Sechs engagierte Landwirt/innen haben sich im MuD Tierschutz Projekt #Pute@Praxis der Herausforderung gestellt und in ihren Ställen unter optimierten Haltungs- und Managementbedingungen Putenhennen mit intakten Schnäbeln eingestallt. Inzwischen liegen erste Ergebnisse vor, die nachdenklich machen, denn die Verluste liegen doppelt so hoch wie normal.
Haltung von Puten mit intakten Schnäbeln – Pickausbrüche an der Tagesordnung
Zu Beginn des Projektes #Pute@Praxis war mit jedem Landwirt ein individuelles Maßnahmenpaket entwickelt worden, welches alle vom Projekt angedachten Optimierungsmaßnahmen enthält: Strukturierungselemente, Beschäftigungselemente, ein angepasstes Lichtmanagement im Stall, eine angepasste Fütterung sowie ein auf den Betrieb abgestimmtes Impfmanagement. Auch ein Notfallkoffer mit zusätzlichen Maßnahmen, die beim Auftreten von Verhaltensproblemen eingesetzt werden, zählt dazu.
Erste Ergebnisse aus der Praxisphase
Zwei Betriebe können inzwischen mit ersten Ergebnissen aufwarten. Hier kurz einige Eckdaten zu den Betrieben (im Weiteren Betrieb A und Betrieb B genannt):
- Betrieb A verfügt über zwei baugleiche Hennenställe mit jeweils 5.400 Tieren je Stall. Im ersten Durchgang lagen die Gesamtverluste bei den schnabelintakten Tieren bei 4,05 Prozent, davon konnten 1,12 Prozent auf Beschädigungspicken zurückgeführt werden. In Stall 2 zeigte sich ein ähnliches Bild mit Gesamtverlusten von 4,23 Prozent, davon auf Beschädigungspicken zurückzuführen waren 0,98 Prozent. Im zweiten Durchgang lagen die Verluste in der Herde mit den intakten Schnäbeln bei 8,65 Prozent. Davon waren 4,5 Prozent eindeutig auf das Beschädigungspicken als Abgangsursache zurückzuführen. Im parallellaufenden Stall mit gekürzten Schnäbeln lagen die Gesamtverluste hingegen bei 3,89 Prozent, wovon 0,70 Prozent bedingt durch das Beschädigungspicken waren. Somit lagen die Verluste auf Betrieb A bei den Puten mit intakten Schnäbeln, im Vergleich zu den drei anderen Durchgängen um den Faktor 2 bis 2,2 höher.
- Bei Betrieb B steht ein Hennenstall mit rund 3460 eingestallten Tieren zur Verfügung. Hier lagen die Verluste im ersten Durchgang bei den bei den schnabelintakten Tieren bei 2,37 Prozent, davon wurden 0,29 Prozent durch Beschädigungspicken verursacht. Im zweiten Durchgang mit der Einstallung schnabelintakter Tiere lagen die Gesamtverluste bei 3,81 Prozent wovon 2,51 Prozent auf Beschädigungspicken zurückzuführen waren. Bei Betrieb B lagen die Verluste bei den schnabelintakten Tieren somit um den Faktor 1,6 höher als in dem zuvor begleiteten Durchgang mit schnabelgekürzten Tieren.
Die ersten Ergebnisse der zwei Betriebe sind mit den Ergebnissen der zwei Durchgänge auf dem VBZL Haus Düsse vergleichbar. Dort lagen die Verluste bei den schnabelintakten Tieren im ersten Durchgang um den Faktor 2,2, im zweiten Durchgang um den Faktor 2,4 höher.
Durchgang | Schnabel | Gesamtverluste, % | Pickverluste, % | Sontige Verluste, % | Faktor | |
Betrieb A |
1 1 2 2 |
gekürzt gekürzt intakt gekürzt |
4,05 4,23 8,65 3,98 |
1,12 0,98 4,5 0,7 |
2,93 3,25 4,16 3,27 |
2,0 bis 2,2 |
Betrieb B |
1 2 |
gekürzt intakt |
2,37 3,81 |
0,29 2,51 |
2,08 1,30 |
1,6 |
Große Verluste besonders zu Mastende
Ein Blick auf die Verluste zeigt, dass die Haltung von Puten gerade zum Ende der Mast deutlich schwieriger wird, und Verluste vermehrt in diesen Zeiträumen auftreten. Dieser Trend ist sowohl bei den schnabelintakten als auch bei den schnabelgekürzten Herden erkennbar, bei den Tieren mit intaktem Schnabel ist das Ausmaß jedoch deutlich größer. Auch eine Beruhigung der Tiere (mit den im Projekt geprüften Optimierungsmaßnahmen) ist trotz Notfallkoffer dann nicht mehr möglich. Was auf den Projektbetrieben half, war eine - durch den Tierarzt angeordnete - deutliche Lichtreduktion. Ein Anheben der Lichtintensität führte zu erneuten Pickausbrüchen und war daher auf beiden Betrieben nicht mehr möglich.
