Rationsberechnung: Pi x Daumen war gestern

31 August 2023
Futter
Legehennen

Die bedarfsgerechte Nährstoffversorgung bei Geflügel, ist sehr wichtig. Bereits eine 5%-ige Unterversorgung mit Aminosäuren wirkt sich negativ auf die Leistung der Tiere aus, bei Mastgeflügel kann sich das Endgewicht um ca. 170 Gramm reduzieren. Ähnliche Effekte sind aus der praktischen Legehennenhaltung bekannt, jedoch wissenschaftlich kaum dokumentiert. Analysen der Ration sichern die Leistungsfähigkeit und schonen die Umwelt. In diesem Beitrag geht es insbesondere Analysen von Rationen, in welche in Deutschland /Österreich angebaute Sojabohnen eingearbeitet wurden.

Die Nährstoffgehalte in Minutenschnelle analysieren

Die Präzisionsfütterung gewinnt im Zeitalter der Digitalisierung immer stärker an Bedeutung. Und die bestmögliche Einschätzung des Nährstoffliefervermögens des Einzelfuttermittels als Grundlage der Rationskalkulation gerät bei der Ernährung der Tiere immer stärker in den Fokus der Forschung.

Um ein detailliertes Bild des Nährstoffgehaltes der Einzelfuttermittel zu erhalten, müssen diese vorher bestmöglich analysiert werden, schreiben Dr. Reinhard Puntigam und Martin Schäffler, von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Grub im Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt. Neben den klassischen, auf Nasschemie basierenden Methoden kommen heute auch Schnellverfahren wie zum Beispiel die Nah-Infrarot-Spektroskopie zum Einsatz. Damit lassen sich Parameter der Verarbeitungsqualität sowie die Nährstoffgehalte von Futtermitteln in Minutenschnelle ermitteln.

Die Verarbeitung beeinflusst Verdaulichkeit

Neben der Sortenwahl stellt die Futtermittelbe- und -verarbeitung den Haupteinflussfaktor auf das Nährstoffliefervermögen eines Futtermittels dar. Im Zuge des Verarbeitungsprozesses können hohe Energieeinträge eine maßgebliche Veränderung der Verdaulichkeit der Rohnährstoffe wie auch der umsetzbaren Energie bewirken. Es gilt es nach Ansicht der Autoren, ein Mittelmaß anzuwenden. Denn sowohl eine nicht im richtigen Verhältnis stehende Minderung von verdaulichkeitsreduzierenden „antinutritiven“ Faktoren (z. B. Trypsininhibitoren (TIA) als auch die Schädigung von Nährstoffen im Zuge einer Überprozessierung (Maillard-Reaktion, Aminosäuren) mindern die Nährstoffverdaulichkeit des Futters.

Sojabohne: Im Nährstoffgehalt deutliche Unterschiede

Wie das bei der Verarbeitung von Sojabohnen aussieht, untersuchten die Wissenschaftler der LfL in einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit dem Josephinum Research (Wieselburg, Österreich). Dabei wurden eine Vielzahl an unbehandelten Sojabohnensorten mit NIRS-Analytik (NIRS = Nah-Infrarot-Spektroskopie) auf ihren Gehalt an Rohnährstoffen, Aminosäuren bis hin zur Aktivität der Trypsininhibitoren (TIA) untersucht.

Der durchschnittliche Gehalt an Rohprotein betrug 360 g/kg Frischmasse mit einer Variation zwischen 335 bis 390 g/kg. Ähnliche Variationsbreiten konnten bei der Aminosäure Lysin nachgewiesen werden (Mittelwert: 23,1 g/kg; Min.- bzw. Maximalwert: 21,6 und 24,7 g/kg). Eine Schwankung von knapp 3 g Lysin erscheint auf den ersten Blick zwar vernachlässigbar, ist jedoch sowohl in der Rationsgestaltung als auch unter ökonomischer Betrachtung höchst relevant. Zusätzlich liefert die Rohbohne keinen hohen Gehalt an Rohprotein bzw. Aminosäuren, so kann dies der verarbeitete Sojakuchen auch nicht. Zusätzlich konnte auch die deutliche Variabilität zwischen den Sorten anhand des TIA nachgewiesen werden (Mittelwert: 23,2 g/kg; Min.- bzw. Maximalwert: 19,7 und 27,8 g/kg).

In einem weiteren Projekt ging man der Frage nach, wie stark sich Sojakuchen verschiedener Hersteller unter Anwendung betriebseigener Verfahren nährstofflich unterscheiden. Auch hier konnte nachgewiesen werden, dass die Produkte sowohl im Nährstoffgehalt als auch in der Verarbeitungsqualität deutliche Unterschiede aufweisen. Der mittlere Rohproteingehalt der mehr als 40 untersuchten Sojakuchen betrug 436 g/kg (Min.- bzw. Maximalwert: 374 und 500 g/kg), der Lysingehalt erstreckte sich von 23,7 bis 30,0 g/kg (Mittelwert: 26,9 g/kg).

 

Auch beim Ölgehalt gibt es starke Schwankungen

Des Weiteren zeigte sich eine sehr deutliche Streuung im Restölgehalt (61 – 172 g/kg; mittlerer Gehalt: 114 g/ kg) zwischen den verarbeiteten Sojakuchen. Aus diesen Schwankungen der Nährstoffgehalte ließen sich Energiegehalte von 11,1 bis 13,3 MJ umsetzbare Energie (AMEN) pro kg Sojakuchen feststellen.

