Dr. Lisa Jung vom Fachgebiet Nutztierethologie und Tierhaltung der Universität Kassel erläuterte im Zuge eines Webseminars des Netzwerkes Fokus Tierwohl zum Thema „Brustbeinschäden und Frakturen bei Legehennen - Was bedeutet das für meine Tiere und mich?”, was unter Brustbeinschäden zu verstehen ist, die sie in der Hühnerhaltung als größtes Problem neben Federpicken und Kannibalismus betrachtet.
Knochen sind lebendes Gewebe
Um die Brustbeingesundheit bei Legehennen steigern zu können, ist es notwendig, den Knochenaufbau des Tieres zu kennen. In Bezug auf die Körpermasse ist das Skelett der Vögel deutlich leichter als das der Säugetiere und macht nur etwa 4,5 % des Gesamtgewichts des Vogelkörpers aus (Mensch: etwa 12 %). Die Gewichtsreduktion wird unter anderem durch die starke Pneumatisierung verschiedener Knochen, beispielsweise der Oberschenkel und des Brustbeines erreicht. Die Luftsäcke des Atmungstraktes stülpen sich in die Markhöhlen der langen Röhrenknochen aus.
Die Knochenschicht Kortikalis umgibt das schwammähnliche Innengewebe (Spongiosa) und das medulläre Knochengewebe, das nur von weiblichen Vögeln ausgebildet wird und als Calcium-Speicher für die Eierproduktion dient. Die Kortikalis ist besonders hart, um vor Druck-, Biege- und Drehkräften zu schützen.
In Hühnerknochen sind große Mengen an Kalzium enthalten, die für die Knochenfestigkeit und -struktur entscheidend sind. Vitamin D fördert die Aufnahme von Kalzium aus der Nahrung und Legehennen haben einen täglichen Kalziumbedarf von etwa 4 g am Tag. Es gibt spezialisierte Knochenzellen, die für den Knochengewebsaufbau zuständig sind (Osteoblasten) und welche für den Knochengewebsabbau (Osteoklasten). Zusätzlich fördern Hormone die Freisetzung von Kalzium aus den Knochen (Parathormon) und die Einlagerung von Kalzium in den Knochen (Calcitonin).
Das Brustbein
Das Brustbein, der größte Knochen am Huhn, schließt die Körperhöhle bauchseits ab. Indirekt sind am Brustbein die Rippen verankert und dort setzt auch die Flugmuskulatur an, weshalb bei Schäden jede Bewegung schmerzt.
Brustbeinschäden - Erhebungen in der Praxis
Deformationen, also Abweichungen von der geraden Mittellinie, können schon bei einer visuellen Beurteilung festgestellt werden. Durch Palpation (manuelles Tasten und Fühlen) können sowohl Deformationen und Dislokationen als auch Kallus (neugebildetes Knochengewebe, um Brüche bei einer Sekundärheilung zu heilen) ermittelt werden. Um darüber hinaus nicht nur die Folgen von Frakturen, sondern auch die Frakturen selbst (auch Haarrisse und tiefer liegende Frakturen) zu erkennen, ist es notwendig, das Tier zu röntgen. Frakturen können traumatisch, beispielsweise durch Kollisionen, oder spontan auftreten und sind schmerzhaft.
Brustbeinstatus ermitteln
Um den Brustbeinstatus des Bestandes festzustellen, wird die Prävalenz (Vorhandensein einer Krankheit zu einem bestimmten Zeitpunkt) ermittelt, indem der Prozentsatz betroffener Hennen berechnet wird. Werden diese Prävalenzen notiert (beispielsweise mit den Erhebungsprotokollen Mtool oder KTBL), lassen sich Veränderungen feststellen.
Fütterungsbedingte Krankheitsformen
Verschiedene Krankheiten werden durch Fehler bei der Fütterung verursacht. So kann die ungenügende Versorgung mit Kalzium und/oder Vitamin-D3-Mangel beim erwachsenen Tier Osteoporose verursachen, die einen Abbau des Knochengewebes und spontane Knochenbrüche zur Folge hat. Rachitis deutet auf eine ungenügende Versorgung mit Kalzium und/oder Vitamin D3 während des Wachstums hin. Es erfolgt keine Mineralisation des Knochengewebes und das führt zur Verformung respektive Krümmung der betroffenen Knochen. Die Knochen sind verdickt, weisen aber eine geringe Röntgendichte auf. Osteomalazie meint die ungenügende Mineralisation des Knochengewebes bei erwachsenen Tieren und wird durch nicht artgerechte Fütterung hervorgerufen (ungünstiges Kalzium-Phosphor-Verhältnis, Vitamin-D-Gehalt unzureichend).
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