Interview: "Gumboro-Viren lauern immer mal wieder!"

09 April 2024
Stallmanagement
Gumboro

Wenn Junghennen oder Mastgeflügel plötzlich apathisch wirken, das Gefieder struppig wird und vielleicht Durchfall auftritt, kann Gumboro Ursache sein – trotz regelmäßiger Impfungen. Auch das Impfmanagement ist dann ggf. zu prüfen, sagt Tierärztin Carmen Sanmartin*.

 

Dr. Sanmartin, wie häufig ist Gumboro in Deutschland?

Gumboro, auch infektiöse Bursitis oder IBD (=Infectious Bursal Disease) genannt, gehört zu den Top 5 der Geflügelkrankheiten. Der Erreger ist sehr widerstandsfähig und wird häufig nicht richtig entdeckt. Die Infektion schwächt nicht nur die Tiere, sondern beeinflusst sehr stark die Wirtschaftlichkeit der Geflügelproduktion. Gerade in geflügeldichten Regionen kommt Gumboro immer mal wieder vor.

Sekundärinfektionen erfordern dann ggf. einen hohen Einsatz von Antibiotika, was wir nicht mehr wollen. Die Behandlung der Tiere kostet natürlich auch eine Menge Geld. Selbst wenn die Tiere wieder gesunden, sind sie in ihrer Leistung eingeschränkt. Schlechte Zunahmen und Verwürfe bei Masttieren, eine niedrige Uniformität und schlechte Impfantworten bei Junghennen sind die Konsequenzen von Gumboro-Infektionen.

Was löst Gumboro aus?

Auslöser der Erkrankung ist eine Infektion mit dem Virus der infektiösen Bursitis, Avibirnaviridae. Das ist ein unbehülltes Virus, das die Bursa fabricii infiziert. Dieses Organ ist als Teil des Immunsystems für Geflügel sehr wichtig. Es befindet sich in der Kloake und ist nur bei Jungvögeln aktiv.  

Ist die Bursa fabricii vom Virus befallen wird, ist das Immunsystem geschwächt, was weiteren Erregern Tür und Tor öffnet. Das führt zu Sekundärinfektionen und bei unzureichend geschützten Herden zu hohen Mortalitäten. Das Virus wird über den Kot ausgeschieden und über Gerätschaften, kontaminierte Einstreu, aber auch über Schuhe und weitere Vektoren wie den Getreideschimmelkäfer verbreitet.

Das Virus ist unbehüllt. Behüllte Viren wie Influenza- oder Coronaviren lassen sich leichter bekämpfen, weil wir die Hülle mit einfacher Seife oder Alkohol kaputt machen können und damit ist auch das Virus kaputt. Das funktioniert beim Gumboro-Virus nicht.

Gibt es Risikofaktoren?

Ja. Langsam wachsende Rassen sind stärker betroffen als schnell wachsende Rassen. Auch die Legelinien sind empfänglicher, und innerhalb der Linien sind die weißen Junghennen gefährdeter. Deshalb sind häufig auch Biobetriebe stärker betroffen. Ein Risikofaktor ist auch das Alter der Tiere. Nur zwischen zwei und acht Wochen alte Jungtiere können erkranken, weil es die Bursa fabricii nur bis zur Geschlechtsreife gibt. Ob die Tiere schwer erkranken, liegt auch an den weiteren Erregern in ihrer Umwelt, von daher ist Hygiene auch ein wichtiger Faktor genauso wie Stress.

Wie zeigt sich die Erkrankung?

