Puten: Mast mit intakten Schnäbeln noch nicht darstellbar

16 Mai 2023
Pute
Puten

Heinrich Bußmann, Geschäftsführer des Geflügelwirtschaftsverbandes Nordrhein-Westfalen, sagte es eindeutig: Für die breite Praxis ist die Mast von Puten mit intakten Schnäbeln derzeit noch nicht darstellbar. Damit fasste er bisherige Erkenntnisse aus Versuchen und Projekten zum Thema zusammen.

Auf dem diesjährigen Geflügeltag Nordrhein-Westfalen auf Haus Düsse stellte Pia Niewind von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen einen neuen Zwischenstand zum MuD-Tierschutz-Projekt #Pute@Praxis* vor. Im Rahmen des Projektes, das seit 2020 läuft, soll Einfluss auf das Pickverhalten genommen werden. Dazu wird ein Gesamtpaket an Maßnahmen einge-setzt, die bereits in der Vergangenheit positive Effekte erzielt haben, oder auch eine Kombination unterschiedlicher Maßnahmen. „Fernziel“ ist die Haltung von Puten mit intakten Schnäbeln. Zu den genutzten Maßnahmen gehören:

  • Besatzdichte: Maximal 48 kg/qm bei Hennen
  • Licht: zusätzlich zweimal täglich 1 Stunde Lichtpause
  • Futter: Ganzer Hafer, Grit; 2 % Haferschälkleie
  • Strukturelemente: Staubbäder, Fluchtkisten, erhöhte Ebenen mit perforiertem Boden
  • Beschäftigung: Pickblöcke, Futterspender, Metallmobiles
  • NOTFALLKOFFER: Heukörbe, Maischips, Luzerneballen, Miscanthus-Briketts, Futterspender mit Schleifscheibe, Strohballen, rot-weiße Ketten, Milchpulver
Vergleich des Pickverhaltens bei Puten mit gekürzten und ungekürzten Schnäbeln

Puten mögen Hafer

Puten nehmen Hafer gut an, die Haferfütterung soll zu einer besseren Darmgesundheit führen und somit auch eine bessere Fußballenqualität und schlussendlich ein gesünderes Tier hervorbringen. Im Auge behalten werden müssen bei intensiverer Verwendung die Tageszunahmen. Der Notfallkoffer ist, so Pia Niewind, unerlässlich, um bei Bedarf sofort reagieren zu können. Putenhalter wissen, dass sich ein Pickgeschehen sehr rasant entwickeln kann.
Nach ersten Durchgängen auf Haus Düsse werden die aufgezählten Maßnahmen nun seit Anfang 2022 auf sechs Praxisbetrieben eingesetzt. Dafür wurde mit jedem Betrieb ein individuelles Maßnahmenpaket erarbeitet (4 konventionelle, 2 Öko-Betriebe). Die Betriebe liegen verteilt in ganz Deutschland. Die Praxiserprobung läuft noch bis Mitte des Jahres, Ende des Jahres sollen alle Auswertungen sowie ein Leitfaden für Putenhalterinnen und Putenhalter vorliegen. 

 

Tierverluste auf den vier Projektbetrieben (*Krankheitsgeschehen im Durchgang)

Betrieb Durchgang Schnabel Gesamtverluste
A (5.400 Hennen) 1 (Stall 1)
1 (Stall 2)
2 (Stall 1)
2 (Stall 2)
3 (Stall 1)
3 (Stall 2)
gekürzt
gekürzt
intakt
gekürzt
intakt
gekürzt
4,05 %
4,23 %
8,65 %
3,98 %
4,39 %
2,26 %
B (3.460 Hennen) 1
2
gekürzt
intakt
2,37 %
3,81 %
C (7.520 Hennen) 1
2
gekürzt
intakt
6,17 %*
9,36 %
D (2.800 Hennen) 1
2
3
gekürzt
intakt
intakt
8,62 %*
9,65 %
4,13 %

 

 

 

 

 

 

 

