KAT: Die Zeit wird knapp!

28 Februar 2023
Brüterei
Eintagsküken

Bis Ende März muss Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir einen Bericht zu den Änderungen im Tierschutzgesetz, insbesondere zur Ist-Situation des Ausstiegs aus dem Kükentöten liefern. Und die deutsche Eierbranche blickt sorgenvoll in die Zukunft: Wird die Geschlechtsselektion im Brutei ab 1. Januar 2024 noch praktiziert werden können? Caspar von der Crone sprach für Geflügelnews mit KAT-Geschäftsführer Dietmar Tepe und der stellvertretenden Geschäftsführerin des KAT Sibylle Schaper über die Situation der deutschen Eierwirtschaft. 

Caspar von der Crone: Ich beginne unser Gespräch mit einer These: Wenn das Tierschutzgesetz in der jetzigen Form bestehen bleibt und eine Geschlechtsselektion nach dem 6. Tag ab 1. Januar 2024 nicht mehr gestattet ist, dann wäre die embryonale Früherkennung, wie sie derzeit möglich und praktizierbar ist, nicht mehr anwendbar. Und das hätte gewaltige Konsequenzen für die Eierproduktion in Deutschland. 

Dietmar Tepe: Das sehen wir aufgrund der uns vorliegenden Zahlen genau wie Sie: Wenn die Selektionsverfahren - so wie sie jetzt ausgestaltet sind - Ende Dezember 2023 auslaufen, haben viele Betriebe in Deutschland ein Problem. Und das liegt daran, dass Deutschland nicht isoliert von anderen Ländern betrachtet werden darf. Sowohl die Lieferkette Tier als auch die Lieferkette Ei sind international vernetzt. Und der Gesetzeswortlaut der Ergänzung des deutschen Tierschutzgesetzes nimmt mit den Bestimmungen zum Ausstieg aus dem Kükentöten einen einzigen Knoten aus diesem Netzwerk heraus. Aber für den Markt ist es ein leichtes, diesen Knoten im Netzwerk zu umgehen. Natürlich wird in Deutschland kein Küken mehr getötet und es steht unter Strafe. Doch dies hat keine Auswirkungen auf die Versorgung mit Junghennen. Diese – oder gleich die Eier- werden dann im Ausland gekauft. 

Caspar von der Crone: Man hat das Gefühl, dass von vielen, auch politischen Entscheidern, die Aufzucht von Bruderhähnen als DIE Alternative angesehen wird. Ich persönlich sehe dies kritisch und siedele diesen Zweig nicht in der konventionellen Produktion, sondern eher als Nische im ökologischen Landbau an. Die Phase der Aufzucht bei den Bruderhähnen ist heute meistens zu kurz bemessen und die Tiere werden viel zu leicht geschlachtet. Außerdem haben wir in Deutschland keine ausreichenden Kapazitäten für die Aufzucht der Brudertiere. Nach meiner Ansicht sollte die Hahnenaufzucht genauso lange dauern wie die Aufzucht der Junghennen – nämlich bis 18 Wochen. Mich interessiert, wie der KAT das sieht und wie er die Thematik Bruderhahnaufzucht handhabt.  

Dietmar Tepe: Um einen Überblick über den Umfang der Bruderhahnaufzucht zu bekommen, haben wir die KAT-Datenbanken ausgewertet und gesehen, dass im ersten Quartal des vergangenen Jahres das Verhältnis zwischen Bruderhahnaufzucht und Geschlechtsselektion bei 70 Prozent zu 30 Prozent lag, auch bei den konventionellen KAT-Betrieben. Das war vor allem an der fehlenden Kapazität der Selektionsanbieter begründet. Aber auch für die Aufzucht in Deutschland fehlen aktuell -wie Sie schon sagten - die Kapazitäten, so dass von 20 Millionen Bruderhähnen im letzten Jahr gute 9 Millionen nicht in Deutschland, sondern in Polen aufgezogen wurden. KAT hat auch diese polnischen Betriebe kontrolliert und Ställe, die den KAT-Vorgaben nicht entsprachen aus dem System genommen. 

