Putenhalter Philipp Mack: Wir reden nicht nur über Tierschutz, wir praktizieren ihn!“

18 September 2023
Pute
Drei Männer im Putenstall

Bild oben: Meinungsaustausch im Stall (v.l.): der baden-württembergische Grünen-Politiker und Vorsitzende des Agrarausschusses im Landtag, Martin Hahn, Putenmäster Philipp Mack und Christoph Lang, Head of Corporate Strategy von Heidemark GMBH.

Das Eckpunktepapier des BMEL zur Putenhaltung hat den Landwirt Philipp Mack aus Crailsheim/Tiefenbach aufgeschreckt. „Wenn die Politik das macht, ohne dass sie weiß, wie es in den Ställen aussieht, dann raubt sie meiner Familie auch die Existenzgrundlage. Dann werden auf unserem Hof keine Tiere mehr leben können, dann können wir keine Puten mehr aufziehen. So macht man die Landwirtschaft in Deutschland kaputt. Dann waren die letzten zehn Jahre, in denen unsere Familie sich mit Leidenschaft etwas aufgebaut hat, umsonst. Eine Zukunft für unsere Kinder sehe ich dann nicht mehr in der Putenmast bzw. in der Tierhaltung, wenn das so umgesetzt wird“, schrieb er an regionale Abgeordnete und Bundespolitiker.

Im Jahr 2012 gründete Philipp mit seiner Ehefrau den landwirtschaftlichen Betrieb mit 30 Hektar Ackerland und ca. 12.500 Putenmastplätzen neu. Der Hof wurde in den letzten Jahren immer weiter modernisiert und ausgebaut. „Wir lieben unseren Beruf und wir achten darauf, dass alles, was unseren Hof verlässt, gut erzeugt worden ist. Wir reden nicht nur über Tierschutz, wir praktizieren ihn“ sagt er und verweist darauf, dass man durch die Selbstverpflichtung in der Putenhaltung, die weltweit ihres gleichen sucht, bereits vor zehn Jahren Standards gesetzt habe. „Wir verbessern unsere Haltung immer weiter, nach neuesten Erkenntnissen. Unseren
Tieren geht es gut. Sie bekommen das Futter, das wir selbst auf unseren Äckern anbauen. Ausgestaltung und Belüftung der Ställe werden immer weiter verbessert und wir produzieren mit das beste Putenfleisch, das es in Europa gibt“, sagt Mack.

Tierleid wird importiert

Für ihn ist klar: „Eine Reduzierung der Besatzdichte ist nicht machbar, nicht notwendig und auch nicht zielführend.“ Tierhaltung würde ins Ausland abwandern und zu niedrigeren Standards produziertes Fleisch importiert werden. „Das heißt ganz klar, wenn die Besatzdichten reduziert werden, wird Tierleid importiert und die deutsche Politik wird keinen Einfluss mehr auf die Zustände und Haltungsbedingungen in den Betrieben haben. In dem Brief fordert er dazu auf „diese Kahlschlagpolitik des Minister Özdemir zu verhindern, denn wenn er dieses Programm durchbekommt, wird ein Teil der deutschen Landwirtschaft zerstört und die Existenzgrundlage vielen Familien genommen. Das wird auch den ländlichen Raum nachhaltig schädigen.“

Eckpunktepapier für die Putenhaltung von Minister Özdemir

Das Eckpunktepapier nennt eine Obergrenze der Besatzdichte von 40 kg pro Quadratmeter (zwei Tiere) für den Hahn und 35 kg pro Quadratmeter (drei Tiere) für die Henne. Derzeit gilt gemäß einer Selbstverpflichtung der deutschen Putenwirtschaft eine Obergrenze von 58 kg pro Quadratmeter (2,7 Tiere) für den Hahn und 52 kg pro Quadratmeter (4,7) Tiere für die Henne. In der Praxis arbeiten mehr als 70 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland nach den Standards der Initiative Tierwohl mit 53 kg pro Quadratmeter (2,4 Tiere) für den Hahn und 48 kg pro Quadratmeter (4,4 Tiere) bei der Henne.

