Geflügelpest: Neue Wege bei der Vorbeuge

18 März 2024
Pute
Zuluftfilterung Putenstall

Björn Sake (li.) wurde unterstützt durch Ludger Lamping (Mi.) und Thomas Uchtmann (re.) von der RWS Agrarveredlung.

Auch wenn die Geflügelpest-Ausbrüche sich in diesem Winter hierzulande bislang in Grenzen hielten – die Sorge vor einer Infektion dürfte bei jedem Geflügelbetrieb geblieben sein. Ein neuer Ansatz wurde im Landkreis Cloppenburg erfolgreich erprobt: Ein Zuluftfilter für Putenställe.

Tierarzt Björn Sake promoviert derzeit am Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Seine Doktorarbeit wird von PD Dr. Jochen Schulz betreut und befasst sich mit einer wichtigen Herausforderung der Geflügelbranche, der Geflügelpest (Aviäre Influenza=AI). Es geht um einen ganz neuen Ansatz der Prävention. An einem frei belüfteten Putenstall in der geflügeldichten Region Weser-Ems wurden Zuluftfilter installiert. Hierüber soll der Eintrag luftgetragener Krankheitserreger – wie des AI-Virus - verhindert werden. Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend.  

Finanziert von der Niedersächsischen Tierseuchenkasse

Björn Sake hat sein Projekt zusammen mit dem Stalleinrichter Big Dutchman und der RWS Agrarveredlung GmbH & Co. KG umgesetzt, finanziert wurde es hauptsächlich von der Niedersächsischen Tierseuchenkasse. Christian Sauer verantwortet bei Big Dutchman die Lüftungstechnik: „Wir haben mit der Zuluftfilterung bereits Erfahrungen in Ställen mit wertvollen Zuchtschweinebeständen. Mit Björn Sake und der RWS testen wir die Zuluftfilterung jetzt wissenschaftlich begleitet im Geflügelbereich.“

Dafür wurden an einem Puten-Jalousienstall mit 1.500 Hahnenplätzen im Landkreis Cloppenburg vier Filtermodule angebaut – jeweils zwei je Längsseite (siehe Grafik). In jedem Filtermodul befinden sich ein Grobstaub- und ein Feinstaubfilter. Bei vollständig geschlossenen Jalousien wird die komplette Zuluft durch die Filter per Überdruck in den Stall eingebracht.

Grafik Zuluftführung Putenstall

Partikelfilter hat Wirksamkeit bewiesen

Dass die Filter ihre Aufgabe gut erledigen, zeigen die Messungen aus bisher drei Durchgängen. Die Feinstaubfraktionen (PM 10/PM 2,5/PM 1) wurden im Schnitt zu 97,89 bis 94,27 Prozent abgefiltert. Bei den noch kleineren Nanopartikeln lag die Abscheiderate im Schnitt bei 95,15 Prozent. „Diese Zahlen belegen, dass Partikel, die potenziell infektiös sein können, konsequent zurückgehalten werden“, fasst der Tierarzt zusammen.

In seinem Promotionsprojekt wurden den Filtermodulen ein PAD-Cooling-System vorgeschaltet. „Wir wollten quasi zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, so Björn Sake. Putenställe sind hierzulande überwiegend als Offenställe gebaut, entweder mit Jalousien oder mit Klappen zu schließen. Bei der RWS sind laut Geschäftsführer und Tierarzt Thomas Uchtmann rund 95 Prozent der Ställe Offenställe. „In den vergangenen Sommern haben Tage mit sehr hohen Temperaturen, bzw. Enthalpiewerten zugenommen, das Thema Kühlung beschäftigt uns also auch“, begründet Thomas Uchtmann das Interesse.

Verteilung der Zuluft im Stall herausfordernd

Eine Herausforderung bestand dabei darin, die gefilterte und bei Bedarf gekühlte Zuluft gut im Stall zu verteilen. RWS-Produktionsleiter Ludger Lamping erläutert dazu: „Puten sind sehr anfällig für Zugluft. Über ein System aus zwei Umluftventilatoren an der Decke und vier seitlichen Stützventilatoren wurde eine optimale Durchströmung und Verteilung der Zuluft im Stall hinbekommen“, berichtet er.
Im Stall werden an mehreren Stellen Temperatur, Luftfeuchtigkeit sowie CO2- und NH3-Gehalt gemessen. Diese Parameter sind bei der geänderten Luftführung im Sollbereich geblieben.  

 

Über vier dieser Filtermodule gelangt die Zuluft in den Putenstall.
Ventilatoren sorgen für ein gute Luftverteilung im Stall.
Vorgeschaltet vor die Filterelemente ist jeweils ein Kühlsystem.

Zur Kühlung: Im vergangenen Sommer gab es einen Hitzetag mit 36 °C. Im Projektstall konnte die Stalltemperatur durch das PAD-Cooling um 6 -10°C abgesenkt werden. Das standardmäßig verbaute Kühlsystem brauchte nicht zusätzlich eingesetzt werden. Ludger Lamping: „In einem geschlossenen Stall mit geregelter Lüftung ist heute eine Temperaturabsenkung im Sommer gut machbar. Im Offenstall mit Klappen und Hubfirst schafft man auch noch gut einige Grad Absenkung mehr als bei Jalousienställen. Hier wird das schon schwieriger bei weiter steigenden Temperaturen.“

Filter nur für zeitweisen Betrieb gedacht

Die Zuluftfilterung mit Kühlung ist natürlich energieintensiver als ein System mit natürlicher Lüftung. Das System im Teststall ist denn auch so angedacht, dass es nur bei Bedarf, also in vogelgrippe-kritischen Zeiten oder bei Hitze aktiviert wird. Sonst kann der Stall mit Schwerkraftlüftung und offenen Jalousien betrieben werden.

Björn Sake untersucht im Rahmen seiner Arbeit auch, ob neben den Vogelgrippe-Virus andere Erreger durch die Filter abgeschieden werden. PCR-Analysen ergaben, dass auch beispielsweise Erreger der Ornithobakteriose (ORT) abgefiltert wurden.

Für Thomas Uchtmann ist das vor dem Hintergrund, dass auch diese Krankheitserreger hohe wirtschaftliche Schäden in der Putenmast verursachen können, von großem Interesse. Die Vogelgrippe hat in den Wintern vor 2023/24 in der Region Weser-Ems vielfach Putenbetriebe schwer getroffen, in Sachen Biosicherheit wurde seitdem viel optimiert. Aber: „Alles, was die Prävention noch verbessert, kann uns nur willkommen sein“, sagt er und zieht damit ein aus seiner Sicht positives Resümee zum Filterprojekt. Sein Unternehmen sei immer interessiert, sich an entsprechenden wissenschaftlichen Arbeiten zu beteiligen, betont er.

Weltweit Interesse an Zuluftfilterung

Nach Einschätzung von Christian Sauer gibt es weltweit ein zunehmendes Interesse daran, Krankheitserreger zuverlässig von Tierbeständen fernzuhalten: „Wir sammeln in dem Pilotprojekt mit Björn Sake aktuell sehr viele Erfahrungen. Unsere Aufgabe wird dann sein, die Filteranlage für Geflügelställe zur Serienreife zu bringen.“

Eine abschließende Beobachtung von Ludger Lamping: Im Versuchsstall war die Tiergesundheit in den drei Durchgängen durchgehend sehr gut. Es konnte ein etwas höheres Schlachtgewicht erreicht werden im Vergleich zu vorherigen Durchgängen. 

 

Christa Diekmann-Lenartz
Bild: Christa Diekmann-Lenartz

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