Weihnachtsgans 2033

25 Dezember 2023
Deutschland
Weihnachtsgans

Prof. Dr. Cornelia Rauh leitet das Fachgebiet Lebensmittelbiotechnologie und -prozesstechnik an der TU Berlin. In einem Interview der Technischen Universität Berlin erklärt sie, welche Weihnachtsklassiker schon jetzt vegan zubereitet werden können und wie eine Weihnachtsgans aus kultiviertem Fleisch aussähe.

Nach Ansicht von Prof. Rauh wird die Weihnachtsgans 2033 bei vielen Menschen vermutlich genauso knusprig aussehen wie heute und auch aus einer echten Gans bestehen. Für einige Menschen werde die Gans vielleicht das erste Stück Fleisch seit ein paar Wochen sein, weil sie bewusst ihren Fleischkonsum eingeschränken.

Goldbraune Haut, die keine ist

Wer in zehn Jahren zu der immer größer werdenden Gruppe von Vegetarier- und Veganer*innen gehöre, dem könnten aber auch Fleischersatzprodukte zur Verfügung stehen, die einen sehr ähnlichen Genuss möglich machten, sogar mit Knochen und goldbraun gebratener Haut. Dazu gebe es in der Medizin schon jetzt Knochenersatzmaterial. Es genüge, ein Material zu finden, das entsprechend formbar sei und lebensmittelecht und haptisch den gleichen Eindruck vermittele. Die knusprige, goldbraun gebratene Haut entstehe durch die sogenannte Maillard-Reaktion, für die neben Hitze nur Proteine und bestimmte Zucker gebraucht würden. Beides würden sowohl pflanzlicher Fleischersatz zum Beispiel auf Basis von Erbsen- oder Linsenproteinen liefern wie auch kultivierte tierische Muskel- und Fettzellen.

Komplett vegane Weihnachtsgans?

Wenn es tatsächlich eine ganze Gans sein solle, käme wegen ihrer komplexen Form wohl nur kultiviertes Fleisch in Frage, so Rauh. „Um das zu verstehen, muss man wissen, wie diese beiden Arten von Fleischersatz hergestellt werden. Bei der rein pflanzlichen Methode werden Proteine aus Erbsen, Linsen, Bohnen oder Soja in einem sogenannten Extruder verarbeitet, das ist quasi eine Teigknetmaschine mit zwei Schneckengetrieben. Unter erhöhtem Druck und bei Temperaturen über einhundert Grad werden die Proteine aufgeschlossen und bilden untereinander eine komplexe Struktur aus. Dann kann ich diese Paste entweder über eine Düse schlagartig entspannen, das liefert mir kleine Krümel, also „Hackfleisch“, oder ich schicke die Paste in eine graduelle Abkühlung. Das findet in einem Kanal statt, der von außen an verschiedenen Stellen verschieden stark gekühlt wird. Wir versuchen hier, mit chemischen Analysen und physikalischen Simulationen im Computer das Verfahren immer weiter zu verstehen und zu verbessern. Ziel ist eine Textur, die möglichst nah an die von Fleisch herankommt“, erläutert die Biotechnologin.

Komplexe Stützstruktur nötig

Die Herausforderung liege in der Notwendigkeit einer Stützstruktur braucht, auf der die Zellen in die gewünschten Richtungen wachsen könnten. Die Muskelzellen sollen sich dabei differenzieren und ihre typischen muskulären Aufgaben übernehmen, nur so bilden sich die uns vertrauten Muskelstränge, die das Konstrukt am Ende auch zusammenhalten. „Im Tier, und natürlich auch im Menschen, ist das Bindegewebe die Stützstruktur für die Muskeln. Es besteht unter anderem aus Gelatine, und die hat sich in Experimenten auch als gut geeignet erwiesen, um eine künstliche Stützstruktur herzustellen.

Aber sie wird aus Schlachtabfällen gewonnen, eignet sich also nicht für vegane Produkte. Wir experimentieren nun damit, Stützstrukturen aus Pflanzenproteinen herzustellen. Die könnte man dann in Zukunft etwa mit einem 3D-Drucker in beliebige Formen bringen. Es ist allerdings eine Herausforderung, die tierischen Zellen dazu zu bringen, sich an pflanzliches Protein anzuheften.“

Text:
Cordula Moebius

Cordula Moebius

Mehr von diesem Autor
Bild: Adobe_Stock:Schulz-Design

Reagieren

Geflügelnews lädt Sie ein, auf Artikel zu reagieren und schätzt Reaktionen mit Inhalt. Die Redaktion behält sich das Recht vor, beleidigende oder kommerziell motivierte Reaktionen ohne Angabe von Gründen zu entfernen.