Inzwischen hat sich die Situation verändert. Alle haben mit den Selektionsverfahren aufgerüstet und die ganze Branche hat sich in Richtung OKT mittels Selektion eingeschwungen. Die Zahlen aus dem vierten Quartal 2022 zeigen jetzt 70 Prozent Selektion. Wenn der 1. Januar 2024 im Gesetz so stehenbleibt, ist wahrscheinlich wieder Retoure angesagt und wir bekommen beim KAT jede Menge Anmeldungen für neue Hahnenaufzuchten – die in Deutschland nicht von heute auf morgen gebaut werden können. Die andere Möglichkeit ist, dass sich der Markt verabschiedet und auf MKT geht. 

Geht der Markt auf MKT?

Caspar von der Crone: Das ist ein Riesenproblem, was macht KAT dann? 

Dietmar Tepe: Eine gute Frage und aus Sicht des KAT eine dramatische Entwicklung, vor allem weil Verbraucher bei den steigenden Verbraucherpreisen heute nur noch aufs Preisetikett schauen und nicht bereit sind, mehr Geld für Eier auszugeben, um die Aufzucht von Bruderhähnen zu finanzieren. Wir sehen, dass in vielen Bereichen, zum Beispiel den regionalen Wochen- und Hofmärkten, dem Direktverkauf oder dem Bäcker von nebenan, mittlerweile MKT-Ware bezogen und aktiv nachgefragt wird. So mancher Legehennenhalter holt sich seine Herde deshalb aus dem Ausland und er wird seine Eier alle wunderbar los. 

Caspar von der Crone (links) und Dietmar Tepe (rechts)

Caspar von der Crone: Wir bekommen also Küken, die nicht aus deutscher Produktion stammen. Die Eier selbst werden aber in der Region erzeugt und als solche vermarktet. Und der Verbraucher trifft seine Kaufentscheidung nach dem Preis, egal ob „ohne Kükentöten“ draufsteht oder nicht. Eine schwierige Situation. Kann es sein, dass sich bald niemand mehr richtig für KAT und OKT interessiert?

Dietmar Tepe: Das werden wir sehen. Die großen Player im Lebensmitteleinzelhandel, wie zum Beispiel die Schwarz-Gruppe, Aldi, Rewe und Edeka, haben sich klar KAT und OKT auf die Fahnen geschrieben. Aber man kann Verbrauchern den Ort des Einkaufs nicht vorschreiben. Und mit dem Argument der Regionalität lässt sich emotional sehr gut arbeiten. Leider ist das Thema viel zu komplex, um dem Verbraucher mit Sachargumenten zu kommen. Wir schätzen, dass die Frage der Kaufkraft einen wesentlichen Hebel dafür darstellt, wie wichtig KAT und OKT in Zukunft sein wird. Dazu muss man auch noch im Hinterkopf behalten, dass 30 Prozent der Eier in die Verarbeitung gehen. Da war KAT ohnehin noch nie so stark nachgefragt und wir sehen derzeit zusätzlich einen klaren Rückgang bei der Nachfrage von KAT-Eiprodukten. Tendenziell scheint es so, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Dies belegen die von uns über die letzten Monate ausgewerteten Zahlen der aktiven KAT-Hennenplätze: hier ist ein kontinuierlicher, aber deutlicher Rückgang zu verzeichnen.   

Caspar von der Crone: Man muss einfach sehen, dass gerade bei Verarbeitungsware kein Qualitätsunterschied wahrgenommen werden kann. Hier werden wir wohl über kurz oder lang mit mehr importierter Ware aus Polen oder der Ukraine rechnen müssen. 

