Geflügelpest: „Impfen gut – alles gut?“

08 Februar 2023
Impfung
Schild mit Geflügelpest

Geflügelhalter wünschen sich die Impfung gegen Geflügelpest, Fachverbände fordern sie und die Politik will sie inzwischen ermöglichen. Klar ist aber auch: Die Impfung ist kein Allheilmittel für die weltweite Gefahr Geflügelpest. 

Eigentlich kann die deutsche Geflügelwirtschaft positiv in die Zukunft schauen – Geflügelfleisch und Eier sind gefragt, der Selbstversorgungsgrad liegt nirgendwo bei 100 %. Aber etwas anderes könnte die Branche in die Knie zwingen: die Geflügelpest. Sie grassiert in einem bisher nicht gekannten Ausmaß nicht nur in Deutschland, sondern mittlerweile in 37 Ländern Europas und ebenso weltweit. Seit Anfang 2021 gab es in Europa über 3.000 Ausbrüche bei Nutzgeflügel, knapp 50 Mio. Tiere wurden gekeult. Bis zum vergangenen Jahr war die Geflügelpest ein saisonales Thema. 2022 gab es zum ersten Mal jedoch auch den Sommer über laufend Infektionen. Grund ist, dass das hochpathogene Influenzavirus H5 bei Wildvögeln inzwischen endemisch ist. 

Bisherige Bekämpfungsstrategie auf dem Prüfstand

Die hohe Zahl an Geflügelpest-Ausbrüchen verursacht enorme Kosten, die Tierseuchenkassen und Kofinanzierende (Länder, EU) an ihre Leistungsgrenzen bringen. Die EU etwa hatte im vergangenen Herbst bereits angekündigt, dass sie ihre Mitfinanzierung deutlich reduzieren muss. Die bisherige Strategie der Bekämpfung – Keulungen und Entschädigungen – steht auf den Prüfstand. Wären vorbeugende oder Notfall-Impfungen die Alternative? Darüber diskutierten Fachleute und Branche diese Woche in Kalkriese bei Osnabrück. 

Fest steht, dass die vielen Ausbrüche der Geflügelpest ökonomische Auswirkungen auch für jeden Geflügelbetrieb haben. Die Töpfe der Tierseuchenkassen werden zumindest zum Teil von den Tierhalterinnen und Tierhaltern selbst gefüllt. Und die haben nun deutlich höhere Beiträge zu entrichten. In Niedersachsen, Deutschlands Geflügelland Nr. 1, zahlen Putenmäster aktuell 1,77 € je Putenhahn für die Tierseuchenkasse (zum Vergleich 2020: 0,63 €). Das bezeichnete Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), als ökonomisch nicht mehr tragbar. Auch bei den Ertragsschadensversicherern sind Zuschläge für Geflügelpest-Risikoregionen ein Thema. 

„Impfen statt Keulen“ als Baustein für die Bekämpfung

So wundert es nicht, dass die Stimmen lauter werden, die eine Impfung gegen die Geflügelpest befürworten. Einig waren sich die Fachleute in Kalkriese, dass die AI-Impfung ein „großes Rad“ ist, das bewegt werden müsste und zum anderen, dass sie eben auch kein Allheilmittel gegen die Geflügelpest ist. 

Dr. Tim Harder vom Friedrich-Löffler-Institut (FLI) nannte bei der aktuellen Lage mit einem beständig hohen Geflügelpest-Infektionsdruck als Voraussetzungen für eine Impfung: 

  • massive Störungen in den Produktionsabläufen integrierter Systeme,
  • zu hohe Kosten oder nur bedingte Wirksamkeit von Biosicherheitsmaßnahmen,
  • zu hohe seuchenbedingte Tierverluste,
  • Überlastung der Tötungs- und Räumungskapazitäten. 

