GentleChick – Der Effekt des „Gentlings“ beim Masthuhn

29 April 2024
Masthuhn
Broiler Versuch

Theresa Ludwig von der Professur für Tiergesundheit und Tierschutz der Universität Rostock stellte auf der Bioland Geflügeltagung 2024 erste Ergebnisse aus dem Projekt GentleChick vor.

Was ist Gentling?

Das Ziel beim Gentling ist, die Furcht eines Tieres vor dem Menschen durch positive Erfahrungen und Gewöhnung zu reduzieren. Die Tiere werden dadurch zutraulicher, was einerseits notwendige Managementmaßnahmen erleichtert und andererseits den Tieren ein angenehmeres Leben in menschlicher Obhut verschafft. Die Idee des Gentlings wurde zunächst bei einer gehaltenen Wildtierspezies, dem Silberfuchs, entwickelt. Von dort fand die Idee Einzug in die Versuchstierhaltung mit Ratten und wurde weiterhin auf verschiedene Nutztierarten wie das Rind und das Schwein übertragen. Im Projekt GentleChick wurde dieser Ansatz auf Masthähnchen des Genotyps Ranger Classic angewendet.

Gentling beim Masthuhn – unser Ansatz

Die Datenerhebung fand im Zeitraum zwischen Oktober 2021 und Mai 2022 im Versuchsstall des FBN in Dummerstorf statt. Die Abteile für die Tiere waren jeweils ca. 22 m² groß und getrennte Räume. Die Hälfte der untersuchten Gruppen durchlief in den ersten drei Lebenstagen ein Gentling-Programm die anderen waren Kontrollgruppen und erhielten ein übliches Routinemanagement. Die Gentling-Gruppen wurden zweimal täglich (insgesamt sechs Mal) für jeweils eine Stunde von einer Person besucht. Die Person stand und hockte bei den Tieren und sprach mit ihnen. Zusätzlich umfasste das Gentling positiv intendierte soziale Interaktionen mit den Tieren wie z.B. Streicheln oder auf die geöffnete Hand nehmen.

Wie kann man Gentling messen? – Die Verhaltenstests

Der Einfluss des Gentlings auf das Verhalten und die Mensch-Tier-Beziehung wurde mittels dreier Verhaltenstests gemessen. Im ersten Test wurde die spontane Annäherung an einen unbewegt stehenden Menschen beurteilt, im zweiten Test die Fluchtdistanz zu einem Menschen, der sich dem Huhn aktiv nähert und im dritten Test die spontane Annäherung an einen hockenden Menschen, der anschließend versucht, die Tiere in Reichweite zu berühren. Ein zusätzlicher vierter Test erfasste nicht die Mensch-Tier-Beziehung, sondern die Reaktion auf ein unbekanntes Objekt, um eine generalisierte Stressreaktion auszuschließen. Die Verhaltenstests wurden dreimal während der Mastperiode durchgeführt: Anfang, Mitte und Ende der Mast (Masttage 7, 21 und 36).

Der Effekt des Gentlings

Das Gentling führte dazu, dass sich mehr Tiere während des ersten Tests mit der stehenden Person länger und näher beim Menschen aufhielten. Beim Fluchtdistanz-Test ließen die Tiere aus den Gentling-Gruppen den Menschen näher an sich heran als die Tiere aus den Kontrollgruppen. Auch beim Test mit der hockenden Person führte das Gentling dazu, dass mehr Tiere in die Nähe des Menschen kamen und sich auch mehr von diesem berühren ließen. Über die Mastperiode hinweg ließ sich beobachten, dass die Fluchtdistanzen geringer und der Anteil berührter Tiere höher wurde je älter die Tiere zum Testzeitpunkt waren. Beim Test mit einem unbekannten Objekt zeigte sich dagegen ein anderes Bild. Hier konnte kein Unterschied in der Annäherungsreaktion auf das Objekt zwischen den Versuchsgruppen festgestellt werden. Deutlicher war dagegen der Unterschied zwischen den Testzeitpunkten, an denen jeweils ein anderes Objekt verwendet wurde.

Bedeutung der Ergebnisse für den Umgang mit Broilern

Der beschriebene Ansatz bietet Potential, um die Furcht der Tiere vor dem Menschen zu reduzieren. Eine verringerte Furcht vor dem Menschen könnte beispielsweise das Einfangen der Tiere erleichtern und die täglichen Tierkontrollen vereinfachen. Einerseits halten die Tiere einen geringeren Abstand zum Menschen ein und andererseits muss das Licht während der Tierkontrollen dadurch eventuell nicht mehr so stark oder gar nicht mehr gedimmt werden. So könnten Veränderungen leichter und früher erkannt werden und damit das Tierwohl verbessert werden. Weitere Daten der Studie werden derzeit ausgewertet. Um das Gentling-Programm in die Praxis übertragen und weiter optimieren zu können, sollen weitere Studien mit größeren Gruppen durchgeführt werden.

Theresa Ludwig1,3, Christian Nawroth2, Birger Puppe2, Michael Erhard3, Helen Louton1
1Professur für Tiergesundheit und Tierschutz, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät, Universität Rostock
2Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN), Dummerstorf
3Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung, Tierärztliche Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München

Theresa Ludwig
Bild: Theresa Ludwig

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