Auch bei der TIA gibt es deutliche Unterschiede

In Bezug auf die Reduktion von TIA konnten ebenfalls deutliche Unterschiede zwischen den sojaverarbeitenden Betrieben nachgewiesen werden, die sich ebenfalls auf die Verdaulichkeit des Proteins bzw. der Aminosäuren auswirken. Die Proteinlöslichkeit in Kalilauge aller untersuchten Sojakuchen wies im Mittel einen Wert von 85% auf, wobei der Minimalwert von knapp 68% für eine deutliche Über- bzw. der Maximalwert von 95% für eine deutliche Unterprozessierung spricht. Eine optimale Prozessierung von Sojabohnen zeichnet sich durch eine möglichst geringe Aktivität der Trypsininhibitoren sowie eine Proteinlöslichkeit von 78 - 83 % aus. Allgemein war stets anerkannt, einen maximalen Gehalt von 4 g/kg an TIA im verarbeiteten Sojaprodukt anzustreben, um negativen Effekten auf die tierische Leistungsfähigkeit vorzubeugen.

Den TIA-Gehalt reduzieren ohne Aminosäuren zu schädigen

Demgegenüber kann aus aktuellen Studien abgeleitet werden, dass eine größtmögliche Reduktion des TIA-Gehaltes anzustreben ist (Hoffmann et al.,2019; Kuenz et al., 2020). In einem Mastgeflügelversuch von Herkelman und Kollegen (1991) wird sehr anschaulich der schmale Grat zwischen der Unter-, Optimal- und Überbehandlung von Sojabohnen und deren Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit von Masthühnern beschrieben. Mit zunehmender Behandlungsdauer konnte der Gehalt an TIA deutlich reduziert werden. Dieser Umstand schlug sich auch positiv im Gesamtzuwachs der Tiere wieder.

Die maximale TIA-Reduktion bringt keine optimale Leistung

Demgegenüber zeigte sich allerdings, dass eine maximale Reduktion von TIA nicht mit optimaler Leistung der Tiere einhergeht, Gewichtszuwachs und Futterverwertung waren deutlich reduziert. Diese Leistungsminderung ist der zunehmenden Hitzeschädigung der Aminosäuren zuzuschreiben und kann durch die starke Reduktion der Proteinlöslichkeit nachgewiesen werden.

Jede Sojabohne erfordert eine exakte Toastung

Aktuelle Exakt-Toastversuche und auch Fütterungsstudien verdeutlichen, dass jedes Sojaböhnchen sein Tönchen im Hinblick auf den Eintrag an Temperatur und Zeit im Zuge der Toastung erfordert, um sowohl die Über- als auch Unterprozessierung zu vermeiden. Der Gehalt an TIA, jener an Lysin und Zucker aber auch physikalische Eigenschaften der einzelnen Sojabohne (beispielsweise der Durchmesser) spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Auswirkungen auf die Nährstoffversorgung

Um die Auswirkungen für die Nährstoffversorgung der Legehenne zu beurteilen, wird folglich ein Alleinfuttermittel für Legehennen konzipiert. Dabei wurden die Getreidefuttermittel und Rationsanteile unverändert belassen, währenddessen die knapp über 40 Sojakuchen aus dem oben genannten Versuch eingesetzt wurden. Der „mittlere Sojakuchen“ der Varianten wurde zur bedarfsdeckenden Rationsgestaltung herangezogen. Bei einer konstanten Einsatzmenge von 30 % Sojakuchen in der ökologischen Legehennenration variiert der Gehalt an Protein zwischen 166 und 204 g pro kg Alleinfutter, d.h. man liegt deutlich unter beziehungsweise über den geltenden Bedarfsempfehlungen bzw. dem kalkulierten Wert (185 g/kg) (Grafik links). Dieser Effekt kann bei der essentiellen Aminosäuren Lysin wie auch bei Methionin und Cystein nachgewiesen werden. Neben einer nicht bedarfsgerechten Versorgung an diesen Aminosäuren kann hierbei ebenfalls auf ein nicht zufriedenstellendes Verhältnis der Aminosäuren zueinander („Idealprotein“) hingewiesen werden.

Starke Unterschiede bei der umsetzbaren Energie

Auf Grund des sehr unterschiedlichen Restölgehaltes in den Sojakuchen weist auch der Gehalt an umsetzbarer Energie deutliche Unterschiede zwischen den kalkulierten Rationen auf (Minimum: 11,05 MJ/kg; Maximum 11,72 MJ/kg, kalkuliert 11,23 MJ ME). Auch der Gehalt an TIA wurde dabei kalkuliert, die Anwendung des mittleren Sojakuchens zeichnet sich durch knapp 2,5 g/kg Alleinfuttermittel aus, wobei die Spanne von über 4 bis nahezu 0 g/kg reicht. Diese deutlichen Schwankungen in den Nährstoffgehalten und TIA können in deutlichen Leistungsminderungen (reduzierte Eizahl und Eigewicht) sowie einem gesteigerten Auftreten von Verhaltensstörungen (z.B. Kannibalismus) resultieren. Demgegenüber mündet eine Überversorgung mit Nährstoffen neben Stoffwechselstörungen (z.B. Fettleber) in einer Belastung der Umwelt (gesteigerte Stickstoff-Emissionen) sowie ökonomischen Einbußen.

 

Geflügelnews, Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt
Bild: Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Adobe Stock only kim

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