Direkt vor Ort informierte sich nun der baden-württembergische Grünen-Politiker und Vorsitzende des Agrarausschusses im Landtag, Martin Hahn, der betonte, dass es sich um ein Diskussionspapier handle, „mit Punkten, über die man ganz genau reden muss.“ Auch ihm sei wichtig, dass Tierwohl gewährleistet sein muss, „aber wir erreichen das nicht, indem einheimische Produzenten den Betrieb aufgeben und die Putenhaltung ins Ausland abwandert, wo die Tiere mit meist geringeren Mindeststandards gemästet werden.“ Auf keinen Fall dürfe es zu Marktverschiebungen kommen. Er habe mit Minister Özdemir geredet „dass wir die Nutztierhaltungskennzeichnung im Putenbereich bald umsetzen, damit wir Klarheit bekommen und möglichst viel für die Putenhaltung tun können.“

Blick in den Mastputenstall, der den freiwilligen Eckwerten für die Putenhaltung entspricht.

Tierwohl von Puten deutlich verbessert

Christoph Lang, Head of Corporate Strategy von Heidemark GMBH, dem führenden Anbieter von Putenfleisch in Deutschland (50 Prozent Marktanteil), der die Puten sowohl in eigenen Ställen bis zur Schlachtreife aufzieht und Tiere von Vertragsmästern bezieht, zu denen auch der Betrieb von Philipp Mack zählt, verwies darauf, dass man in den letzten Jahren Dinge umgesetzt habe, die Tierwohl und tiergerechte Haltung deutlich verbessert haben. Weil dies aber in der Öffentlichkeit wenig bekannt sei, müsse man die Stalltüren öffnen und darüber informieren.

Oft werde suggeriert, dass der Platz, der einem Tier zur Verfügung steht, entscheidend dafür ist, wie gut es einem Tier geht. Aus der Praxis und aus wissenschaftlich gestützten Versuchen aber wisse man, dass ab einem gewissen Punkt eine Besatzdichtenreduktion in einem deutlich abnehmenden Maße zur Steigerung des Tierwohl beiträgt. Andere Faktoren wie Beschäftigungsmaterial, Strukturierung des Stalls und der Haltungsbedingungen durch den Tierhalter sind viel entscheidender für das Tierwohl als eine rein mathematische Besatzdichtenreduktion. Wirtschaftlich gesehen sei die Besatzdichte der wichtigste Aufwandtreiber und entscheide im europäischen Binnenmarkt maßgeblich darüber, ob die deutsche Erzeugung wettbewerbsfähig ist oder nicht.

Der Selbstversorgungsgrad bei Putenfleisch beträgt derzeit rund 80 Prozent und die deutsche Geflügelwirtschaft sei in den letzten Jahren gar nicht in der Lage gewesen die Produktion so stark zu steigern wie die Nachfrage. Die Geflügelfleischimporte aus Polen hätten sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht, aber dort habe man ganz andere Erzeugungsstandards. Deswegen setze man sich dafür ein, „dass wir die hohen Standards, die wir in Deutschland haben, erst einmal absichern und nicht durch eine neue gesetzliche Regelung komplett entwerten.“

„Initiative Tierwohl nicht unterlaufen“

„Wir werben dafür, dass man die Initiative Tierwohl nicht unterläuft, sondern die freiwilligen Eckwerte für die Putenhaltung, die in einem breiten Konsens mit Landesministerien, Bundesministerium, NGO’s, Wissenschaft und Wirtschaft vor zehn Jahren erarbeitet wurden, in eine Haltungsverordnung übernimmt und analog wie beim Schwein ein gesetzliche Herkunftsbezeichnung auch bei Puten macht.“ Dementsprechend habe Heidemark dem BMEL einen fünfstufigen Vorschlag zur Putenhaltung unterbreitet. „Nur mit europaweit einheitlichen Haltungsbedingungen werden wir einen fairen Wettbewerb und Tierwohl in der Breite haben“ sagte Lang. abschließend.

