Rohprotein raus, Aminosäuren rein und analysieren

16 Februar 2023
Nährstoffe
Sojabohnen

Wie kann der Gehalt an Rohprotein in der Ration reduziert und adäquat durch Aminosäuren ergänzt werden, ohne Leistungseinbußen bei den Tieren hinnehmen zu müssen? Dieser Frage ging Dr. Reinhard Puntigam vom Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in einer Online-Veranstaltung des Netzwerkes Fokus Tierwohl zum Thema „Energie- und nährstoffangepasste Fütterung von Geflügel“ nach.

Um Rohprotein in der Ration zu reduzieren, müssen die fehlenden Aminosäuren supplementiert werden. Aktuell sind zwölf freie Aminosäuren laut Futtermittelregister zugelassen – nicht in der Biofütterung, da es sich bei synthetischen Aminosäuren um gentechnisch modifizierte Stoffe handelt. Die Schwierigkeit liegt darin, herauszufinden, wieviel Rohprotein in der Ration enthalten ist, um dann auch noch festzustellen, wie viele Aminosäuren darin enthalten sind. Puntigam unterstreicht, dass der Gehalt an Rohprotein beziehungsweise Aminosäuren nichts über die Verdaulichkeit aussagt.

Toleranzen bei der Deklaration

Die EU lässt bei der Deklaration von Futtermitteln große Toleranzbereiche zu: so beträgt die zulässige Toleranz bei Rohprotein +/-12,5 Prozent, beim Gesamtphosphor +/-0,3 Prozent, bei der Rohfaser +/- 1,75 Prozent und beim Energiewert -5 Prozent /+10 Prozent. 

Analysieren, Analysieren, Analysieren

Puntigam zufolge lässt sich eine gute Rohprotein-Reduktion eigentlich nur durch Analysen der Futtermittel realisieren. Er sieht das Problem, dass eine Analyse der Aminosäuren relativ teuer ist (ab 250 €) und verhältnismäßig lange dauert. Eine billigere Möglichkeit zur Annäherung bestehe darin, aus dem analysierten Gehalt an Rohprotein mit Hilfe eines Tabellenwerkes die enthaltenen Aminosäuren zu berechnen.

Nah Infrarot-Spektroskopie (NIRS)

Die Messung mittels stationärem NIRS ist, da es sich um eine Analytik per Knopfdruck handelt, schnell und einfach. Sie ermöglicht nicht nur die Analyse des Gehalts an Aminosäuren, sondern auch der Verdaulichkeit der Nährstoffe und Aminosäuren. Darüber hinaus lassen sich auch Qualitätsparameter (Trypsininhibitor, Proteinlöslichkeit, Reaktives Lysin) kontrollieren.

Mobile NIRS-Messung

Neben den stationären NIRS-Geräten (die sich nur für Labore rentieren) gibt es mittlerweile kleinere, mobile Geräte, die die Inhaltsstoffe (Rohnährstoffe, Rohprotein, Rohfett) von Futtermitteln am Hof analysieren. Auf Rückfrage schätzt Puntigam den Preis für ein portables NIRS-Gerät mit etwa 5.000 € ein, zu dem eine jährliche Kalibrierung hinzukommt, die mit etwa 500 € zu Buche schlägt. Bei Versuchen mit Sojaextraktionsschrot erzeugte das getestete mobile Gerät im Vergleich mit dem stationären Gerät eine durchschnittliche Rohprotein-Überbewertung von 16 g, bei Weizen passte die Analyse gut, bei Gerste zeigte das Gerät eine Rohprotein-Überbewertung von 17 g. Puntigam fasst die Ergebnisse zusammen: „Nicht perfekt, aber es funktioniert nicht schlecht.”

Nährstoffgehalte schwanken stark

Die ständige Nährstoff-Analyse ist nach Puntigam unumgänglich, da die Nährstoffgehalte schon bei den Feldfrüchten stark schwanken. Untersuchungen zeigten deutliche Unterschiede im Protein- und Lysin-Gehalt zwischen den Sorten sowie große Unterschiede in der Lysin-Verdaulichkeit. Weitere Schwankungen entstehen beispielsweise bei der Verarbeitung von Sojabohnen. Wird etwa der Öl-Gehalt des Sojakuchens zu niedrig eingeschätzt, steigt der Energiegehalt des Futtermittels, der Proteingehalt sinkt, die Futteraufnahme und damit die Leistung nehmen ab und in letzter Instanz reduziert sich auch das Tierwohl. Zudem steigt das Risiko einer Fettleber.

Deutliche Unterschiede in der Verarbeitung der Sojabohnen

Rohe Sojabohnen enthalten Trypsininhibitoren, die Trypsin binden und das körpereigene Enzym zum Proteinabbau an der Arbeit hindern. Die Bauspeicheldrüse wächst mit der Herausforderung und reagiert mit Hypertrophie (Vergrößerung des Organs durch Zellvergrößerung) oder Hypoplasie (Vergrößerung des Organs durch Erhöhung der Zellzahl). Trypsininhibitoren sind wärmeempfindlich und können durch »Toasten« zerstört werden. Ältere Studien proklamierten Werte unter 4 g/kg als unschädlich, neuere Studien fordern, die Werte so gering wie möglich zu halten. Bei Analysen verschiedener Sojakuchen musste Puntigam anhand zu hoher Werte der Trypsininhibitoren eine deutliche Unterprozessierung mancher Sojakuchen feststellen. Auch um dieses Risiko zu minimieren, hält er Messungen für unumgänglich.

Magdalena Esterer
Bild: Pixabay

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