Nach Auffassung von Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, hat man sich mit der Aufzucht von Bruderhähnen in Deutschland ein neues Tierschutzproblem geschaffen. Im dritten Teil des Interviews mit Geflügelnews und Caspar von der Crone, CD Consulting, erläutert er warum.
„Das Großhungern von Bruderhähnen lehnen wir ab!“
Caspar von der Crone, CD Consulting: Ich möchte gern auf die Geschlechtselektion im Brutei und das Thema Bruderhahn-Aufzucht zu sprechen kommen. Ab 2024 ist diese Selektion ab dem 7. Tag verboten. Wie soll das funktionieren? Sollte nicht besser die gegenwärtige Methode ab 8. Tag beibehalten und weiterentwickelt werden? Ansonsten sehe ich die Gefahr, dass es bald nur noch die unkontrollierte 49-Tage-Aufzucht von Bruderhähnen außerhalb Deutschlands gibt, um daraus Tierfutter zu gewinnen.
Das teile ich. Den ganzen Ansatz, Küken über längere Strecken zu transportieren und dann buchstäblich groß zu hungern, lehnen wir entschieden ab. Hinzu kommt, dass wir uns mit der Aufzucht von Bruderhähnen ein neues Tierschutzproblem geschaffen haben. Deswegen sage ich: Lieber das Risiko eines kurzen Schmerzes beim Zerstören des Eies eingehen, der bei der Geschlechtsfrüherkennung passiert als Tiere groß zu hungern und sie für Tierfutter großzuziehen. Laufende Untersuchungen der TU München könnten zudem zu dem Ergebnis kommen, dass das Schmerzempfinden etwas später einsetzt als bisher angenommen.
Caspar von der Crone, CD Consulting: Vor allem gibt es keine Vorgaben für die Aufzucht von Bruderhähnen.
Ja genau. Ich glaube auch, dass sich die NGOs dieses Themas mehr annehmen und den Ausstieg aus diesem Großhungern fordern müssen. Die Albert Schweitzer Stiftung hat deshalb vor einiger Zeit eine Anfrage beim Lebensmitteleinzelhandel gemacht, um herauszubekommen, wie hier mit diesem Thema umgegangen wird. Was ich jetzt mitbekomme, ist die Verlagerung der Produktion ins Ausland, wo wir keine Kontrollen mehr haben und es keine richtigen Vorgaben gibt.
Caspar von der Crone, CD Consulting: Funktioniert die Aufzucht von Bruderhähnen aus Ihrer Sicht überhaupt?
Ich glaub schon, dass es geht. Aber es muss ganz anders gedacht werden. Wenn man die Bruderhahnaufzucht ernsthaft betreiben will, muss es klare Tierschutzkriterien dafür geben. Am besten werden diese Kriterien von der Bundesregierung definiert und dann zuverlässig von den Ländern und der Wirtschaft kontrolliert.
Caspar von der Crone, CD Consulting: Mit 49 Tagen sind Bruderhähne noch kleine Burschen. Nach meiner Auffassung sollten sie mindesten 1,5 bis 1,6 Kilogramm wiegen, bevor sie geschlachtet werden. Das können konventionelle Betriebe gar nicht leisten. Für sie ist die Selektion sinnvoll, oder?
Das sehe ich sehr ähnlich. Wenn Bruderhähne aufgezogen werden sollen, muss das nach vernünftigen Bedingungen und Kriterien geschehen, die dann auch wirklich vor Ort kontrolliert werden. Dies alles ist leider gerade nicht gegeben und wir müssen ganz schnell wieder davon wegkommen. Die Früherkennung im Ei und vor allem der Einsatz von Zweinutzungsrassen sind für den Tierschutz die bessere Entscheidung. Mit den Zweinutzungstieren könnten wir auch das Thema Qualzucht gut mit angehen.
Caspar von der Crone, CD Consulting: Noch einmal zur Haltung von Zweinutzungshühnern. Diese halte ich insbesondere für den ökologischen Bereich für zielführend. Aber es scheitert an der Verfügbarkeit der Tiere!
Grundsätzlich sehe ich, dass sich der Biobereich vom konventionellen Bereich differenzieren muss. Im Moment lebt er noch sehr von seinem Heiligenschein. Da wären Zweinutzungslinien eine gute Wahl. Wie sich das am Markt am besten durchsetzt und wer dann für die Zucht zuständig ist, da bin ich ein bisschen überfragt.
Geflügelnews: Was mich noch interessiert, ist ihre Vision der Verbreitung einer veganen Lebensweise. Zumindest wird dies auf der Website der Albert Schweitzer Stiftung so dargestellt. Werden wir irgendwann alle kein Fleisch mehr essen und demzufolge auch keines mehr produzieren?
Ich lebe seit 2005 vegan und freue mich über jeden, der das macht. Aber ich bin Realist und weiß, dass der Anteil der Veganer in Deutschland bei rund 1 Prozent liegt. Niemand von uns wird eine vegane Welt erleben. Da muss man realistisch bleiben. Deshalb konzentrieren wir unsere Anstrengungen auf die Anhebung der Mindeststandards bei der Haltung von Nutztieren und lassen dies mit einem niedrigeren Fleischkonsum Hand in Hand gehen. Ich glaube daran, dass sich die Flexitarier-Bewegung ausbreiten wird und immer mehr Menschen immer weniger Fleischprodukte konsumieren, diese aber bewusster einkaufen. Wenn dies geschieht, wären wir einen großen Schritt weiter.
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