter den Tisch gekehrt. Mich stört, dass Özdemir mit unserer Branche gar nicht spricht und keinen konventionellen Betrieb anschaut. Er dürfte gerne zu mir kommen.
"Wir Landwirte wollen, dass es unseren Tieren gut geht."
Was machen Sie konkret?
Schon jetzt haben wir mit der seit Oktober bestehenden freiwilligen Haltungsvereinbarung einen gesetzesähnlichen Zustand geschaffen, der weit höher ist als in anderen wesentlichen Produktionsländern. Viele Landwirte nehmen außerdem an weiteren Programmen teil, wir mit unserem Betrieb z.B. an QS, GQB, Initiative Tierwohl und am Laben „ohne Gentechnik“.
Eigentlich stoßen also Özdemir und Sie ins gleiche Horn – beide wollen das Tierwohl verbessern.
Ja wir Landwirte wollen, dass es unseren Tieren gut geht. Allerdings wird durch das Eckpunktepapier erreicht, dass noch mehr Fleisch aus Ländern kommt, in denen viel weniger auf Tierwohl geachtet wird als bei uns. Wenn man wirklich etwas für die Tiere tun möchte, müssen europaweit die gleichen Standards gelten gelten. Schon jetzt haben wir es schwerer als unsere Mitbewerber Polen und Rumänien, ganz zu schweigen von Brasilien. Die lachen sich ins Fäustchen, weil wir uns mit immer höheren Regeln aus dem Markt schießen. Dabei sind wir schon jetzt mit Putenfleisch unterversorgt, der Selbstversorgungsgrad beträgt hier lediglich 80 %.
Sie meinen also, es wird weniger bayerisches Putenfleisch geben?
Ja. Bei uns steht z.B. die Übergabe des Betriebs an die nächste Generation an. Wir überlegen, ob wir mit dem Betriebszweig Pute dann noch weitermachen. Mein Sohn Stefan hat hier nicht nur mit den wirtschaftlichen Einbußen durch das Eckpunktepapier und der fehlenden Planungssicherheit zu kämpfen. Es kommt auch die Wertschätzung in der Gesellschaft dazu. Er hat als Kind selbst erleben müssen, dass er als Landwirtssohn in der Schule als Tierquäler und Umweltsünder beschimpft wurde. Das möchte er seinen Kindern ersparen.
Dabei produzieren Sie doch so wie der Verbraucher es wünscht.
Ja wir tun ja was für den Tierschutz und die Umwelt. Regionale Produktion ist der beste Klimaschutz. Wir vermarkten das Fleisch von unseren Tieren überwiegend regional in Süddeutschland. Unsere Tiere werden im einzigen bayerischen Putenschlachthof in Ampfing geschlachtet. Die Süddeutsche Truthahn beliefert damit hauptsächlich die Regionalschiene von Rewe und Edeka. Und wir arbeiten in Kreisläufen. So kommt z.B. der Mist in unsere Biogasanlage und mit der Abwärme beheizen wir die Putenställe – sogar mit einer Fußbodenheizung. Auch haben wir durch die Teilnahme an der Initiative Tierwohl bereits eine um 10 % geringere Besatzdichte, die Puten haben Beschäftigungsmaterial und wir werden regelmäßig kontrolliert.
Bis zu einem Viertel weniger Puten in den Ställen
Was ist dann das Problem?
Durch die im Eckpunktepapier geforderte geringere Besatzdichte können dann bis zu einem Viertel weniger Puten in den Ställen gemästet werden. Wir müssten also weit höhere Erzeugerpreise erhalten und dies bedeutet eine Verteuerung von Putenfleisch. Die Frage ist doch: Wird der Verbraucher die Ware kaufen, wenn daneben das günstigere Produkt liegt? Dass dann unsere Ware liegenbleibt sieht man ja auch in Österreich, wo das Putenfleisch, das mit der Regelung 40 kg/m² erzeugt wurde, im Regal liegen bleibt weil z.B. diese Putenbrust 15 Euro kostet, während daneben das optisch gleiche Produkt für 8 Euro liegt. Uns wird die Wettbewerbsfähigkeit entzogen.
Özedmir wird also genau das Gegenteil von dem erreichen, was er eigentlich äußert?
Ja, denn gerade wir in der grundsätzlich eher klein strukturierten Landwirtschaft in Bayern mit Familienbetrieben bleiben auf der Strecke. Wir sollten auch bedenken, dass wir in Bayern nur den einen Putenschlachthof in Ampfing betreiben. Sollte ein Einbruch im Absatz stattfinden bedeutet dies für unsere Betriebe in Bayern, dass wir verschwinden. Das Eckpunktepapier ist Tierschutz auf dem Papier. Denn bestehende Strukturen wie ITW, QS, GQB finden keine Beachtung und die Regionalität bleibt voll auf der Strecke. Ebenso wird nicht betrachtet, dass wir durch Importe den Klima- und Umweltschutz total ausblenden.
Dabei ist Regionalität doch eigentlich im Trend…
Ja und genau dagegen agiert Özdemir mit seiner Bevormundung darüber, was ich essen darf. Auch das Schwarz-weiß-Malen bestimmter Themen macht mir große Sorgen. Ich möchte selbst bestimmen was ich esse. Ich möchte Fleisch aus Deutschland und mir nicht Obst und Insekten vorschreiben lassen. Ich möchte regional und saisonal essen. Deshalb kommen für mich jetzt auch keine Erdbeeren in Frage.
Özdemir fordert in dem Papier auch einen Sachkundenachweis und regelmäßige Fortbildungen. Bedeutet das für Sie auch einen Mehraufwand?
Das sind doch Dinge, die wir seit vielen Jahren praktizieren. In Deutschland haben wir in der Landwirtschaft einen sehr hohen Ausbildungsstandard und wir sind jedes Jahr angehalten mindestens eine Fortbildungsmaßnahme zu besuchen.
Wir produzieren ja bereits auf einem ganz hohen Standard und das Wohl unserer Tiere liegt uns am Herzen. Wir gehen täglich dreimal durch den Stall und wenn der Bestand nicht fit ist sind wir auch krank. Denn unsere Tiere sind unsere Herzenssache.
Bildquellen: Privat, Judith Schmidhuber / StMELF
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