Niederlande: Erheblicher finanzieller Verlust für Masthähnchenhalter durch Reovirus

07 Mai 2024
Masthuhn
Reovirus

In den Niederlanden nimmt die Zahl der Masthähnchenherden mit durch Reoviren verursachter Tendinitis (Sehnenentzündung) zu. Diese Anomalie wird auch als Reovirus-Tenosynovitis bezeichnet. Die Erkrankung führt zu einer deutlich höheren Futterverwertung, einem wesentlich geringeren Wachstum und kann zu deutlich höheren Verwerfungsraten führen. Der finanzielle Schaden für die betroffenen Masthähnchenhalter ist enorm. Die Reovirus-Tenosynovitis kann nicht mit einem Antibiotikum behandelt werden. "Hygiene und Impfung der Masthähnchen-Elterntiere sind die einzigen Waffen", sagt Geflügeltierarzt Christiaan ter Veen.

Es gibt viele Reoviren, aber nicht jeder Typ ist pathogen. Im Jahr 2023 gab es in den Niederlanden jedoch 216 Masthähnchenherden, in denen eine durch Reoviren verursachte Tendinitis auftrat. Das war ein starker Anstieg im Vergleich zu 2022. "Die Zahl der Fälle im ersten Quartal dieses Jahres ist noch nicht bekannt, scheint aber ähnlich zu sein wie 2023", sagt Christiaan ter Veen. Er ist Geflügeltierarzt und Experte für Reoviren innerhalb des niederländischen Tiergesundheitsdienstes (Royal GD).

Die Reovirus-Tenosynovitis ist ein wachsendes Problem in der niederländischen Broilerindustrie. Auch im Jahr 2020 gab es einen sprunghaften Anstieg der Tenosynovitis aufgrund von Reoviren mit 62 bestätigten Ausbrüchen bei Masthähnchen. In den folgenden Jahren war die Zahl der Infektionen mit 11 im Jahr 2021 und sechs im Jahr 2022 deutlich geringer.

Die Weitergabe von Antikörpern

Nur einige der bei Hühnern vorkommenden Reoviren können auch Krankheiten verursachen. So gibt es beispielsweise Stämme, die zu Sehnenscheidenentzündungen verursachen führen, andere zu Darmproblemenn. "Sehnenscheidenentzündungen wurden in den letzten Jahren sowohl bei normalen als auch bei langsamer wachsenden Masthähnchen festgestellt“, sagt Ter Veen. „Darüber hinaus sind auch Aufzucht-Mastelterntiere und Aufzucht-Legehennen von dem Virus betroffen."

Mastelterntiere werden gegen Reoviren geimpft und können die gebildeten Antikörper über das Ei an die Nachkommen weitergeben. Diese Antikörper geben den Masthähnchen zu Beginn der Aufzucht einen Schutz. Trotz der Impfung der Elterntiere treten im späteren Verlauf eines Durchgangs - in der Regel ab einem Alter von etwa vier Wochen, oft aber auch bei 10 Tage alten Küken - regelmäßig Probleme durch Reoviren auf. Bei der Reovirus-Tenosynovitis bekommen die Küken eine Sehnenscheidenentzündung und in der Folge dicke Laufsehnen. "Ein Masthähnchenzüchter sieht dann eine erhöhte Anzahl lahmer Küken. Infolgedessen werden die Küken weniger aktiv, die Futteraufnahme sinkt und das Wachstum verzögert sich. Dies führt zu einer höheren Futterverwertung und kann deutlich höhere Verwerfungsraten zur Folge haben", erklärt Ter Veen.

Da es sich beim Erreger um ein Virus handelt, ist eine Behandlung mit einem Antibiotikum nicht möglich. Wenn eine Herde von Reovirus-Tenosynovitis betroffen ist, kann man oft nicht viel dagegen tun. "Schmerzmittel können die Tiere eine Zeit lang auf den Beinen und beim Fressen halten, aber bei längerer Anwendung lässt die Wirkung nach. Deshalb verpasst man eine Menge Wachstum. Es ist oft eine Sache der Abwägung, ob es sinnvoll ist, die Herde zu behalten oder sie frühzeitig zu schlachten", sagt Ter Veen.

Neuer Stamm

Warum die Reovirus-Tenosynovitis im letzten Jahr so häufig diagnostiziert wurde, bleibt für den Tiergesundheitsdienst ein Rätsel. Die Impftiter der Muttertiere unterscheiden sich nicht von denen der Vorjahre. Dennoch gibt es laut Ter Veen noch Raum für Verbesserungen. "Anfang letzten Jahres entdeckte die GD, dass ein neuer Stamm des Reovirus in einem sehr hohen Anteil der Infektionen in diesem Zeitraum vorhanden war. Die Frage ist, inwieweit die Impfstoffe den derzeit dominierenden Stamm abdecken", sagte er.

Der neue Stamm hat sich in der Branche rasch ausgebreitet und große Schäden angerichtet. "Die Zunahme der Ausbrüche könnte darauf zurückzuführen sein, dass sich dieser neue Stamm leichter ausbreitet als andere Stämme. Es könnte auch sein, dass dieser Stamm pathogener ist, dass das Virus mit den üblichen Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen schwerer abzutöten ist oder dass die vorhandenen Impfstoffe weniger Schutz gegen diesen Stamm bieten", zählt Ter Veen die möglichen Ursachen auf.