Sibylle Schaper: Das Problem wachsender Importe aus unseren Nachbarländern, die auch ohne OKT schon günstiger produzieren konnten, sehen wir natürlich auch. Die Verlockung von Umetikettierung von Ware wird immer attraktiver. 

Verschobenes Problem

Caspar von der Crone: Was mich aktuell stutzig macht, ist die Preisgestaltung am Markt: Trotz der hohen Auflagen scheint die KAT-Ware derzeit die günstigste Ware, die im Lebensmitteleinzelhandel angeboten wird. Die regionale Ware wird zu wesentlich höheren Preisen angeboten. Das ist eigentlich unverständlich, weil man beim Bauern um die Ecke gar nicht sicher sein kann, was hinter seiner Produktion wirklich steckt.

Dietmar Tepe: Das ist auch etwas, das den Markt ein bisschen in Unruhe versetzt und bei unseren Mitgliedern zu Unmut führt. Andererseits stelle ich mir einfach vor, dass ich ein Legehennenhalter wäre und im nächsten Jahr neu einstallen müsste. Dann wäre jetzt die Zeit für die Planung und die Bestellung der Junghennen. Doch bei wem soll ich was bestellen? Und mit welcher Vorgabe? MKT? Bruderhahnaufzucht? Geschlechtsselektion? Und welches Verfahren der Geschlechtsselektion? Deshalb gehen wir davon aus, dass in der zweiten Jahreshälfte 2023 noch einmal ganz viele Halter versuchen werden, eine neue Herde entweder MKT oder mit den aktuell zugelassenen Selektionverfahren einzustallen, um dann ganz legal noch eine Herde im Stall zu haben, die für anderthalb bis zwei Jahre Eier legen kann und das Geschäft Weihnachten 2023, Ostern 2024, Weihnachten 2024 und vielleicht auch Ostern 2025 absichert. 

Caspar von der Crone: Das sehe ich als sehr realistisch an. Ich als Legehennenhalter würde das genauso machen.

Dietmar Tepe: Die Eiererzeuger schwimmen derzeit völlig, was wir auch beim KAT merken. Viele versuchen auch, eigene Arrangements mit dem regionalen Supermarkt zu treffen. Leider leidet häufig die Platzierung des KAT-Ware darunter. 

Caspar von der Crone: Mich treibt noch etwas um, nämlich dass immer mehr Länder auf Cage free umstellen. Kann es uns passieren, dass wir bald Eier aus Ländern bekommen, die wir bisher noch gar nicht im Fokus hatten, zum Beispiel USA oder China? Und was geschieht, wenn Systeme wie Seleggt aus Deutschland abwandern und in den USA weiterproduzieren? Dass kann doch bei der deutschen Erzeugung nur Ungewissheiten und möglicherweise auch zu Verbrauchsrückgängen führen!

Dietmar Tepe: Wir sind ganz gespannt, wo das alles hinläuft. Zunächst wird die Bundesregierung bis Ende März 2023 einen Bericht zur Ist-Situation liefern. Doch ich vermute, dass viele nicht verstanden haben, dass dies erst einmal ein Bericht ist. Es heißt noch lange nicht, das über ein Gesetz entschieden wird. Die Unsicherheit für die Betriebe bleibt erst einmal, der 1. Januar 2024 rückt immer näher. Was passieren wird, ist heute schwer einzuschätzen. Es bleibt spannend.

Text:
Cordula Moebius

Cordula Moebius

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Bild: KAT, Cordula Möbius, Dieter Theyssen

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Anton Haas - vor 1 Jahr
Leute habt Ihr das noch nicht gemerkt die Deutsche Landwirtschaft hat keine Zukunft mehr, die Regierung insbesondere die Grünen drehen an einer noch so kleinen Schraube um Landwirtschaft unmöglich zu machen. Leider hat das die Landwirtschaft noch nicht gemerkt, wie dumm muss man sei, um das nicht zu merken. Ich bin gespant wie lange das sich die Landwirtschaft sich das noch gefallen lässt..