Die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit wird auch für die Tierhaltung immer konkreter. In der Putenmast ist man diesbezüglich schon recht gut aufgestellt. Es gibt aber noch viel Potenzial. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die Fütterung.
Wer schon länger Puten mästet, weiß, wieviel sich allein von Seiten der Zucht in Sachen Tageszunahmen, Futterverwertung und Tiergesundheit getan hat. In den vergangenen 30 Jahren erhöhten sich die Tageszunahmen um rund 20 Prozent, bei der Futterverwertung gab es eine Steigerung um zehn Prozent, die Beinstabilität wurde deutlich verbessert und die Mortalität gesenkt.
Spitzenleistungen sind nachhaltig
Diese Leistungsverbesserungen sorgen – auf den ersten Blick - für eine bessere Wirtschaftlichkeit. Auf den zweiten Blick sind sie auch Ausdruck einer gesteigerten Effizienz und damit von mehr Nachhaltigkeit – weil eben weniger Ressourcen verbraucht werden.
Die Fütterung spielte und spielt eine zentrale Rolle bei dem Bemühen, die Putenmast noch nachhaltiger zu entwickeln. Laut Johannes Große Volksbeck, AGRAVIS Nutztier GmbH, konnte der Rohproteingehalt in den Putenfuttern durch die erhöhte Zugabe von synthetischen Aminosäuren reduziert werden: „Wir haben heute ein breites Spektrum von Aminosäuren, die wir ergänzen können.“ Das bedeutet einen reduzierten Einsatz von Sojaextraktionsschrot. Die deutsche Tierproduktion ist zu 70 Prozent auf den Import von Proteinträgern angewiesen. Diese „belasten“ aber natürlich den CO2-Fußabdruck stärker als heimische Futtermittel.
Als weitere Meilensteine der Fütterung in Richtung Nachhaltigkeit nennt der Agravis-Produktmanager den Einsatz von Phytase und NSP-Enzymen im Geflügelfutter. Hierüber wird die Verdaulichkeit bestimmter Kohlenhydrate und Phosphor deutlich angehoben. Ebenso habe die verbesserte Rohwarenbewertung durch NIR-Analysen dazu geführt, dass „passgenau“ nach dem Bedarf der Tiere gefüttert werden kann.
Mengen fehlen bei heimischen Eiweißträgern
Für die Zukunft sieht Große Volksbeck weiteres Potenzial zur Senkung des CO2-Fußabdruckes in der Putenmast: „Die Zuchtziele 2030 sprechen von 171 g Tageszunahme und einer Futterverwertung von 1:2,07 (140 Tage). Das allein würde einer Reduzierung des aktuellen CO2-Fußabdruckes der Pute von 15 Prozent entsprechen.“. Im stärkeren Einsatz von heimischen Proteinfuttermitteln wie Raps, Erbsen oder Sonnenblumen ergebe sich ein weiteres Minderungspotenzial von elf Prozent. Gerade Sonnenblumen seien auch aus ernährungsphysiologischer Sicht sehr interessant. Das Problem bei den heimischen Proteinfuttermitteln ist die nach wie vor fehlende Verfügbarkeit von Ware. In einer weiteren Absenkung des Rohproteingehaltes (bei stärkerem Zusatz von Aminosäuren) sieht Große Volksbeck ein Potenzial von minus neun Prozent für den CO2-Fußabdruck.
Haltungsstufe 3 braucht schnellwachsende Herkünfte
Aktuell wird hierzulande viel über die höheren Haltungsstufen bei Nutztieren diskutiert, bei Puten speziell über die Haltungsstufe 3. Der Fütterungsfachmann betont, dass die schnell wachsenden Putenherkünfte auch für die extensivere Haltungsstufe 3 unverzichtbar sind – ohne sie lassen sich die genannten Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit nicht realisieren.
Die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit kommt heute sowohl von politischer Seite als auch von Verbraucherseite. Was das für ein Unternehmen wie die AGRAVIS Nutztier GmbH und für die Putenmäster als deren Kunden heißt, berichtet Valentin Schulze Spüntrup. Er verantwortet das Geschäftsfeld Geflügel: „Das Thema rollt auf uns alle zu“, sagt er.
Viele Unternehmen wollen CO2 reduzieren
Auf politischer Seite kommt der Druck von der EU, der „Green Deal“ hat Klimaneutralität bis 2050 zum Ziel. Dies hat verschiedene Vorgaben für Unternehmen zur Folge. Daneben haben sich schon heute viele Unternehmen auch in Deutschland freiwillig bereit erklärt, ihre CO2-Abdrücke zu verringern („Science Based Targets“). Dazu gehören auch die großen Ketten des Lebensmittelhandels. Der Druck zu mehr Nachhaltigkeit kommt also auch aus der Lieferkette.
Gefragt sind dann zum Beispiel Putenfleischprodukte mit reduziertem CO2-Fußabdruck. „Dann kommt an uns die Anfrage nach Futter mit reduziertem CO2-Wert“, so Schulze Spüntrup. Um hier vergleichbar zu sein, sollten alle Unternehmen mit einheitlichen Berechnungsmaßstäben arbeiten, fordert er.
Geflügelerzeugung braucht sich nicht verstecken
Beide Agravis-Mitarbeiter sehen die Branche gefordert, das Thema Nachhaltigkeit noch viel stärker gegenüber den Verbrauchern zu kommunizieren: „Die Geflügelfleischerzeugung in Deutschland braucht sich nicht zu verstecken, sie ist schon sehr nachhaltig. Das muss kommuniziert werden und könnte für mehr Akzeptanz sorgen.“
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