Dem Thema „Brustbeinschäden und Frakturen bei Legehennen - Was bedeutet das für meine Tiere und mich?” widmete sich Dr. Lisa Jung vom Fachgebiet Nutztierethologie und Tierhaltung der Universität Kassel in einem Webseminar des Netzwerkes Fokus Tierwohl und erklärte, wie sich die Brustbeingesundheit bei Legehennen steigern lässt.
Brustbeinschäden sind ein weitverbreitetes Problem
Bei einer Untersuchung, bei der 107 Herden aus 8 europäischen Ländern in den Lebenswochen 52 bis 73 betrachtet wurden, waren 3 bis 88 % der Hennen betroffen (im Durchschnitt 44,5 %). Zusammengefasst bestand bei der Bodenhaltung weniger Risiko, fehlendes Tageslicht im Stall, ein höherer Anteil untergewichtiger Hennen sowie ein früherer Legebeginn steigerten das Risiko zu Brustbeinschäden. Die Verknöcherung des Brustbeins ist beim Huhn erst mit 36 bis 37 Wochen abgeschlossen. Ist der Legebeginn davor, wird den Knochen Kalzium entzogen, bevor sie stabil sind.
Stallbau: Was steigert die Brustbeingesundheit?
Im Stall verhindern verschiedene Maßnahmen, dass Hühner beim Versuch, die Sitzstange zu wechseln, stürzen oder sich verletzen.
Präventionsmaßnahmen - Licht
Der Stall sollte ausreichend durch Tageslicht beleuchtet sein, damit Abstände korrekt geschätzt werden können und die Vitamin-D-Aufnahme verbessert wird. Auch der Einsatz von UV-Licht im Stall kann helfen.
Präventionsmaßnahmen - Sitzstangen
Es sollte ein früher Zugang zu Sitzstangen gewährt werden, um sicheren An- und Abflug zu fördern. Pilzförmige Sitzstangen (gerade mit abgerundeten Ecken) haben gegenüber runden Sitzstangen den Vorteil, dass der Fußballen beim Landen mehr Halt hat und die Zehen die Stange gut umgreifen können. Plastik- und Holzstangen sind rutschfester als Metallstangen, allerdings schlechter zu reinigen – ummantelte Sitzstangen können einen Kompromiss darstellen. Zusätzlich ist auf die Holzart zu achten, um zu verhindern, dass sich die Tiere an Splittern verletzen.
Präventionsmaßnahmen - Rampen
Viele Gänge sind zu eng für ein arttypisches Abfliegen oder Landen. Wenn möglich, sollten Gänge breiter dimensioniert werden, um optimierte An- und Abflugwinkel zu ermöglichen. Auch Auf- und Abstiegshilfen senken das Unfallrisiko. Bei diesen Rampen ist Kunststoff Metalldraht vorzuziehen, damit sich die Tiere nicht an den Zehen verletzen.
Durch richtige Fütterung Brustbeingesundheit verbessern
Regelmäßige Futteranalysen sind unumgänglich, um den Nährstoffgehalt zu bestimmen und gegebenenfalls Anpassungen durchzuführen. Der Kalziumbedarf verändert sich mit dem Alter und dem Einsetzen des Legens. So werden während der Aufzucht ungefähr 9 bis 10 g/kg Futter benötigt, im Vorlegefutter etwa 20 bis 25 g/kg und im Legefutter circa 35 g/kg. 30 % sollten feiner Kalk sein, 70 % grober Kalk. Zusätzliches Kalzium muss immer durch Phosphor ergänzt werden im Verhältnis aufsteigend von 4:1 bis 8:1 (Ca:P). Bei Vitamin D3 empfiehlt Dr. Jung 2.000 IE/kg Futter. Auch Omega3- und Omega6-Fettsäuren (z.B. Linolsäure) resultierten als möglicher Präventionsfaktor.
Wie kann das Herden-Management die Brustbeingesundheit steigern?
Dr. Jung gibt einige Hinweise, welche Management-Maßnahmen das Risiko für Brustbeinschäden senken können. Mit einer frühen Einstallung (unter 18 Lebenswochen) gewöhnen sich die Tiere besser im Stall ein und auch die Genetik spielt eine wichtige Rolle. Die Eigröße sollte in einem gesunden Verhältnis zum Körpergewicht stehen und der Legestart sollte auf nach der 20 Lebenswoche verzögert werden. Ein zu frühes Alter bei Legestart passt schlecht zu der späten Verknöcherung und kann den Grundstein zu Knochenkrankheiten legen. Die Gestaltung des Wintergartens und des Auslaufs entscheiden darüber, wie aktiv diese genutzt werden und sollte deshalb nicht übersehen werden: Inaktivität führt zu schlechter Knochengesundheit.
Herdenführung für weniger Brustbeinschäden
Auch die Herdenführung hat Auswirkungen auf die Brustbeingesundheit. Weniger schreckhafte Tiere haben weniger Unfälle, da sie nicht plötzlich auffliegen, wenn beispielsweise ein Mensch den Stall betritt. Um die Tiere zu desensibilisieren, können Absprachen mit dem Aufzüchter helfen und eine starke Mensch-Tier-Beziehung. Durch ein frühes Palpationstraining gewöhnen sich die Hühner einerseits an den Menschen und andererseits an das regelmäßige Abtasten.
Brustbeinschäden sind ein Krankheitskomplex
Dr. Jung fasst zusammen, dass schon die Aufzucht Einfluss auf die Knochenstabilität und das Verhalten hat. Schäden des Brustbeins lassen sich durch die Tierbetreuung erfassen. Durch eine Anpassung der Haltung und eine bedarfsgerechte Fütterung können Brustbeinschäden minimiert werden. In der Zucht wird aktuell nach geeigneten Selektionsmerkmalen gesucht. Brustbeinschäden führen zu chronischen Schmerzen sowie eingeschränkter Mobilität und sind damit ein tierschutzrelevantes Problem.
Das Friedrich-Loeffler-Institut hat den aktuellen Stand des Wissens (19.7.2022) zu Brustbeinschäden bei Legehennen in einem Dokument herausgegeben.
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