Gentechnik: Teufelszeug oder hilfreiches Mittel in der Zukunft der Hühnerzucht?

03 Mai 2024
Legehenne
Genschere Jacqueline

CRISPR/Cas, Genome Editing und Grüne Gentechnik 2.0 sind Schlagwörter, die man im Zusammenhang mit dem Begriff „Gentechnik“ immer häufiger hört. „Viele betrachten die Gentechnik als Teufelszeug“, sagt Prof. Dr. Rudolf Preisinger von der EW Group. Auf der 26. Vortragstagung für Legehennenhalter am 18. April 2024 in Kloster Nimbschen bei Grimma schaute er in die Zukunft der Legehennenzucht.

„Wir haben in Deutschland eine besondere Einstellung zur Gentechnik“, eröffnete Prof. Preisinger seinen Vortrag. Häufig würden Techniken wie die Genschere (CRISPR/Cas) oder das Genome Editing, bei dem gentechnische Veränderungen mittels biologischer Werkzeuge (Proteine oder RNS) präzise im Genom platziert werden könnten, als Teufelszeug verdammt. Doch die Pflanzenzüchter intensivierten bereits die Diskussion über den Einsatz der Grünen Gentechnik und auch für Tierzüchter sei die Zeit gekommen, die Vor- und Nachteile der Gentechnik gegeneinander abzuwägen. In der technischen Umsetzung sei man schließlich inzwischen ein großes Stück vorangekommen.

„Wir haben jetzt bessere Werkzeuge und wissen, was wir tun“, sagte Preisinger. Auch das EU-Parlament sei dieser Auffassung und wolle Pflanzen, die mit den so genannten neuen Techniken gezüchtet würden, zukünftig einfacher zulassen. „Und was bei den Pflanzen funktioniert, könnte auch bei den Tieren irgendwann zur Anwendung kommen“, erklärte Preisinger. „Wir sollten hier schon einmal über den Tellerrand schauen.“

Absolute Grundlagenforschung

Doch warum könnte die Gentechnik auch in der Tierzucht Vorteile bringen? Und warum könnten gentechnisch veränderte Eier nützlich sein?
Es sei vorstellbar, so Preisinger, Geflügel mittels Gentechnik resistent gegen Influenza (HPAI) zu machen – eine Hoffnung bringende Vorstellung. Auch zur Erhöhung der Effizienz der Impfstoffproduktion für die Humangrippe könne die Gentechnik einen wichtigen Beitrag leisten, denn bekanntermaßen würde der Impfstoff gegen die Humangrippe auf Basis von Hühnereiern produziert. Ein weiteres Anwendungsbeispiel sei die Verbesserung der Leistungseigenschaften von Legehennen.

Noch sei man über den Status der absoluten Grundlagenforschung allerdings nicht hinausgekommen, erklärte Preisinger. Die Anwendung der Gentechnik sei beim Huhn sehr aufwendig und kompliziert. Man müsse die Eier zunächst zwei Tage bebrüten, die Schale öffnen und dann „am offenen Herzen operieren“, erklärte Preisinger das Grundprinzip: „Man entnimmt am zweiten Bruttag Blut, kultiviert im Labor daraus Zellen und manipuliert oder verändert diese Zellen. Dann vermehren sich diese weiter und werden schließlich in andere Empfängerembryonen injiziert.“ Man hoffe, dass die injizierten Zellen die körpereigenen Zellen verdrängen und gewünschte Eigenschaften hervorbringen. „Im großen Stil ist das jedoch nicht zu machen“, sagte Prof. Preisinger. „Man würde immens viele Eier benötigen, um solch einen Plan umzusetzen.“ Außerdem kenne man bei den allermeisten Krankheiten die Genorte nicht, die für die Vererbung zuständig sind.

Und dann sei da noch der Krankheitserreger selbst, der der Gentechnik ein Schnippchen schlage. In Schottland sei es Forschern gelungen, das Genom von Hühnern so zu verändern, dass die daraus gezüchteten Tiere theoretisch weniger anfällig gegen Vogelgrippe sind. Das Ergebnis: Die Viren hätten sich eine andere Einrückstelle gesucht und die Hühner seien trotzdem erkrankt. Hier habe man also noch viel Arbeit vor sich.

Genome Editing: Was wäre, wenn nur noch Hennen schlüpfen?

Auch bei der Verbesserung der Leistungseigenschaften mittels Gentechnik gerate man derzeit an Grenzen. Das liege unter anderem daran, dass diese Eigenschaften an mehreren Genorten auf einmal lokalisiert seien und man diese verschiedenen Genorte erst ausfindig machen müsse.

Neben CRISPR (Cas) sei das Genome Editing ein sehr interessanter gentechnischer Ansatz, sagte Preisinger. Mit ihm könne man beispielsweise bewirken, dass aus Bruteiern nur noch Hennen schlüpfen. Hierzu liefen erfolgreich Versuche in Israel.
Bei allem Fortschritt sei es jedoch auch wichtig, eventuelle Risiken der Anwendungen im Hinterkopf zu haben und zu prüfen, ob es auch unbeabsichtigte Veränderungen gibt, warnte Prof. Preisinger.

Text:
Cordula Moebius

Cordula Moebius

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Bild: Adobe_Stock_Jacqueline Weber

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