Aufrecht statt „kopfüber“ fangen

26 Januar 2024
Stallmanagement
Fangen von Geflügel

Der Deutsche Tierschutzbund (DTB) drängt auf Methoden, mit denen Hühner beim Ausstallen aufrecht gefangen und getragen werden statt wie bisher kopfüber, was nach Ansicht des Verbandes rechtswidrig ist. Der Verband beruft sich dabei auf ein wegweisendes Urteil aus den Niederlanden und geltendes EU-Recht. Auf seiner Fachveranstaltung „Handle with care - Lösungsansätze zu tierschutzgerechteren Fangmethoden von Masthühnern und Legehennen“ im Rahmen der Grünen Woche diskutierte der Verband mit Vertretern der Tierärzteschaft, Ministerien und Instituten sowie Verbänden. Auch Vertreter der Wirtschaft nahmen teil.

„Das Kopfüberfangen ist tierschutzwidrig, verursacht Angst und Stress und birgt ein hohes Verletzungsrisiko für Hühner“, sagt Inke Drossé, Leiterin des Referats für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund. Das „Überkopffangen“ von Geflügel beim Ausstallen ist rechtlich nicht zulässig und muss von den örtlichen Veterinärbehörden unterbunden werden, stellt der Deutsche Tierschutzbund klar.

Dass das Fangen von Hühnern Tierschutzprobleme verursache, sei bislang weniger bekannt. Deshalb müsse dieser Fakt mehr ins Bewusstsein gerückt werden. Um sie zum Schlachthof transportieren zu können, würden Hühner - meist von externen Fänger-Kolonnen - überwiegend per Hand gefangen, an den Beinen gegriffen und kopfüber zu den Transportkisten getragen. Dabei halte ein Fänger zwei bis vier Hühner pro Hand.

„Jedes Fangen ist eine Belastung für die Tiere“

Diese Praxis sei in den meisten europäischen Ländern üblich. Eine Ausnahme stellten die skandinavischen Länder dar, bei denen die Hühner zum großen Teil mittels so genannter Fangmaschinen eingesammelt und verladen würden.

„Jedes Fangen ist eine Belastung für die Tiere“, so Drossé, diese gelte ganz besonders für die Umkehrhaltung. Diese Körperposition sei für die Tiere völlig unnatürlich, weshalb sich die Tiere zum Beispiel durch Flügelschlagen daraus zu befreien versuchten, was ein potenzielles Verletzungsrisiko berge. Außerdem besäßen Hühner kein Zwerchfell; die inneren Organe drückten bei der Haltung kopfüber auf die Lunge und verursachten Atemnot; je länger der Weg zum Transporter, desto problematischer die Situation für die Tiere.

Was das tierschutzgerechte Fangen häufig zusätzlich negativ beeinflusse, sei der Zeitdruck, unter dem die Fangkollonen stünden und die schwierigen Arbeitsbedingungen der Fänger. „Das Fangen von Geflügel ist eine sehr anstrengende Arbeit, die nachts durchgeführt werde in staub- und ammoniakbelasteter Luft.“ Durch die große Anstrengung ermüdeten die Fänger schnell, was einem tierschutzgerechten Umgang mit den Tieren häufig entgegenstehe. "Damit geltendes Recht umgesetzt und das unnötige Leid der Tiere beendet werden kann, müssen alle Akteure – Fänger, Landwirte und Behörden – zusammenwirken“, so Drossé.

Kipster als positives Beispiel

Die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari stellte klar, dass mit dem aufrechten Fangen eine tierschonendere Methode zur Verfügung stehe und diese umgesetzt werden müsse. Als positives Beispiel wurde das Stallmanagement und die Fangmethode des niederländischen Unternehmens Kipster vorgestellt. In den Legehennen-Volierenställen von Kipster werden unter anderem fünf Tage vor der Ausstallung die obere Volierenetage und zwei Tage vorher der Bereich unter dem Haltungssystem geschlossen, so dass sich die Hennen am Ausstallungstag nur im mittleren Bereich der Voliere aufhalten und relativ leicht in aufrechter Position „eingesammelt“ werden können. Um die fehlenden Fressplätze auszugleichen, lässt das Unternehmen die Futterketten schneller laufen, ein Vorgehen, das in Deutschland nicht gestattet ist. Hier muss der Zugang zur vorgeschriebenen Anzahl an Fress- und Tränkplätzen bis zur Ausstallung sichergestellt sein.

Für den DTB ist die Rechtslage eindeutig

Dr. Jens Hübel vom brandenburgischen Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit betonte die Wichtigkeit eines bundesweiten Schulungsangebotes zur aufrechten Fangmethode für Fänger und Landwirte. Dr. Christine Bothmann aus dem Präsidium des Bundesverbands der beamteten Tierärzte unterstrich, dass es einen klaren gesetzlichen Rahmen brauche, damit Amtstierärzte tätig werden könnten.

Dass ein Verbot des Kopfüberfangens bereits im Europäischen Recht verankert sei, stellte Dr. Christoph Maisack, Vorsitzender der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht, klar. So verbieten die verbindlichen Europaratsempfehlungen und die EU-Tierschutztransportverordnung – genauso wie die darauf basierende deutsche Tierschutztransport-Verordnung – nach seiner Auffassung das Kopfüberfangen von Geflügel.

Situation in den Niederlanden

In den Niederlanden hat ein Urteil des Bezirksgerichts Rotterdam erstmals das Kopfüber-Fangen von Geflügel als rechtswidrig bestätigt. Dies geht auf einen Antrag der Stiftung Wakker Dier zurück. Die niederländische Lebensmittel- und Warenbehörde (NVWA) muss dies durchsetzen und tut dies nun, indem sie eine Zwangslast auferlegt, bei der die Unternehmen bis zum 15. August 2024 ihre Betriebsabläufe angepasst haben müssen. Der Geflügelsektor hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. In diesem Berufungsverfahren beim College van Beroep voor het Businessleven (CBb) in Den Haag wurden die NVWA, Wakker Dier und der Geflügelsektor erst kürzlich über das Fangen von Geflügel an den Beinen kritisch befragt, so der aktuelle Stand.

Text:
Cordula Moebius

Cordula Moebius

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Bild: Ingrid Sweers

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