Zumindest zum Teil muss man diese Voraussetzungen heute bei uns als erfüllt ansehen. Deutlich sagte Dr. Harder, dass auch die Impfung gegen Geflügelpest hohe Kosten bedeutet. Um sicherzustellen, dass sich unter dem Schutz einer Impfdecke kein hochpathogenes Virus weiterverbreitet, müsste eine sehr engmaschige Überwachung geimpfter Bestände erfolgen. Würden dabei AI-Feldviren gefunden, müssten die Bestände weiterhin gekeult werden. 

Dass eine engmaschige Überwachung von Beständen grundsätzlich möglich ist, zeigte Dr. Barbara Storck, Moorgut Kartzfehn. Im Nachgang zum massiven Geflügelpestgeschehen vom Winter 2021/22 im Landkreis Cloppenburg wurde dort in Zusammenarbeit von Branche und Behörden ein Monitoring-System zur Früherkennung in Putenbetrieben etabliert. Laut Dr. Storck ermöglicht ein Tränkenmonitoring das frühzeitige Erkennen eines Infektionsgeschehens, es ist einfach zu handhaben und hat – auch bei Anwendung von Poolproben – eine hohe Treffsicherheit. „Wir müssen schneller sein als die Seuche,“ sagte sie. Das frühzeitige Erkennen einer AI-Infektion kann dann Sekundärausbrüche verhindern. 

Handel mit Geflügelprodukten von geimpften Tieren

Gefordert wird von der Branche, dass bei einer Impfung der Handel mit geimpften Tieren oder Produkten von geimpften Tieren dann möglich sein müsste. Laut Information von Dr. Dieter Rassow vom Bundeslandwirtschaftsministerium gibt es bislang aber nur zwei Drittländer, die das akzeptieren würden (Ukraine und Südkorea), in einigen Drittländern gibt es Einfuhrverbote für Geflügelprodukte von geimpften Tieren, der Rest der Länder hat sich diesbezüglich bislang nicht positioniert.

Bewegung in die Impfdiskussion ist zumindest von rechtlicher Seite schon gekommen. In Kürze erwartet wird aus Brüssel die Überarbeitung des Tiergesundheitsrechts, die dann eine Impfung gegen AI als zusätzliches Bekämpfungsmittel zulassen würde. Die neuen EU-Vorgaben müssen dann allerdings noch in deutsches Recht integriert werden. Wichtige Fragen, die dabei zu klären sind:

  • Welche Geflügelarten sollen geimpft werden?
  • Soll nur regional begrenzt oder flächendeckend geimpft werden?
  • Soll nur bei Auftreten von AI im Umfeld geimpft werden?
  • Oder soll grundsätzlich vorbeugend geimpft werden? 

Impfstoffe zulassen und laufend anpassen

Geflügelpest-Impfstoffe werden in verschiedenen Ländern der Welt außerhalb der EU eingesetzt. Für einen Einsatz in der EU bzw. Deutschland bräuchten sie eine Zulassung hier. Das Problem: Geflügelpest-Viren sind Variationskünstler, sie verändern sich laufend. Die heute vorhandenen Impfstoffe sind also nicht unbedingt geeignet für die aktuell grassierenden Stämme. Auch künftig müssten AI-Impfstoffe laufend angepasst werden, ähnlich wie man es von Grippe-Impfstoffen im Humanbereich kennt. Das kostet natürlich viel Geld. Inwieweit die Impfstoffhersteller also ein „Engagement“ für einen AI-Impfstoff als lohnenswert ansehen, bleibt noch abzuwarten. 

Eingeladen zum Fachgespräch Geflügel über das Thema AI-Impfung hatten die Hochschule Osnabrück mit ihrem Schwerpunkt Angewandte Geflügelwissenschaften (StanGe), die Tierärztliche Hochschule Hannover sowie der Ulmer-Verlag. 

Christa Diekmann-Lenartz
Bild: Christa Diekmann-Lenartz

Reagieren

Geflügelnews lädt Sie ein, auf Artikel zu reagieren und schätzt Reaktionen mit Inhalt. Die Redaktion behält sich das Recht vor, beleidigende oder kommerziell motivierte Reaktionen ohne Angabe von Gründen zu entfernen.