„Die Agrar- und Umweltpolitik des Bundes ist für die Entwicklung der Geflügelwirtschaft in Deutschland fatal“, warnt der Zentralverband der deutschen Geflügelwirtschaft e.V. (ZDG). Auf seiner heutigen Mitgliederversammlung in Potsdam kritisierte er, dass die Regierung voll auf vegane Ernährung, Bio-Produkte und hoch gesetzte Tierwohlstandards setze und gleichzeitig wissentlich Billig-Importe aus dem Ausland ermuntere.
„Diese beiden Entwicklungen passen nicht zusammen“, so die einhellige Meinung der ZDG-Mitgliederversammlung. Der Markt fordere von den deutschen Geflügelhaltern mehr Geflügelfleisch und Eier, gehobene Tierwohlstandards und regionale oder zumindest bundesdeutsche Produktion zu erschwinglichen Preisen.
Bundespolitiker werfen „Knüppel zwischen die Beine“
ZDG-Präsident Friedrich-Otto Ripke erklärt: „Die deutsche Geflügelwirtschaft ist ökonomisch auf dem richtigen Weg: 170.000 Arbeitsplätze, 8,6 Mrd. Euro Bruttowertschöpfung, konsequente Investitionen in immer mehr Tierwohl.“ Doch anstatt diese Entwicklung politisch konsequent zu unterstützen, werfe die Bundespolitik der Geflügelwirtschaft immer wieder Knüppel zwischen die Beine, etwas durch realitätsferne Vorstöße zur Reduzierung der Besatzdichte bei Puten. „Ein Regieren gegen den Markt kann aber nicht funktionieren“, so Ripke.
Mehr als ITW-Stufe 2 geht am Markt nicht
In Bezug auf das Tierwohl erinnern die Mitglieder des ZDG daran, dass 90 Prozent des Geflügelfleischs in der gehobenen Stufe ITW-2 produziert würden. Mehr gebe der Markt hierzulande derzeit nicht her, Produkte in Stufen ITW-3 und ITW-4 blieben hingegen in großen Mengen in den Supermarktregalen liegen. Der ZDG arbeite gerne an der Transformation der Tierhaltung mit, allerdings müsse man diesem Prozess Zeit geben, lautet der Tenor der Versammlung. Bereits die mittlerweile selbstaufgelöste Borchert-Kommission habe Zehn-Jahres-Schritte vorgesehen. Die Bundesregierung müsse zudem alle Betriebe bei der Modernisierung von Ställen unterstützen und Chancen im Bau- und Emissionsrecht bieten, statt diese nur wenigen Betrieben einer Tierart über das neue Tierhaltungskennzeichnungsgesetz anzubieten.
Besorgt äußerten sich die Mitglieder des ZDG zur aktuell hohen Bereitschaft der Bundesregierung, Billigimporte mit niedrigen Tierwohlstandards unmittelbar auf den deutschen Markt zu lassen (Ukraine) oder perspektivisch deutlich zu erleichtern (Brasilien bzw. Mercosur). Der Selbstversorgungsanteil für alle Lebensmittel aus Geflügel betrage bereits weniger als 100 %, so die Geflügelhalter. Noch mehr Importe niedrigerer Standards würden die Wirtschaftlichkeit der Branche gefährden und gleichzeitig auch die Wünsche der Verbraucher nach zumindest einer klaren Kennzeichnung solcher Ware missachten.
Impfung gegen Vogelgrippe nötig
Ebenfalls in Sorge sind die Mitglieder des ZDG wegen der weltweiten Ausbreitung der Vogelgrippe. Auch in Deutschland brauche es eine sorgfältig vorbereitete Impfung und die Zulassung der dafür notwenigen Impfstoffe. Wenn deutsche Geflügelhalter ihre Tiere impfen, geschehe dies auch aus Tierwohlgründen. Die Bundesregierung müsse dann aber alles dafür tun, dass Handelspartner die Impfung nicht durch Handelsbeschränkungen negativ begleiten bzw. wirtschaftlich unmöglich machen.
Mehr politische Vernunft und Realitätsbezug
Äußerst kritisch bewerten die deutschen Geflügelhalter auf der Mitgliederversammlung die Umsetzung der Regeln der Kreditvergabe im Rahmen der sogenannten „grünen Taxonomie“. Während diese europäischen Vorgaben noch nicht für die Landwirtschaft gelten, würden viele Kreditinstitute und Versicherungen das Regelwerk trotzdem bereits im Agrarbereich anwenden. Hier müsse sich die Bundesregierung dringend dafür einsetzen, dass Investitionen in die Modernisierung auch der konventionellen Tierhaltung nicht von vornherein abgestraft würden.
Abschließend fasst Friedrich-Otto Ripke zusammen: „Wir beim ZDG setzen uns für Vernunft und Realitätsbezug in der Politik ein. Die Bundesregierung droht derzeit, am Markt vorbeizuregieren. Das gefährdet Wirtschaft und Wohlstand. Die Geflügelwirtschaft will auch in Zukunft Innovations- und Wachstumstreiber bleiben und wir sind allen in Politik und Handel dankbar, die unsere Stimme hören und uns als Partner beteiligen.“
Reagieren
Geflügelnews lädt Sie ein, auf Artikel zu reagieren und schätzt Reaktionen mit Inhalt. Die Redaktion behält sich das Recht vor, beleidigende oder kommerziell motivierte Reaktionen ohne Angabe von Gründen zu entfernen.