Interessanterweise werde das Virus in einer Reihe von Betrieben Durchgang für Durchgang nachgewiesen und verursache wiederkehrende Infektionen. In vier der fünf Broilerbetriebe mit wiederkehrenden Infektionen scheine das Reovirus einen Durchgang übersprungen zu haben. "Es kann sein, dass es hier eine Neueinschleppung gegeben hat. Eine andere Möglichkeit ist, dass das Virus zunächst von einem anderen Reovirus verdrängt wurde, aber im Stall verblieb, um dann einen Durchgang später wieder aufzutauchen", skizziert Ter Veen. "Das wiederholte Auftreten von Problemen bei aufeinanderfolgenden Durchgängen mit demselben Reovirusstamm zeigt, dass eine gute Reinigung und Desinfektion immer wichtig ist, also nicht nur nach einem Durchgang mit klinischer Erkrankung", betont er.

Eine normale, gesunde Sehne eines Masthähnchens.

Nacktes Virus

Nach Ansicht des Geflügeltierarztes ist es wichtig, Probleme in der nächsten Herde zu vermeiden. "Da es sich bei dem Reovirus um ein so genanntes 'nacktes Virus' handelt, kann es die Zeit der Leere leichter überstehen als viele andere Viren. Das liegt daran, dass nackte Viren keine äußere Fettschicht haben. Viren, die diese äußere Schicht haben, lassen sich relativ leicht durch fettabtötende Mittel abtöten. Bei Reoviren ist dies etwas schwieriger. Eine gute Reinigung und Desinfektion mit Rücksicht auf die nackten Viren ist daher für dieses Virus wichtig."

"Reoviren sind empfindlich gegenüber Wasserstoffperoxid, auch in Kombination mit Essigsäure; Glutaraldehyd, auch in Kombination mit quartären Ammoniumverbindungen oder Formaldehyd (flüssig und gasförmig), auch in Kombination mit Glutaraldehyd und quartären Ammoniumverbindungen." Es ist jedoch wichtig, dass eine ordnungsgemäße Reinigung erfolgt ist, damit die vorhandenen Reoviren vom Desinfektionsmittel erreicht werden können. Darüber hinaus rät Ter Veen, die Küken mit reichlich maternalen Antikörpern aufzuziehen - das sind die Antikörper, die die Küken von ihren Müttern im Ei erhalten -, um einen zusätzlichen Schutz zu gewährleisten. Die Impfung während der Elternaufzucht ist hier sehr wichtig, um zu verhindern, dass das Virus mit den Eintagsküken reist. Der letztgenannte Weg scheint bei den aktuellen Ausbrüchen nicht der wichtigste zu sein, aber er könnte durchaus eine Rolle spielen.

Vorbeugung

Masthähnchenhalter können die Viruseinschleppung durch Hygienemaßnahmen verhindern. "Eine gute Hygieneschleuse mit Dusche, stallspezifische Kleidung und stallspezifisches Schuhwerk sind eine Grundvoraussetzung dafür. Außerdem sollte man verhindern, dass das Virus über Materialien in den Stall gelangt."

Allerdings lässt sich die Einschleppung nicht immer verhindern. Wenn das Virus im Alter von wenigen Wochen in den Stall gelangt, infiziert sich die Herde, aber oft werden keine Lahmheiten festgestellt. Wenn die Umgebung mit dem Virus infiziert wird, besteht die Gefahr, dass sich die nächste Herde in einem jüngeren Alter infiziert und klinisch erkrankt. "Eine gute Reinigung und Desinfektion, die auf nackte Viren abzielt, ist daher immer wichtig, auch wenn es keine Probleme gibt", meint Ter Veen.

Die so genannte vertikale Übertragung - von den Elterntieren - kann von einem Masthähnchenhalter nicht verhindert werden. Für Zuchtbetriebe gelten die gleichen Hygienemaßnahmen wie für Mastbetriebe, um eine Infektion zu verhindern. Masthähnchen-Elterntiere werden während der Aufzucht standardmäßig gegen das Reovirus geimpft, um den so genannten maternalen Schutz zu fördern.

Großer finanzieller Schaden

Ter Veen hat keinen Einblick in den finanziellen Schaden der Reovirus-Tenosynovitis bei Masthähnchen. In Frankreich wurden 2014 Stämme gefunden, bei denen das verwendete Impfschema keinen ausreichenden Schutz gegen Tendinitis bot. In Masthähnchenherden, in denen diese Stämme gefunden wurden, kam es zu Wachstumsverzögerungen, Verlusten von durchschnittlich 20 Prozent der Tiere durch Selektion und Verwerfungen und 7 Prozent teilweise verworfenen Schlachtkörpern. Der finanzielle Schaden war immens. In den Niederlanden gab es im letzten Jahr auch Bestände mit Reovirus-Tenosynovitis, bei denen die Verwerfungsrate sprunghaft auf mehrere Prozent anstieg. In einem Betrieb mit 90.000 konventionellen Masthähnchen mit einem durchschnittlichen Liefergewicht von 2,5 Kilogramm pro Stück verursacht ein zusätzlicher Ausschuss von 1,5 Prozent bereits einen finanziellen Schaden von 4.000 Euro pro Durchgang.

Tom Schotman
Bild: Susan Rexwinkel

Reagieren

Geflügelnews lädt Sie ein, auf Artikel zu reagieren und schätzt Reaktionen mit Inhalt. Die Redaktion behält sich das Recht vor, beleidigende oder kommerziell motivierte Reaktionen ohne Angabe von Gründen zu entfernen.