Manchen Geflügelhalter schreckte die Meldung auf: In Frankreich haben sich gegen die Geflügelpest geimpfte Enten infiziert. Für die Wissenschaft ist das aber keine Überraschung. Die Impfung bietet keinen absoluten Schutz. Ihr Zweck ist, Infektionen und Übertragungen zu reduzieren.
Frankreich ist in den vergangenen Jahren sehr stark von der Geflügelpest (Aviäre Influenza, AI) betroffen gewesen. Insbesondere traf es Betriebe mit der dort weit verbreiteten Entenmast. Das sorgte für immense wirtschaftliche Schäden. Deshalb hat Frankreich im vergangenen Herbst mit einer großangelegten Kampagne zur Impfung von Enten gegen die Geflügelpest begonnen.
In bislang zwei teilnehmenden Betrieben gab es jetzt trotz Impfung eine Infektion. Die Bestände mussten geräumt werden. Nicht überrascht von dem vermeintlichen „Impfdurchbruch“ ist Prof. Dr. Martin Beer, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik und Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Insel Riems.
AI-Impfung ist kein absoluter Schutz
„Die Impfung ist kein 100prozentiger Schutz gegen eine Infektion,“ erläutert er. Sie verfolge das Ziel, Infektionen und in Folge Übertragungen auf andere Tiere oder Betriebe zu reduzieren. „Durch die Geflügelpest-Impfung wird die Empfänglichkeit für eine Infektion mit Feldvirus drastisch reduziert. Wenn aber von außen eine ausreichende Feldvirus-Last in einen Betrieb getragen wird oder zum Zeitpunkt des Eintrages die Immunität nicht mehr oder noch nicht voll ausgeprägt ist, kann es trotzdem zu einer Infektion bei geimpften Tieren kommen. So ist es jetzt in Frankreich passiert,“ sagt der Wissenschaftler.
Diese geimpften und trotzdem mit Feldvirus infizierten Tiere scheiden aber in der Regel deutlich weniger Feldvirus aus als ihre ungeimpften Artgenossen. Die Gefahr einer Weiterverbreitung zum Beispiel zu nahegelegenen Nachbarbetrieben wird so deutlich reduziert. Trotzdem müssen diese Betriebe aber in jedem Fall zur Risikominimierung geräumt werden.
In Frankreich gab es bei den großen Geflügelpest-Zügen der vergangenen Jahre viele Sekundärinfektionen. Dort ist die Entenmast räumlich stark konzentriert, ähnlich wie etwa die Geflügelmast im Nordwesten Niedersachsens. Eine präventive Impfung könnte „Flächenbrände“ der AI, wie es sie in den Vorjahren gab, verhindern.
Impfstofftestung in mehreren EU-Ländern
Mehrere Länder führen Labortestungen von Geflügelpestimpfstoffen durch, so zum Beispiel die Niederlande, Italien und auch Deutschland. Hierbei soll die Leistungsfähigkeit verschiedener Impfstoffkonzepte an verschiedenen Geflügelarten näher untersucht werden. In Deutschland (am FLI) werden Impfstoffe derzeit vergleichend an Gänsen getestet.
Werden Geflügelpestimpfstoffe im Feld eingesetzt, ist laut EU eine sehr engmaschige Überwachung der geimpften Bestände vorgeschrieben. Diese engmaschige Überwachung ist sehr zeit- und kostenaufwändig und wird deshalb neben den möglichen Handelsrestriktionen als ein weiteres Hemmnis bei der Umsetzung von AI-Impfungen in großem Maßstab diskutiert.
Prof. Dr. Martin Beer: „Wir sind, was die wissenschaftliche Arbeit bezüglich AI angeht, sehr gut vernetzt in der EU. Wir lernen jetzt durch die Impfversuche sehr viel, auch was die besten Überwachungsmaßnahmen sein können, wie man sie am besten umsetzen kann. Das ist sehr wichtig für die Weiterentwicklung einer guten Impfstrategie.“
Impfung nur ein Baustein von mehreren
Der FLI-Experte betont, dass die Impfung nur als ein Baustein von mehreren in der Vogelgrippe-Bekämpfung gesehen werden kann. Unter bestimmten Begebenheiten und der Gefahr einer hohen Zahl von Sekundärausbrüchen in sehr geflügeldichten Gebieten sei die bisherige Bekämpfungsstrategie mit dem Fokus Früherkennung, Biosicherheit und Räumung der Bestände unter Umständen nicht mehr ausreichend. Die Vogelgrippe ist endemisch geworden in der Wildvogelpopulation, so dass der Infektionsdruck groß ist und die Gefahr von Einträgen in kommerzielle Geflügelhaltungen dadurch über das ganze Jahr hinweg erheblich erhöht wurde. Um fortlaufende Massentötungen von Geflügel zu verhindern und nicht zuletzt wegen der hohen Kosten, die mit der Tötung infizierter Bestände verbunden ist, will auch die EU inzwischen auf die Impfung als weitere Präventivmaßnahme setzen.
„Bei allen anderen Maßnahmen - etwa der Früherkennung und Biosicherheit - darf natürlich auf keinen Fall nachgelassen werden,“ mahnt Prof. Dr. Martin Beer. Das Risiko eines Geflügelpest-Eintrags in Bestände wird für Deutschland von seinem Institut nach wie vor als „hoch“ eingeschätzt.
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