Prof. Dirk Hinrichs vom Fachgebiet Tierzucht der Universität Kassel berichtete auf dem Ankumer Bio Legehennen Forum von den Projekten „RegioHuhn“, das die Nutzung alter einheimischer Hühnerrassen für den Öko-Landbau untersucht, und vom „ÖkoGen“, das die Funktionalität und Akzeptanz der Konsumenten dieser Gebrauchskreuzungen zum Fokus hat.
Genetische Varianz ist das Kapital der Tierzüchtung
„Tierzucht braucht Zeit“, sagt Prof. Hinrichs. „Selektionsentscheidungen führen erst nach längerer Zeit zu Ergebnissen.“ Obwohl viele Merkmale nur im Phänotyp ausgeprägt sein und stark von der Umwelt beeinflusst würden, sei die genetische Varianz zur genetischen Anpassung von Populationen an geänderte Bedingungen und Anforderungen wie den Klimawandel, Haltungsbedingungen und Ansprüche der Konsumenten notwendig.
Erhalten durch Aufessen
Zur Erhaltung genetischer Diversität beim Haushuhn gibt es nach Prof. Hinrichs zwei Ansätze: 1. Das Sichern der Genreserve in einer Genbank mittels Kryokonservierung. Aktuell befänden sich dort 17 Rassen, vier exemplarische Linien und 389 Vatertiere. Schöner sei das Vorhalten einer lebenden Genreserve, die vorwiegend in der Hobbyhaltung stattfinde, aber eigentlich auch in der Landwirtschaft möglich wäre, wenn das Haupthemmnis (das geringe Leistungsniveau) beseitigt würde. Auch die Öko-Verordnung nennt als Ziel die Förderung der Haltung seltener sowie einheimischer Rassen, die vom Aussterben bedroht sind, und verschiedene nationale sowie internationale Organisationen suchen nach Möglichkeiten für den Erhalt.
Gebrauchskreuzungen für die landwirtschaftliche Nutzung
Das Projekt „RegioHuhn“, das innovative Wege der regionalen nachhaltigen Nutzung tiergenetischer Ressourcen beim Haushuhn beleuchten soll, könnte eine solche Möglichkeit sein. „RegioHuhn“ untersucht Gebrauchskreuzungen moderner Rassen mit lokalen Hühnerrassen (mehr dazu im Artikel https://www.gefluegelnews.de/article/regiohuhn-was-die-kreuzung-von-wirtschaftsgeflugellinien-mit-rassegeflugel-bringt). Hinrichs betonte, dass die Gebrauchskreuzungen nicht nur für die ökologische Tierhaltung gedacht, sondern auch für die regionale Vermarktung allgemein sinnvoll seien. Da für die Gebrauchskreuzungen immer reinrassige Vatertiere zum Einsatz kämen, müssten Nukleusherden der lokalen Rassen des Haushuhns gepflegt werden.
„RegioHuhn“ - erste Ergebnisse
Bei „RegioHuhn“ wurden sechs deutschlandweit genutzte lokale Hühnerrassen mit Hochleistungs-Hühnern zu zwölf Einfachkreuzungen angepaart. Durchschnittlich boten die sechs legebetonten Einfachkreuzungen eine um 10,3 % höhere Legeleistung und die sechs mastbetonten Kreuzungen eine um etwa 45,6 % bessere Leistung als die reinrassigen Tiere (Lokalrassen), auch die Futterverwertung der Kreuzungen war besser. Die Überprüfung der Tierwohlindikatoren zeigte, dass die Bielefelder-Kreuzungen die beste Gefiedervollständigkeit aufwiesen und die Augsburger-Kreuzungen die stärksten Schäden. In diesem Zusammenhang hob Prof. Hinrichs hervor, dass Tierwohl kein Problem der Hochleistungsrassen ist. In einer Bachelor-Arbeit zur Hobbyzucht wurden beispielsweise bei vielen alten Rassen vergleichbare Schäden am Brustbein gefunden.
Funktionale Merkmale für eine nachhaltige und ökologische Nutzung des Haushuhns
Das Projekt „ÖkoGen“ sollte ursprünglich zusammen mit dem Projekt „RegioHuhn“ im Jahr 2020 starten, es wurde im ersten Anlauf allerdings nicht genehmigt. Später wurde die Genehmigung erteilt und so konnte es 2023 mit „ÖkoGen“ losgehen; gleichzeitig wurde das Projekt „RegioHuhn“ bis 2028 verlängert. Hinrichs sieht die Verzögerung positiv, da „ÖkoGen“ auf die Erforschung und Eignung der im Projekt „RegioHuhn“ entwickelten Rassen für den ökologischen Landbau abzielt und dementsprechend ohne erste Erkenntnisse nicht viel hätte untersucht werden können.
Mehr Diversität im Angebot
Hinrichs resümiert, dass die Gebrauchskreuzungen ein praktikabler Weg zum Erhalt lokaler Hühnerrassen seien und darüber hinaus ein vielversprechender Ansatz zur Verbesserung des Leistungsvermögens regionaler Hühnerrassen. Mit den Gebrauchskreuzungen sei eine wirtschaftliche Nutzung und damit mehr Diversität im Angebot möglich. Dadurch, dass mast- und legebetonte Kreuzungen untersucht werden, lässt man der Landwirtschaft die Wahl.
Wie geht es weiter?
Das Projekt „RegioHuhn“ wird mit den drei Rassen (Ramelsloher, Bielefelder, Altsteirer) fortgesetzt, die die vielversprechendsten Ergebnisse lieferten. Im weiteren Verlauf soll die Zucht in den Nukleusherden vorangetrieben werden – lokale Rassen haben eine große Varianz, allerdings sind für gute Ergebnisse große Uniformität und ein stabiles Leistungsniveau nötig.
Bisher wurden die Nukleusherden nur an der Uni Bonn gehalten, in Zukunft sollen es auch an der Uni Kassel Nukleustiere geben. Durch die größere Anzahl an Tieren kann die Praxisnutzung erweitert und verstetigt werden. Im Projekt ÖkoGen werden funktionale Merkmale wie die Ei- und Fleischqualität, das Tierverhalten, die Endoparasiten-Abwehr, die Immunkompetenz und die Knochengesundheit untersucht. Um mehr über die Ernährungsanforderungen der Gebrauchskreuzungen zu erfahren, läuft gerade ein Fütterungsversuch mit 4.000 Tieren (2.000 weiblich, 2.000 männlich). Außerdem bekommen verschiedene Konsumierende wie Mensen, Sterneküchen und Privathaushalte Gebrauchkreuzungs-Broiler, um die Qualität und die Akzeptanz des Fleisches zu untersuchen.
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