Positionspapier des Verbandes Deutscher Putenerzeuger (VDP)

Der Verband Deutscher Putenerzeuger e. V. (VDP) plädiert anstelle eines nationalen Alleingangs weiterhin nachdrücklich für einen harmonisierten Rechtsrahmen auf europäischer Ebene.

Ende Dezember 2022 hatte das Bundesagrarministerium (BMEL) Eckpunkte mit Mindestanforderungen an das Halten von Mastputen herausgegeben. Diese sollen laut BMEL als Diskussionsgrundlage für eine „Putenhaltungsverordnung“ dienen. Vorgeschlagen werden allerdings unverhältnismäßig niedrige Besatzdichten von 40 kg/m² bei Hähnen und 35 kg/m² bei Hennen, kritisiert der VDP in einem Positionspapier.

Gründe der Kritik gibt es viele:

  • Basis für die BMEL-Eckpunkte sind veraltete Literaturstudien: Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und Praxiserfahrungen bleiben unberücksichtigt. Der zwischenzeitliche Beitrag der modernen Putenzucht bei der Verbesserung des Tierwohls in der Putenhaltung werde schlichtweg ignoriert.
  • Die bewährten "Bundeseinheitlichen Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen" haben für Putenhalter wie Behörden rechtsähnlichen Charakter. Nur bei Teilnahme am „Gesundheitskontrollprogramm“ sind Besatzdichten von max. 58 kg/m² (Hähne) bzw. 52 kg/m² Hennen möglich. Es bestehe keine Notwendigkeit für eine nationale „Putenhaltungsverordnung“. Dänemark hat die Vorgaben der Bundeseinheitlichen Eckwerte sogar in eine nationale Verordnung überführt. Die Bundeseinheitlichen Eckwerte sind Grundlage für die Initiative Tierwohl (ITW), einer Vereinbarung von Geflügelwirtschaft und LEH. Hier gelten u. a. verringerte Besatzdichten von 53 kg/m² (Hähne) bzw. 48 kg/m² (Hennen). Teilnehmende Betriebe erhalten ein Tierwohlentgeld von 4 Cent/kg (Hahn) bzw. 3,25 Cent/kg (Henne). Eine Umsetzung der BMEL-Eckpunkte würde das Aus der ITW bedeuten.
  • Die BMEL-Eckpunkte stehen nicht im Einklang mit der Haltungsformkennzeichnung. Bei derartig niedrigen Besatzdichten in der Eingangsstufe „Stall“ wären klare Abgrenzungen zwischen den fünf einzelnen Stufen bis hin zu „Bio“ mit 21 kg/m² von vorneherein nicht möglich.
  • Infolge verringerter Besatzdichten und der damit verbundenen Kostennachteile würde die Putenfleischerzeugung in Länder mit niedrigen Standards abwandern. In Österreich etwa gilt seit Längerem die im Eckpunktepapier genannte Besatzdichte von 40 kg/m² (Hähne und Hennen): Noch rund 30 % des in Österreich verzehrten Putenfleisches stammen aus dortiger Erzeugung.

Eindeutiges Fazit des VDP: Das mit den Eckpunkten angestrebte Ziel der Verbesserung des Tierwohls in der Mastputenhaltung könne nur über harmonisierte Haltungsstandards auf EU-Ebene erreicht werden. Eine Umsetzung der BMEL-Eckpunkte im nationalen Alleingang würde hingegen genau das Gegenteil, nämlich eine Verschlechterung des Tierwohls und eine Abwanderung der Putenhaltung in andere Länder, bewirken.

Lorenz Märtl
Bild: Lorenz Märtl

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