In Deutschland ist es erstaunlich ruhig geworden, was Vogelgrippe-Infektionen bei Nutzgeflügel angeht – obwohl das Virus bei hiesigen Wildvögeln inzwischen endemisch ist. Das heißt aber keineswegs, dass Geflügelhalter sich nun „entspannt zurücklehnen“ können.
Man kann sie jetzt wieder überall beobachten: Unzählige Zugvögel, die von Nordeuropa oder Nordasien aus in ihre Winterquartiere im Süden unterwegs sind. Das grandiose Schauspiel, etwa wenn die Kraniche oder Gänse sich in strengen Formationen am Himmel bewegen, sorgte in den vergangenen Jahren bei Geflügelhalterinnen und Geflügelhaltern aber eher für Sorgenfalten: Mit dem Vogelzug wuchs die Gefahr einer Vogelgrippe-Infektion im eigenen Bestand. Die Zugvögel hatten nämlich das Vogelgrippe-Virus im Gepäck. Außerhalb der Zug-Zeiten im Herbst/Winter und Frühjahr war diesbezüglich eher Entspannung angesagt.
Wildvogel-Monitoring spiegelt Situation wider
Seit ein, zwei Jahren hat sich diese Situation bekanntlich grundlegend geändert: Die Vogelgrippe ist inzwischen endemisch in der hiesigen Wildvogelpopulation. „Wir finden heute das ganze Jahr über durchgängig Vogelgrippe-Viren bei Wildvögeln, die wir im Rahmen unseres Wildvögel-Monitorings untersuchen“, berichtet Marek Milewski vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, LAVES. Er ist dort im Bereich Tierseuchenbekämpfung tätig. In diesem Jahr gab es bereits mehr als 130 Nachweise in Niedersachsen – nicht wenig bei rund 760 untersuchten Wildvögeln.
Das Vogelgrippevirus ist also permanent da und trotzdem gibt es fast keine Einträge in Nutztierbestände. Heißt das, dass die Geflügelhalter sich nun ganz entspannt zurücklehnen können, wenn ab September die Zugvögelschwärme unterwegs sind? Ganz so einfach sei es leider nicht, sagt Marek Milewski.
Biosicherheit in Betrieben wurde optimiert
„Es ist richtig, dass das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) die Vogelgrippe-Gefahr durch Wildvögel auf ‚moderat‘ zurückgestuft hat. Dass es aktuell kaum Einträge in Nutztierbestände gibt, liegt sicher mit an der Optimierung der Biosicherheit in den Betrieben. Da hat sich sehr viel getan. Wir beobachten aber auch, dass die momentan zirkulierenden Virus-Typen sich an Möwen angepasst haben. Wie sich das auf das Nutzgeflügel auswirkt, muss erst noch untersucht werden“, so der Tierseuchenexperte.
Dass das Virus endemisch ist in der Wildvogelpopulation, heiße nicht, dass alle infizierten Wildvögel sterben. Aktuell besonders betroffen seien zum Beispiel Möwenvögel, dort gebe es sehr große Verluste, ganze Brutkolonien fielen der Vogelgrippe zum Opfer. Bei anderen Vogelarten gebe es kaum Vogelgrippe-Verendete.
Die immense Gefahr der Vogelzüge besteht darin, dass sie neue Varianten des Virus mitbringen. Der große „Schmelztiegel“ der Zugvögel ist Sibirien: „Dort kreuzen sich sehr viele Flugrouten von Zugvögeln aus dem ostasiatischen Raum und Europa/Nordasien. Hierüber ist das ursprünglich aus Südostasien stammende Virus auch nach Europa gelangt,“ erklärt Marek Milewski.
Zugvögel können neue Varianten des Virus mitbringen
Das Aufeinandertreffen der Zugvögel in Sibirien sorge dafür, dass sich auch die unterschiedlichen Vogelgrippe-Virustypen vermischten und sich neue Varianten bildeten: „Wir warten sehr gespannt, ob mit dem Vogelzug neue Virus-Mutationen hier ankommen,“ sagt er. Über das seit dem vergangenen Jahr noch einmal intensivierte Wildvogel-Monitoring habe man einen guten Überblick. So werde etwa der Spülsaum am niedersächsischen Wattenmeer, wo sehr viele Zugvögel rasten, laufend auf verendete Tiere kontrolliert.
Neue Mutationen könnten zu einer neuen Dynamik des Vogelgrippe-Geschehens auch für Nutztierbestände führen: „Eine neue Virusvariante könnte zum Beispiel sehr viel ansteckender oder krankmachender sein als die heute zirkulierenden“, warnt er.
Frühzeitig erkennen - Monitoring der Wildvögel ist wichtig
Wichtig sei, solche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Dafür gebe das Wildvogel-Monitoring Sicherheit. Aber auch das freiwillige Monitoring der Geflügelwirtschaft in Nutzgeflügelbeständen helfe sehr im Sinne einer Früherkennung. In bestimmten Betrieben werden Tränkewasser und verendete Tiere untersucht. Ziel sei auch hier, Vogelgrippe-Infektionen so früh wie möglich zu erkennen und eine Verbreitung gegebenenfalls schnell einzudämmen.
„Und natürlich muss eine optimierte Biosicherheit weiter oberstes Gebot in allen Betrieben bleiben“, mahnt der LAVES-Mitarbeiter noch einmal. Dann könne man auch dem -eigentlich faszinierenden - Vogelzug entspannt zuschauen.
Reagieren
Geflügelnews lädt Sie ein, auf Artikel zu reagieren und schätzt Reaktionen mit Inhalt. Die Redaktion behält sich das Recht vor, beleidigende oder kommerziell motivierte Reaktionen ohne Angabe von Gründen zu entfernen.