In den Niederlanden nimmt die Zahl der Masthähnchenherden mit durch Reoviren verursachter Tendinitis (Sehnenentzündung) zu. Diese Anomalie wird auch als Reovirus-Tenosynovitis bezeichnet. Die Erkrankung führt zu einer deutlich höheren Futterverwertung, einem wesentlich geringeren Wachstum und kann zu deutlich höheren Verwerfungsraten führen. Der finanzielle Schaden für die betroffenen Masthähnchenhalter ist enorm. Die Reovirus-Tenosynovitis kann nicht mit einem Antibiotikum behandelt werden. "Hygiene und Impfung der Masthähnchen-Elterntiere sind die einzigen Waffen", sagt Geflügeltierarzt Christiaan ter Veen.
Es gibt viele Reoviren, aber nicht jeder Typ ist pathogen. Im Jahr 2023 gab es in den Niederlanden jedoch 216 Masthähnchenherden, in denen eine durch Reoviren verursachte Tendinitis auftrat. Das war ein starker Anstieg im Vergleich zu 2022. "Die Zahl der Fälle im ersten Quartal dieses Jahres ist noch nicht bekannt, scheint aber ähnlich zu sein wie 2023", sagt Christiaan ter Veen. Er ist Geflügeltierarzt und Experte für Reoviren innerhalb des niederländischen Tiergesundheitsdienstes (Royal GD).
Die Reovirus-Tenosynovitis ist ein wachsendes Problem in der niederländischen Broilerindustrie. Auch im Jahr 2020 gab es einen sprunghaften Anstieg der Tenosynovitis aufgrund von Reoviren mit 62 bestätigten Ausbrüchen bei Masthähnchen. In den folgenden Jahren war die Zahl der Infektionen mit 11 im Jahr 2021 und sechs im Jahr 2022 deutlich geringer.
Die Weitergabe von Antikörpern
Nur einige der bei Hühnern vorkommenden Reoviren können auch Krankheiten verursachen. So gibt es beispielsweise Stämme, die zu Sehnenscheidenentzündungen verursachen führen, andere zu Darmproblemenn. "Sehnenscheidenentzündungen wurden in den letzten Jahren sowohl bei normalen als auch bei langsamer wachsenden Masthähnchen festgestellt“, sagt Ter Veen. „Darüber hinaus sind auch Aufzucht-Mastelterntiere und Aufzucht-Legehennen von dem Virus betroffen."
Mastelterntiere werden gegen Reoviren geimpft und können die gebildeten Antikörper über das Ei an die Nachkommen weitergeben. Diese Antikörper geben den Masthähnchen zu Beginn der Aufzucht einen Schutz. Trotz der Impfung der Elterntiere treten im späteren Verlauf eines Durchgangs - in der Regel ab einem Alter von etwa vier Wochen, oft aber auch bei 10 Tage alten Küken - regelmäßig Probleme durch Reoviren auf. Bei der Reovirus-Tenosynovitis bekommen die Küken eine Sehnenscheidenentzündung und in der Folge dicke Laufsehnen. "Ein Masthähnchenzüchter sieht dann eine erhöhte Anzahl lahmer Küken. Infolgedessen werden die Küken weniger aktiv, die Futteraufnahme sinkt und das Wachstum verzögert sich. Dies führt zu einer höheren Futterverwertung und kann deutlich höhere Verwerfungsraten zur Folge haben", erklärt Ter Veen.
Da es sich beim Erreger um ein Virus handelt, ist eine Behandlung mit einem Antibiotikum nicht möglich. Wenn eine Herde von Reovirus-Tenosynovitis betroffen ist, kann man oft nicht viel dagegen tun. "Schmerzmittel können die Tiere eine Zeit lang auf den Beinen und beim Fressen halten, aber bei längerer Anwendung lässt die Wirkung nach. Deshalb verpasst man eine Menge Wachstum. Es ist oft eine Sache der Abwägung, ob es sinnvoll ist, die Herde zu behalten oder sie frühzeitig zu schlachten", sagt Ter Veen.
Neuer Stamm
Warum die Reovirus-Tenosynovitis im letzten Jahr so häufig diagnostiziert wurde, bleibt für den Tiergesundheitsdienst ein Rätsel. Die Impftiter der Muttertiere unterscheiden sich nicht von denen der Vorjahre. Dennoch gibt es laut Ter Veen noch Raum für Verbesserungen. "Anfang letzten Jahres entdeckte die GD, dass ein neuer Stamm des Reovirus in einem sehr hohen Anteil der Infektionen in diesem Zeitraum vorhanden war. Die Frage ist, inwieweit die Impfstoffe den derzeit dominierenden Stamm abdecken", sagte er.
Der neue Stamm hat sich in der Branche rasch ausgebreitet und große Schäden angerichtet. "Die Zunahme der Ausbrüche könnte darauf zurückzuführen sein, dass sich dieser neue Stamm leichter ausbreitet als andere Stämme. Es könnte auch sein, dass dieser Stamm pathogener ist, dass das Virus mit den üblichen Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen schwerer abzutöten ist oder dass die vorhandenen Impfstoffe weniger Schutz gegen diesen Stamm bieten", zählt Ter Veen die möglichen Ursachen auf.
Interessanterweise werde das Virus in einer Reihe von Betrieben Durchgang für Durchgang nachgewiesen und verursache wiederkehrende Infektionen. In vier der fünf Broilerbetriebe mit wiederkehrenden Infektionen scheine das Reovirus einen Durchgang übersprungen zu haben. "Es kann sein, dass es hier eine Neueinschleppung gegeben hat. Eine andere Möglichkeit ist, dass das Virus zunächst von einem anderen Reovirus verdrängt wurde, aber im Stall verblieb, um dann einen Durchgang später wieder aufzutauchen", skizziert Ter Veen. "Das wiederholte Auftreten von Problemen bei aufeinanderfolgenden Durchgängen mit demselben Reovirusstamm zeigt, dass eine gute Reinigung und Desinfektion immer wichtig ist, also nicht nur nach einem Durchgang mit klinischer Erkrankung", betont er.
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