Dr. Lisa Jung vom Fachgebiet Nutztierethologie und Tierhaltung der Universität Kassel zeigte in einem Webseminar des Netzwerkes Fokus Tierwohl zum Thema „Brustbeinschäden und Frakturen bei Legehennen - Was bedeutet das für meine Tiere und mich?” auf, wie sich der eigene Blick schärfen lässt und wie Tiere richtig beurteilt werden.
Gesundheitsindikatoren
Neben der Kontrolle des Gewichts und bezüglich Endoparasiten sowie Ektoparasiten müssen auch Wasser- und Futterverbrauch beobachtet sowie Futteranalysen durchgeführt werden. Dr. Jung hält eine Bewertung der Herde aus der Distanz für nicht ausreichend. Ein Bewertungsbogen oder die Bewertung per App ermöglichen es, die Ergebnisse der Tierkontrollen über einen längeren Zeitraum hinweg zu verfolgen und schon kleine Veränderungen zu bemerken. Wöchentliche Tierkontrollen wären wünschenswert, nicht zuletzt da sich Hühner Gesichter merken und sich an ihre Betreuungspersonen gewöhnen.
Tierkontrolle: Einmal von Kopf bis Fuß
Kamm
Der Kamm soll bei Hitze für Kühlung sorgen und ist bei Hähnen ein Anzeichen für Stärke. Bei Hennen variiert die Kammgröße zwischen Legephasen und Nichtlegephasen. Der Kamm sollte rot und unverletzt sein, Verletzungen am Kamm deuten auf Rangkämpfe hin. Ein blasser Kamm kann ein Anzeichen für eine Krankheit wie beispielsweise Salmonellose oder Milbenbefall sein, ein blauer Kamm für beispielsweise Herzprobleme oder Erfrierungen.
Augen
Die Augen sollten sehr klar sein und weder trüb noch geschwollen. Sind mehrere Tiere von geschwollenen Augen betroffen, deutet das auf eine Infektion hin.
Schnabel
Der Schnabel sollte nicht zu spitz oder zu lang sein. Ober- und Unterschnabel sollten aufeinanderpassen. Sind die Schnäbel zu lang, unterstützen Pickblöcke die Abnutzung.
Gefieder
Das Gefieder schützt vor Nässe, Kälte und Verletzungen und ermöglicht das Fliegen. Die Mauser tritt während der Jungendentwicklung auf und bei erwachsenen Hühnern im Spätsommer bis Herbst. Eine Schockmauser tritt sehr schnell auf – Dr. Jung erzählt von einem Ausfall der Futterkette, der innerhalb weniger Stunden zu einer Schockmauser führte. Finden sich allerdings Gefiederschäden am Bürzelansatz, am Rücken, der Kloake oder am Legebauch, deutet dies auf Federpicken hin. Auch eine federlose Einstreu kann auf ein Problem hinweisen: Die Hühner fressen die Federn auf und das ist Dr. Jung zufolge der erste Schritt zum Federpicken. Übrigens ist eine hohe Auslaufnutzung die wirksamste Maßnahme gegen Federpicken.
Haut
Verletzungen der Haut können durch die Stalleinrichtung oder durch Kannibalismus entstehen, aber blutige Stellen (egal durch welchen Auslöser) animieren zu weiterem Picken. Hier besteht sofortiger Handlungsbedarf. Die betroffenen Tiere müssen separiert werden, da Kannibalismus einen Lerneffekt hat. Bei den ersten Anzeichen sollte dem Wasser Salz zugefügt, Beschäftigungsmaterial bereitgestellt, eine Futteranalyse durchgeführt und Maßnahmen zur Stressreduktion getroffen werden.
Zehen
Bei der Kontrolle der Zehen muss besonders zwischen den Zehen auf Pickverletzungen geachtet werden. Finden sich amputierte Zehen, ist zu kontrollieren, ob diese von einem Unfall oder von Zehenpicken stammen. Dr. Jung hält Zehenpicken für ein weitaus komplexeres Problem als Federpicken, da die Tiere teilweise ihre eigenen Zehen picken, teilweise auch andere. Vom Zehenpicken sind weiße Genetiken stärker betroffen, weshalb Zehenpicken in Deutschland noch nicht oft vorkommt.
Fußballen
Die Fußballen sollten intakt sein. Dr. Jung sieht Hyperkeratose (Verdickung des äußersten Teils der Epidermis, der Hornschicht) nicht als Tierwohl-Problem, weist aber darauf hin, dass Ulzerationen ähnlich tief wie Dornwarzen in den Ballen wuchern und deshalb nicht einfach abgekratzt werden dürfen. Sie rufen Schwellungen hervor.
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