Am 7. Juni 2022 legte der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir Eckpunkte eines staatlichen Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes vor. Es ist der erste Schritt im so genannten Gesamtvorhaben „zukunftsfeste Tierhaltung“, des Bundeslandwirtschaftsministeriums, das vier zentrale Bausteine beinhaltet.
Staatliche Tierhaltungskennzeichnung – wirklich eine gute Orientierungshilfe?
Neben einer verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung sind dies ein Förderkonzept für den Umbau von Ställen, bessere Regelungen im Tierschutzrecht und Anpassungen im Bau- und Genehmigungsrecht.
Nun wurden also die Eckpunkte des neuen Haltungslabels vorgestellt. Folgende fünf Haltungsformen werden gekennzeichnet:
- Haltungsform Stall (gesetzliche Mindestanforderungen)
- Haltungsform Stall+Platz (20 Prozent mehr Platz, strukturierte Buchten durch z. B. Trennwände, unterschiedliche Ebenen, verschiedene Temperatur- oder Lichtbereiche),
- Haltungsform Frischluftstall (dauerhafter Kontakt zum Außenklima und dadurch mindestens 46 Prozent mehr Platz),
- Haltungsform Auslauf/Freiland (ganztägiger Auslauf /mindestens acht Stunden Auslauf pro Tag und damit 86 Prozent mehr Platz) sowie
- Haltungsform Bio (entsprechend den Vorgaben der EU-Ökoverordnung und damit noch mehr Platz im Stall).
Sie sollen zunächst für die Kennzeichnung von Schweinefleisch gelten, später auch für andere Produkte und Tierarten. Geplant ist, die Kennzeichnung der Haltungsform im Laufe des Jahres 2023 einzuführen. Dies wird nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums mit einer Anschubfinanzierung von 1 Milliarde Euro in der Startphase verbunden sein.
Keine neue Entwicklung
Neu ist das allerdings nicht. So haben sich unter anderem die Initiative Tierwohl (ITW) und verschiedene Tierschutzorganisationen in der Vergangenheit mit der Thematik auseinandergesetzt und entsprechende Vorgaben erarbeitet. Diese werden wohl hinfällig werden, wenn sich das neue Label tatsächlich durchsetzen und bei den Nichtregierungsorganisationen (NGO´s) und Verbrauchern Akzeptanz finden sollte.
Auch der Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen (KAT) entwickelte bereits vor vielen Jahren ähnliches Kennzeichnungssystem (vier Stufen: 0, 1, 2 und 3), das im Bereich der Legehennenhaltung entlang der gesamten Prozesskette gilt und bis heute einzigartig ist. Es ist EU-weit akzeptiert und gilt als zuverlässiges Kennzeichnungssystem. Das mag wohl auch für Cem Özdemir bei seinem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz ein Vorbild gewesen sein; die fünf Haltungsformen des neuen Gesetzes ähneln denen des KAT-Kennzeichnungssystems. Tatsächlich bietet das Kennzeichnungssystem KAT eine weitaus bessere Orientierungshilfe für Verbraucher als es das Özdemir-System.
Bio-Initiative fordert mehr
Von Seiten der NGO´s ist Kritik an den von Minister Özdemir vorgestellten Eckpunkten zu vernehmen, da lediglich die drei höchsten Haltungsstufen des Özdemir-Entwurfs - Frischluftstall, Freilandhaltung und biologische Haltung - richtungsweisend sind. Und aus Sicht der Bio-Initiative ist das von Cem Özdemir vorgeschlagene Konzept unzureichend, weil die Stufen 1 und 2 lediglich dem gesetzlichen Standard entsprechen; auch Tierschutzorganisationen kritisieren diesen Punkt. Und auch eine Auslobung mit der „Stufe 5“ kommt für die Bio-Initiative nicht in Betracht, da die Vorgaben dieser Stufe nur dem EU-Biostandard entsprechen.
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