Vogelgrippe: Noch ein weiter Weg bis zur Impfung

10 November 2023
Stallmanagement
Tim Harder

Der letzte Ausbruch der hochpathogenen Vogelgrippe in Deutschland war im Juni. Die Ruhe ist aber trügerisch. Denn das Virus ist heute endemisch bei Wildvögeln. Das erfordert eine andere Bekämpfung. Die Impfung gehört dazu, sagt Prof. Dr. Timm Harder vom FLI.  

Prof. Dr. Timm Harder ist Virologe am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems und befasst sich schwerpunktmäßig mit der Vogelgrippe (AI). Auf der diesjährigen DLG-Geflügeltagung in Celle machte er deutlich, dass die Bekämpfung der Vogelgrippe und der Schutz unserer Nutzgeflügelbestände heute eine andere Strategie erfordert als noch vor zwei Jahren. Was hat sich geändert? Das Vogelgrippegeschehen ist kein saisonales Geschehen mehr, das die Geflügelhalter hauptsächlich zu Zeiten der Wildvogelzüge in Atem hält.

Seit etwa zwei Jahren ist der Vogelgrippeerreger endemisch, also ganzjährig in Europa und auch in Deutschland bei Wildvögeln zu finden: „Es vergeht keine Woche ohne neue Fälle bei Wildvögeln“, so der Wissenschaftler.

Biosicherheit in der Geflügelhaltung wurde optimiert

Die Bekämpfungsstrategie hatten ihren Fokus bislang auf ein Hochfahren der Biosicherheit, um Viruseinträge von außen in Geflügelhaltungen zu verhindern. Im Falle eines Ausbruchs wurde gekeult, was für immense Kosten bei den Tierseuchenkassen sowie Bund, Länder und EU als Kofinanzierende sorgt. Prof. Harder bescheinigte der deutschen Geflügelbranche, dass die Biosicherheit deutlich optimiert wurde.  

Auch vor dem Hintergrund der endemischen AI-Situation müsse man aber konstatieren, dass die bisherige Bekämpfungsstrategie heute nicht mehr reiche. Auch die EU will inzwischen auf die Impfung als weitere Präventivmaßnahme setzen, so der Wissenschaftler. Im Blickpunkt stehen dabei Geflügelarten mit erhöhtem Risiko, die draußen bzw. in offenen Ställen gehalten werden, Elterntiere oder Gänse.  

Keine Infos zu Impfstoffen in der EU-Zulassung

Aktuell ist in der EU nur ein einziger Impfstoff gegen die Vogelgrippe zugelassen. Dieses ist allerdings schon einige Jahre alt, die Passgenauigkeit zu den heute zirkulierenden AI-Virusvarianten dürfte mit einem großen Fragezeichen versehen sein. Daneben gibt es verschiedene neuentwickelte Impfstoffe, die jedoch in der EU (noch) nicht zugelassen sind. Leider gebe es keine Informationen dazu, was in der Zulassungs-Pipeline ist, bedauerte der Virologe.

Auf jeden Fall gibt es hohe Anforderungen an einen AI-Impfstoff. Er muss immer aktuell gehalten werden, was vor dem Hintergrund der hohen Variabilität des Virus eine Herausforderung sein dürfte. Bei einem weniger geeigneten Impfstoff und/oder suboptimalem Impfregime würde sich der Erfolg in Grenzen halten. Passt beides, könnte sich eine präventive Impfung zusätzliche Sicherheit für die Nutzgeflügelhaltung bringen. Dies gilt insbesondere in Regionen, in denen es eine hohe Aktivität von hochpathogenen AI-Viren bei Wildvögeln gibt.

Mehrere Tests von Impfstoffen in der EU

In der EU testen derzeit mehrere Labore Vogelgrippe-Impfstoffe. In Frankreich läuft ein großangelegter Impfversuch bei Enten, in den Niederlanden wurden im Rahmen eines Versuchs Legehennen geimpft. Am FLI Insel Riems hat man einen Impfversuch mit Gänsen gestartet. Hier werden fünf verschiedene Impfstoffe getestet. Unter anderem soll die Frage beantwortet werden, inwieweit die Impfung eine Virusübertragung von mit Feldvirus infizierten Tieren auf andere Tiere reduziert.

Überwachung geimpfter Bestände nötig

Prof. Harder wies darauf hin, dass bei geimpften Beständen eine sehr engmaschige Überwachung erfolgen muss, um sicherzustellen, dass sich unter dem Schutz einer Impfdecke kein hochpathogenes Virus weiterverbreitet. Das ist aufwändig und kostet viel Geld, ggf. sollen hier alternative Möglichkeiten zum derzeitigen PCR-Test geprüft werden. Nach wie vor unklar ist, wie etwa Drittländer mit dem Thema Import von Fleisch geimpfter Tiere umgehen. Beim Impfprogramm in Frankreich haben die USA und Japan Importverbote erlassen.

Noch eine gute Nachricht hatte der FLI-Wissenschaftler in Celle mit im Gepäck: Das zoonotische Potenzial der Vogelgrippeviren ist „gleich niedrig“ geblieben, sprich, die Gefahr eines Überspringens auf den Menschen ist nicht größer geworden – auch wenn die vielen Medienberichte zum Thema eher etwas anderes vermuten lassen könnten.

Respekt vor der Zoonose-Gefahr

Zwar gebe es inzwischen eine Reihe von Säugetieren, die sich vermutlich durch das Fressen infizierter Vögel selbst angesteckt hätten. Aber eine Weiter-Übertragung von Säugetier zu Säugetier oder gar von Mensch zu Mensch gab es bislang nicht. Dennoch mahnte der Wissenschaftler, dass man „Respekt“ vor der möglichen Zoonose-Gefahr haben müsse.

Christa Diekmann-Lenartz
Bild: Land und Forst / Leonie Jost

Reagieren

Geflügelnews lädt Sie ein, auf Artikel zu reagieren und schätzt Reaktionen mit Inhalt. Die Redaktion behält sich das Recht vor, beleidigende oder kommerziell motivierte Reaktionen ohne Angabe von Gründen zu entfernen.