Niederlande: Hitzige Diskussionen ums Fangen von Geflügel

27 Juli 2024
Stallmanagement
Fangen von Geflügel

In den Niederlanden steht eine wichtige Entscheidung vor der Tür. Bis zum 15. August muss die neue Landwirtschaftsministerin Femke Wiersma entscheiden, wie mit dem Fangen von Geflügel in Zukunft verfahren werden darf. Die Wirtschaft appelliert derzeit an die Ministerin, die Interessen und Bedürfnisse des Sektors Geflügelhaltung zu berücksichtigen. Es gehe nicht nur um das Wohl der Tiere, sondern auch um das Wohlbefinden der Menschen.

Der unabhängige Berater Jan Brok erwartet von Landwirtschaftsministerin Wiersma, dass sie die Interessen der Geflügelwirtschaft berücksichtigt, wenn sie über das Einfangen von Geflügel entscheidet. Brok hat in den letzten Jahren Dutzende von Geflügelzüchtern in Rechtsstreitigkeiten wegen Fangverletzungen unterstützt und verfügt daher über viel Wissen über das Fangen und Verladen von Geflügel. "Derzeit liegen mehr als 50 Strafverfahren wegen Körperverletzung beim Gericht vor und warten auf einen Verhandlungstermin", sagt er.

Körperliche Belastung

"Als niederländischer Verband der Geflügelservicebetriebe (NVPSB) haben wir am 22. Juli eine Studie darüber gestartet, wie oft sich ein Mensch bücken darf", sagt Brok. "Wakker Dier (Anm. der Redaktion: eine bekannte NGO in den Niederlanden) setzt sich nachdrücklich dafür ein, dass Geflügel nicht mehr an den Beinen gefangen werden darf. Das bedeutet, dass sie auf eine andere Weise gefangen werden müssen. Wir möchten gerne wissen, was das für die körperliche Belastung der Geflügelfänger bedeutet."

Brok präsentiert bereits erste Ergebnisse: "Bei der derzeitigen Methode des Fangens an den Füßen müssen sich die Fänger stark bücken, was bedeutet, dass die körperliche Belastung weit über dem Optimum eines Menschen liegt. Das macht es ungesund, Geflügel von 20 Jahren bis hin zu 65 Jahren zu fangen. Wenn man aufrecht fängt, ist die körperliche Belastung um das Drei- bis Siebenfache erhöht. Die Fänger gehen dann weit über die zulässige körperliche Belastungsgrenze hinaus." Dazu käme, das Verladeunternehmen wesentliche mehr Fänger einsetzen müssten. Doch die Unternehmen seien bereits heute unterbesetzt.

Jan Brok gibt weiter zu bedenken: „Physikalisch ist es außerdem unmöglich, Legehennen in einem Volierensystem anders zu fangen als an den Beinen. Ein Fänger kann sein Gleichgewicht nicht halten, wenn er eine Henne mit zwei Händen greifen muss, denn er kann sich dann nicht am Volierensystem festhalten.“

An drei bis vier Abenden fangen?

Jan Brok weist auf eine weitere Herausforderung hin, vor der Geflügelhalter stehen, wenn sie große Volierenhaltungen leerräumen müssen: die Zeit. Ein Fangtrupp schaffe, in einer Nacht bis zu 15.000 Hennen aufrecht zu fangen. Mehr sei nicht drin. Für große Haltungen bedeute dies, dass dann nicht an einem, sondern an drei oder vier Abenden gefangen und die Tiere somit auch ausgenüchtert würden. Sowohl das Ausnüchtern als auch das Verladen stresse jedoch die Tiere und verschlechtere ihre Wohlbefinden. Und wenn ein Stall im Winter nur zu einem Drittel gefüllt sei, könne das Stallklima unmöglich aufrechterhalten werden. „Dann wird es für die Hühner viel zu kalt, was sich negativ auf das Wohlbefinden der Tiere auswirkt. Schlecht für das Wohlbefinden der Tiere ist es auch, wenn das Verladen zu lange dauert und die Hennen stundenlang auf einem zu kalten oder (im Sommer) zu heißen Wagen sitzen.“

Praktisch unmöglich

"Für den niederländischen Geflügelsektor ist es praktisch unmöglich, das Fangen von Geflügel an den Füßen zu beenden", argumentiert Brok. Er weist darauf hin, dass die neue EU-Verordnung über Geflügeltransporte besagt, dass Geflügel an den Beinen gefangen werden darf. "Diese Verkehrsverordnung wird höchstwahrscheinlich noch in diesem Jahr von der Europäischen Kommission verabschiedet werden. Und das neue niederländische Kabinett schreibt in seiner Vision deutlich, dass es keine zusätzlichen Regelungen zu den europäischen will. Ich gehe davon aus, dass sich das Kabinett daran halten wird“, sagt Brok.

Hintergrund

In seinem Urteil vom 4. Juni 2024 wies das niederländische Berufungsgericht für Handel und Industrie (CBb) darauf hin, dass Geflügel nicht an den Beinen hochgehoben werden darf, um es in eine Kiste oder einen Container zu legen. Die CBb hat die Zwangsgeldbescheide, die Anfang Juni gegen einige niederländische Geflügelzüchter und Fangbetriebe verhängt worden waren, für nichtig erklärt. In den Zwangsgeldbescheiden war nicht klar genug beschrieben worden, wie die Unternehmen Verstöße in Zukunft verhindern sollten. So war laut Anklage beispielsweise auch nur das Greifen der Hühner an den Beinen verboten, während die europäischen Vorschriften nur das Heben an den Beinen verbieten.

Geflügelnews, Tom Schotman
Bild: Ingrid Sweers

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