Separationsabteil unerlässlich
Um verletzte Tiere, die Aussicht auf Genesung haben, aus der Herde nehmen zu können, war in beiden Betrieben ein Separationsabteil eingerichtet worden, was sich auch als unerlässlich erwies: Betrieb A musste bei der Herde mit intakten Schnäbeln im Verlauf der Mast insgesamt 1.546 Tiere separieren, knapp 29 Prozent der gesamten Herde. Im Vergleich zur parallellaufenden Herde mit gekürzten Schnäbeln (331 separierte Tiere) waren das 4,7 mal so viele separierte Tiere. Betrieb B separierte mit insgesamt 272 Tieren 7,9 Prozent der gesamten Herde. Grundsätzlich waren in Risikozeiträumen Kontrollgänge bis zu sechs Mal am Tag notwendig, um verletzte Tiere nach Möglichkeit rechtzeitig aufzufinden und schwere Verletzungen zu verhindern. Auch musste das Separationsabteil mehrmals vergrößert werden, weil Tiere häufig zeitgleich verletzt wurden. Die Anzahl der Tiere, die in ein Separationsabteil verbracht wurden, nahm bei beiden Betrieben aber vor allem zum Ende der Mast deutlich zu.
Mastzeit verkürzen?
Generell zeigen die ersten Erfahrungen aus der Praxisphase des Projektes #Pute@Praxis, dass die Haltung von Putenhennen mit intaktem Schnabel eine große Herausforderung ist und dass die Tiere sehr aufmerksam und gewissenhaft betreut werden müssen, damit im Notfall schnell reagiert werden kann. Wenn die Schnabelspitze intakt bleibt,
- muss ein Notfallkoffer mit diversen Materialien zur Ablenkung der Tiere permanent vorgehalten werden,
- ist mit Tierverlusten zu rechnen, die um etwa das Doppelte höher liegen als gewöhnlich,
- ist mit einer hohen Anzahl verletzter Tiere zu rechnen,
- muss ein höherer Einsatz an Arbeit eingeplant werden,
- sind zusätzliche Kontrollgänge erforderlich (bis zu sechsmal am Tag),
- ist mit aufwendigen Separationsmaßnahmen zu rechnen,
- muss eine Möglichkeit der Verdunklung für den Fall eingeplant werden, dass das Pickgeschehen nicht mehr mit anderen Maßnahmen eingrenzbar ist.
Die Erfahrungen zeigen zwar, dass die Tiere die angebotenen Haltungselemente gut annehmen und nutzen und dass sich in kritischen Zeiträumen auch der Notfallkoffer bewährt. Pickausbrüche mit schweren Verletzungen und erhöhter Mortalität lassen sich aber gerade zum Ende der Mast derzeit noch nicht verhindern. Hier wäre die verkürzte Mast eine mögliche Alternative. Diese soll im Rahmen des Projektes #Pute@Praxis auch in Bezug auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft werden.
Zusätzliche Arbeitskräfte nötig
Generell hat sich gezeigt, dass die Einrichtung eines Separationsabteils unerlässlich ist. Tiere mit kleinsten Verletzungen müssen bereits frühzeitig von der Herde getrennt werden. Ein intensives Separationsmanagement kann die Anzahl der schwerwiegenderen Verletzungen minimieren und bei einzelnen Tieren sogar verhindern. Die hier im Projekt durchgeführten Separationsmaßnahmen haben jedoch zu einem großen Mehraufwand geführt, der ohne zusätzliche Arbeitskräfte auf Dauer nicht beizubehalten wäre und daher unter den jetzigen Rahmenbedingungen nicht praxistauglich ist.
Ein nicht zu vernachlässigender Punkt ist zudem die hohe Frustrationstoleranz, die die Tierhalter bei der Einstallung schnabelintakter Tiere mitbringen müssen. Die teils starken Verletzungen der Tiere, die trotz der oben genannten Punkte auftreten, bedeuten eine zusätzliche starke Belastung.
Weitere Ergebnisse aus der Praxisphase des Projektes #Pute@Praxis werden in den kommenden Monaten erwartet.
Reagieren
Geflügelnews lädt Sie ein, auf Artikel zu reagieren und schätzt Reaktionen mit Inhalt. Die Redaktion behält sich das Recht vor, beleidigende oder kommerziell motivierte Reaktionen ohne Angabe von Gründen zu entfernen.