Immer mehr Menschen in Deutschland zeigen sich gegenüber sogenanntem kultiviertem Fleisch aufgeschlossen. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, die im Auftrag des Digitalverbandes Bitkom durchgeführt wurde. Demnach kann sich jede und jeder Fünfte vorstellen, Kulturfleisch aus dem 3D-Drucker zu essen. Laut Bitkom ist die Offenheit der Bundesbürger für die Technologie gewachsen; vor vier Jahren lag der Wert erst bei 13 %. Die Weltbauernorganisation dagegen lehnt kultiviertes Fleisch und andere Labornahrungsmittel ab.
Bei der Bitkom-Befragung gaben allerdings 57 % der Befragten an, dass Fleisch aus dem 3D-Drucker auf keinen Fall auf ihren Tellern landen werde, wohingegen 16 % es „eher nicht“ essen wollen. Immerhin 24 % der Befragten teilten die Einschätzung, dass kultiviertes Fleisch zu einer nachhaltigeren Lebensmittelproduktion beitragen kann.
Die Meinungsforscher hatten dafür 1 002 Personen in Deutschland über 16 Jahren telefonisch befragt. Kulturfleisch ist eine aus tierischen Zellen im Labor kultivierte Alternative zu herkömmlichem Fleisch, das am Ende mithilfe von Lebensmitteldruckern in eine „gewohnte Form“ gebracht werden kann. Erste Produkte sind zwar in einigen Teilen der Welt genehmigt und in kleinem Umfang zum Verzehr erhältlich, aber ein Massenmarkt kann derzeit nicht bedient werden.
Dagegen!
Die Weltbauernorganisation (WFO), die weltweit über 1,2 Milliarden Landwirte vertritt, wendet sich gegen die Einführung von im Labor erzeugten Lebensmitteln als Alternative zu den von Landwirten hergestellten Lebensmitteln. Dies untergrabe die Tradition, die Vielfalt, den Reichtum und die Qualität der bäuerlichen Lebensmittel und ersetze sie durch homogene Lebensmittel.
In einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier unterstreicht die WFO die Bedeutung einer nachhaltigen Landwirtschaft und äußert ihre Besorgnis über die möglichen Auswirkungen von im Labor gezüchteten Lebensmitteln wie Zuchtfleisch auf die globale Ernährungssicherheit, die Lebensmittelsicherheit und die menschliche Gesundheit, das kulturelle Erbe und die Lebensgrundlage von Bauerngemeinschaften.
Marketingkampagnen für kultiviertes Fleisch
Laborgezüchtete Lebensmittel, d. h. Stoffe, die in Labors für den menschlichen Verzehr hergestellt werden, werden aus Gewebe oder Zellen gewonnen und kommen in der Natur nicht in großem Umfang vor, so die WFO. Darüber hinaus ist die Bauernorganisation der Ansicht, dass die Labornahrungsmittel durch Marketingkampagnen unterstützt werden, die den Mythos einer größeren Nachhaltigkeit im Vergleich zur Landwirtschaft verstärken.
Die WFO verwies auf den jüngsten Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit dem Titel "Food Safety Aspects of Cell-Based Food" (Aspekte der Lebensmittelsicherheit bei zellbasierten Lebensmitteln), aus dem hervorgehe, dass es keine zuverlässigen Beweise für einen Vergleich von Zellnahrungsmitteln mit landwirtschaftlich erzeugten Lebensmitteln gebe.
Unbewiesene Behauptungen
Es gebe noch viel zu bedenken über den Nährwert und die langfristigen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, so die WFO. Außerdem müssten die Behauptungen über den geringeren Land- und Wasserverbrauch, die Verringerung der Treibhausgasemissionen, das Wohlergehen der Tiere und die Verringerung des Risikos von Zoonosen erst noch bewiesen werden. Erst kürzlich wurde aufgedeckt, dass kultiviertes Fleisch aufgrund des enormen Energieaufwands, der für die Produktion von kultiviertem Fleisch erforderlich ist, einen größeren Kohlenstoff-Fußabdruck hat als Fleisch.
Die WFO ist der Ansicht, dass die Rolle der Landwirte bei der Gestaltung widerstandsfähiger und nachhaltiger Lebensmittelsysteme entscheidend ist. Um Nachhaltigkeit zu erreichen, müssen verschiedene Anbausysteme berücksichtigt, Einbeziehung und Transparenz gewährleistet sowie Forschung und Innovation unter Wahrung der Tradition gefördert werden.
Aufruf zur Zusammenarbeit
Die Weltbauernorganisation ruft zur Zusammenarbeit zwischen Landwirten, Forschern und Akteuren der Wertschöpfungskette auf, um künftige Herausforderungen anzugehen, innovative Verfahren zu entwickeln und nachhaltige Lösungen für die Erzeugung, Verarbeitung, Verteilung und den Konsum von Lebensmitteln zu finden. Stärkere Verbindungen zwischen Verbrauchern, politischen Entscheidungsträgern und landwirtschaftlichen und ländlichen Gemeinschaften, um ein besseres Verständnis für die Vorteile der Landwirtschaft, einschließlich der Tierhaltung, zu fördern.
Homogenes Lebensmittelmodell
Ausgehend von diesen Annahmen spricht sich die WFO entschieden dagegen aus, von Landwirten erzeugte Lebensmittel durch im Labor gezüchtete Lebensmittel zu ersetzen. Ersatzprodukte würden die Arbeit und den Beitrag der Landwirte zur Nachhaltigkeit verleugnen und die Verbraucher in Richtung eines homogenen Lebensmittelmodells drängen, das Tradition, Vielfalt, Reichtum und Qualität untergräbt und infolgedessen einzigartige regionale Lebensmittelsysteme auf dem gesamten Planeten letztendlich verschwinden lassen könnte.
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