Sehr viel höhere Verluste

Die Tabelle zeigt die bisherigen Ergebnisse aus den vier konventionellen Betrieben, im Projekt sind insgesamt drei Durchgänge je Betrieb vorgesehen. In Betrieb A mit zwei baugleichen Ställen wurden in Durchgang 1 in beiden Ställen kupierte Tiere eingestallt, in Stall 1 jedoch mit Einsatz der Optimierungsmaßnahmen. Ab Durchgang 2 wurden jeweils parallel Tiere mit intakten bzw. kupierten Schnäbeln eingestallt.  Im Durchgang 3 waren die Verluste bei den unkupierten Tieren schon deutlich geringer als in Durchgang 2. Durchgang 3 war ein Winterdurchgang und der Stall wurde deutlich dunkler gefahren – das war der Hauptgrund, warum er besser verlaufen ist. Laut Aussage des Betriebsleiters gab es auch Lerneffekte. Trotzdem lagen die Verluste immer noch fast doppelt so hoch wie bei den kupierten Tieren (2,26 % / 4,39 %).

In den Betrieben B und C gab es jeweils während des 1. Durchgangs ein größeres Krankheitsgeschehen, das zu deutlich höheren Verlusten führte. Dennoch lag in Betrieb C die Verluste bei den intakten Tieren deutlich höher als bei den kupierten Tieren. In Betrieb D lagen die Verluste im Durchgang 3 bei den Tieren mit intakten Schnäbeln mit 4,13 % niedrig.

Separierungen unerlässlich

Pia Niewind betonte bei ihrem Vortrag noch einmal die große Bedeutung des Separationsmanagements. Die Anzahl der Tiere, die separiert werden mussten, waren bei den Herden mit intakten Schnäbeln deutlich höher. In Betrieb A musste der Betriebsleiter im 2. Durchgang 1.546 Tiere separieren. Das ist eine Quote von fast 30 %! Deutlich sagte Pia Niewind, dass das im Praxisalltag auf Dauer nicht umzusetzen ist. Als Zwischenfazit zur Haltung von Puten mit intakten Schnäbeln hielt sie fest:

  • Die Tierverluste können bis doppelt so hoch sein.
  • Es tritt eine hohe Anzahl verletzter (teils schwerverletzter) Tiere auf.
  • Die Haltung ist mit einem deutlich höheren Arbeitseinsatz verbunden.
  • Es sind zusätzliche Kontrollgänge nötig (bis zu 6mal am Tag).
  • Es müssen aufwändige Separationsmaßnahmen erfolgen.
  • Es ist eine Verdunklungsmöglichkeit vorzuhalten für den Fall, dass ein Pickgeschehen nicht mehr anders eindämmbar ist.

Verletzte Tiere belasten Betreuer

Wie belastend für die Betreuerinnen und Betreuer die teilweise schlimmen Verletzungen der Tiere sind, wenn sie mit intakten Schnäbeln bepickt wurden, machten Aussagen der Projektteilnehmer vor Ort, bzw. von Pia Niewind zitiert, deutlich:
„Wenn wir Puten mit intakten Schnäbeln halten müssen, werde ich keine Tiere mehr einstallen.“
„Die Nottötung habe ich durchgeführt, da ich meine Mitarbeiter nicht mit den Bildern belasten wollte.“
„Die schlimmen Verletzungen gehen einem nur schwer aus dem Kopf.“

 

"Wenn wir Puten mit intakten Schnäbeln halten müssen, werde ich keine Tiere mehr einstallen."

Zusammenfassend betonte Pia Niewind, dass das übergeordnete Ziel des Projektes sei, den Tierschutz in der Putenhaltung zu verbessern. Die gewonnenen Erkenntnisse geben auch Mästern von Puten mit kupierten Schnäbeln wertvolle Hinweise, wie man Pickgeschehen vorbeugen bzw. rasch eindämmen kann. Auch bei kupierten Tieren kommt Picken vor, allerdings sind die Verletzungen in der Regel nicht so schlimm. So gab es auch positive Stimmen von Projektteilnehmern:

„Die erhöhten Ebenen waren toll, es ist schön, wie die Tiere dort aufbaumen.“
„Ich bin mit einem guten Gefühl aus dem Stall gegangen, nachdem ich das Beschäftigungsmaterial eingebracht habe.“

*Das #Pute@Praxis-Projekt ist Teil der Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz im Bundesprogramm Nutztierhaltung. Die Förderung erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung, BMEL.

 

Christa Diekmann-Lenartz
Bild: Pixabay

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