Der Weg zum Zweinutzungshuhn ist fast unmöglich

17 September 2022
Deutschland
Zweinutzungshühner

„Was sich manche Politiker wünschen, ist nicht umsetzbar!“, sagt Professor Rudolf Preisinger. Und er bezieht sich damit unter anderem auf den Wunsch einiger Politiker, die Zucht von Zweinutzungshühnern weiter voranzutreiben. Der langjährige Chefgenetiker von Lohmann Deutschland war einer der Experten, die auf der Tagung der Lohmann Süd, die vor kurzem in Bad Windsheim stattfand, rund 200 Besucher aus ganz Süddeutschland zusammenbrachte. Die Fachleute prognostizierten auf der Veranstaltung, dass die deutsche Eiererzeugung in den nächsten Jahren weiter zurückgehen wird, weil die Auflagen der Bundesregierung in Deutschland die Produktion, im Ausland aber nicht vorgeschrieben sind.

Global gesehen ist Effizienz gefragt

Bevor Professor Rudolf Preisinger aus Cuxhaven das schwierige Thema Geschlechterbestimmung im Brutei einging, widmete er sich den globalen Herausforderungen der modernen Geflügelzucht. Während bei uns maximales Tierwohl, kleine Bestände und mehr ökologische Erzeugung gewünscht werde, gehe es aus globaler Sicht um die Steigerung der Effizienz, um ausreichend Nahrung für die wachsende Weltbevölkerung zu erzeugen. Die Eierversorgung könnte aber auch durch die Vogelgrippe, die immer mehr um sich greift, schwierig werden.

Zweinutzungstiere sind meist nicht effizient

Wie schwierig die Geschlechterbestimmung im Brutei ist, um die wenig rentablen „Bruderhähne“ nicht aufziehen zu müssen, schilderte Preisinger im Detail. Mehrere Forschungsanstalten versuchten sich nach seinen Worten mit Hilfe von Steuermitteln darin, Zweinutzungshühner zu züchten, die einerseits als Hennen genügend Eier legen und deren Brüder andererseits reichlich Fleisch ansetzen. Die Ergebnisse gehen derzeit dahin, dass die Broiler einen deutlich geringeren Fleischansatz, eine um 50 Prozent schlechtere Futterverwertung und eine mindestens drei Wochen längere Haltungsdauer haben, während die Hennen der Zweinutzungstiere 20 Prozent weniger Eier legen, die zudem kleiner und nur zu einem geringeren Teil vermarktungsfähig sind.

Wie Preisinger ausführte, tun sich dabei Probleme auf, die sich nicht zur vollen Zufriedenheit lösen lassen. Denn es sei in der Kreuzungszucht nicht so einfach, eine gewünschte Eigenschaft zu optimieren. Elterntiere würden mehrere Eigenschaften vererben. Nachkommen mit einer guten Legeleistung könnten dann beispielsweise Schwächen im Knochenaufbau haben oder die Futterverwertung stimme nicht. Letztlich ist das, was sich manche Politiker wünschen, nicht umsetzbar, sagte der Professor. Ein anderer Weg wäre, das Geschlecht des Kükens im Brutei zu bestimmen. Bisher sei dies erst am 13. oder 14. Tag relativ zuverlässig möglich, aber manch einer vertrete die Auffassung, dass Hühnerembryonen mit 13 oder 14 Tagen schon Schmerzen verspüren. Auf die konkrete Frage, wie diese Sache am Ende wohl ausgehe, meinte Preisinger, dass es parallel wohl zwei Lösungen geben werde: Eine Zweinutzungsrasse mit einer verringerten Legeleistung und Hähnchen mit geringerem Fleischansatz als die gewohnten Masthähnchen, die sich dann eher Biobetriebe zulegen.

Rund 200 Legehennen-Halter, Tierärzte und Futtermittellieferanten füllten das Kur- und Kongress-Center in Bad Windsheim.

Höhere Preise wegen Geschlechtsselektion 

Zudem werde die Technik vielleicht bis 2024 so weit sein, so dass über Strahlen ins angebrütete Ei schon nach drei bis vier Tagen festgestellt werden könne, ob ein weibliches oder männliches Küken schlüpfen werde. Die „männlichen Eier“ gehen dann in die Futtermittelproduktion, während bei den anderen Eiern das für die Untersuchung nötige Loch wieder verschlossen wird und es ausgebrütet werden kann. Somit könnten dann weiter die Rassen mit hoher Legeleistung verwendet werden. Allerdings führe diese Prozedur zu einem Mehraufwand, der sich in den Preisen niederschlagen werde.

Nicht auf Lysin verzichten

Mit Rückblick auf die Erfahrungen des Hitzesommers empfahl Fütterungsexperte Robert Pottgüter aus Düsseldorf den Legehennenhaltern, den Hühnern stets ausreichend und kühles Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sollte der Energiebedarf mehr über das Rohfett im Futter als über die Stärke gedeckt werden. Zu Insekten als Tierfutter sagte er, dass diese nur zugelassen seien, wenn die Insekten futtermittelrechtlich ernährt werden. Zu Selbstmischungen meinte der Fütterungsexperte, „entweder richtig oder gar nicht“. Zudem empfahl Pottgüter, nicht wegen der Kosten auf Zusatzstoffe wie Lysin zu verzichten. Pottgüter geht davon aus, dass sich die politisch gewünschte Reduzierung der Tierhaltung vor allem über Vorschriften zur Verringerung der Besatzdichte der Ställe vollziehen werde. Schon bisher hätten sich durch viele Anpassungen die Erzeugungskosten pro Ei deutlich erhöht und auch der Ressourcenverbrauch ginge deutlich nach oben.

Weltweit geht der Trend zu mehr Leistung

Zu Beginn der Tagung hatte Björn Andersson von der Lohmann Breeders GmbH darauf hingewiesen, dass weltweit die Käfighaltung das dominierende System sei. Auch sei in anderen Ländern das in Deutschland verbotene Schnabelkürzen kein Thema. Zu einer Frage aus dem Saal, ob denn bei der Züchtung auch auf das Federkleid und die Stabilität des Brustbeins und nicht nur auf die Leistung geschaut werde, sagte Andersson, dass im Zuchtprogramm sehr wohl neben der Legeleistung auf die Stabilität des Brustbeins geachtet werde. Doch weltweit gehe der Trend weiterhin zu mehr Leistung. Überdies gebe es Leute, die froh wären, wenn sie überhaupt Eier hätten.

Die nächste Fachtagung in Sachen Hühnerhaltung wird am 28. September 2023 wieder im Kongress-Center in Bad Windsheim stattfinden, kündigte Geschäftsführer Joachim Holz von Lohmann Süd an.

Prof. Dr. Michael Grashorn (Vorsitzender des DLG-Ausschusses für Geflügel), Björn Andersson, Robert Pottgüter, Prof. Rudolf Preisinger, und Dr. Andreas Bublat.
Fritz Arnold
Bild: Fritz Arnold

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