Die Inkubationszeit beträgt 18 bis 24 Stunden. Die Tiere werden schnell apathisch, teilnahmslos, zeigen struppiges Gefieder, haben eventuell Durchfall. Die Symptome sind sehr unspezifisch. Veränderungen der Bursa fabricii weisen recht eindeutig auf die Infektion hin, bei hochinfektiösen Virusstämmen kann es auch zu Einblutungen in die Muskulatur kommen. Meistens sterben die Tiere dann aber nicht an Gumboro, sondern an den Sekundärinfektionen. Wenn das Immunsystem durch Gumboro zerstört ist, kann es auch nicht mehr auf andere Impfungen reagieren.
Ein weiteres Problem entsteht, wenn sich junge Tiere in den ersten zwei Lebenswochen infizieren. Dann zeigen sie keine akuten Symptome. Wir wundern uns nur, warum die Tiere so oft krank sind und nicht wie gewohnt auf die Therapie gut reagieren. Das kommt durch das geschädigte Immunsystem. Wir sehen in der Sektion sehr kleine Bursen, das heißt, dass das Virus vorbeigerauscht ist. Ein Virusnachweis ist oft nicht möglich.

Wie lassen sich die Tiere schützen?

Mit der Impfung können wir die jungen Tiere schützen. Dafür brauchen wir einen hohen maternalen Schutz. Deshalb impft man die Elterntiere. Etwa ab der zweiten Lebenswoche reduzieren sich die maternalen Antikörper, dadurch öffnet sich dann eine Lücke im Impfschutz. Deshalb impfen wir auch die jungen Küken.

Das geht etwa über Lebendimpfstoffe, die über das Trinkwasser verimpft werden. Dabei ist der Zeitpunkt ganz wichtig, weil die maternalen Antikörper den Lebendimpfstoff unwirksam machen können. Bei Broilern ist der beste Zeitpunkt in der Regel zwischen Tag 15 bis 18 bei einem milden Impfstamm, bei „stärkeren“ Impfstämme kann man früher impfen.

Bei den Legelinien impft man in der dritten bis zur fünften Lebenswoche hinein. Ich empfehle immer, den Zeitpunkt richtig zu bestimmen. Das geht mit einer Blutuntersuchung am zweiten oder dritten Lebenstag, mit der die Höhe der maternalen Antikörper bestimmt wird.

Die Brütereien geben eine Empfehlung für den richtigen Impfzeitpunkt. Diese Empfehlungen kann man immer mal wieder diagnostisch absichern, vor allem, wenn man den Verdacht hat, dass die Impfung nicht richtig gewirkt hat. Man kann auch im Ei impfen oder am ersten Lebenstag. Mittlerweile gibt es mehrere Impfstoffe, die trotz maternaler Antikörper gut wirken.

Worauf ist beim Management zu achten?

Wenn man häufig bakterielle Infektionen bei den Jungtieren hat, zum Beispiel E. coli, sollte man auch an Gumboro denken und die Impfung überprüfen. Eine gute und regelmäßige Diagnostik ist das A und O. Denn selbst wenn man impft, kann durch Fehler dabei der Impfschutz nicht funktionieren.

Man sollte sich und seine Handlungen immer mal wieder kritisch hinterfragen. Bei Trinkwasserimpfungen kann man recht viel falsch machen. Das Wasser muss klar und kalt sein, es darf kein Desinfektionsmittel in den Leitungen sein, die Tiere müssen alle gleichzeitig ans Trinken gehen und innerhalb von zwei Stunden die definierte Menge aufnehmen. Nach zwei Stunden ist die Impfung nicht mehr wirksam. Der Impfstoff muss auch in der vorgegebenen Zeit in der Tränke ankommen, was bei großen Ställen nicht immer klappt. Ein blauer Wasserzusatz bzw. Wasserstabilisator macht den Impfstoff sichtbar.

Auch dieses Vorgehen sollte man immer mal wieder überprüfen. Dazu eignet sich eine Blutuntersuchung etwa drei Wochen nach der Impfung, um den Antikörperstatus der Tiere zu ermitteln. Die Stichprobe sollte bei großen Ställen 20 Blutproben von Tieren aus allen Stallbereichen umfassen. Auch wenn das Virus widerstandsfähig ist, sind Biosicherheit und Hygiene ganz wichtig, um den Infektionsdruck zu reduzieren.


*Carmen Sanmartin ist Fachtierärztin für Geflügel in der Tierarztpraxis Dr. Henning Weiß in Rot am See (Baden-Württemberg).

 

Dr. Heike Engels/Aus dem „Hoftierarzt“
Bild: Adobe_Stock_Countrypixel

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