Seitdem die Geflügelpest massenhaft Wildvögel – darunter bedrohte Arten – dahinrafft und auch Säugetiere infiziert wurden, befassen sich nicht mehr nur Fachmedien damit. Einige schüren die Angst vor einer neuen Zoonose.
Zoonose-Gefahr Geflügelpest: (Noch) kein Grund zur Panik!
Seit der weltweiten Ausbreitung des Corona-Virus wissen die meisten Menschen mit den Begriffen Zoonose und Pandemie etwas anzufangen – und werden aufmerksam, wenn diese in anderen Zusammenhängen genannt werden. Ängste können leicht geschürt werden, was in jüngerer Zeit auch bei Berichten zur Geflügelpest (AI) der Fall ist.
Das merkt auch das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI). Als Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit und Bundesoberbehörde ist es die erste Anlaufadresse in Deutschland beim Thema Tierseuchen und deren massenhafte Verbreitung (Pandemie) oder deren möglicher Übertragbarkeit auf Menschen (Zoonose).
Geflügelpest-Infektion einer Nerzfarm sorgte für viele Anfragen beim FLI
Wie das FLI auf seiner Homepage (www.fli.de) berichtet, führten Berichte über AI-Infektionen von Säugetieren und speziell der Fall einer infizierten Nerzfarm in Spanien im Oktober 2022 zu verstärkten Anfragen. Auf einer Pressekonferenz informierte Prof. Dr. Martin Beer vom FLI jetzt zusammen mit zwei Wissenschaftlern aus Spanien und Großbritannien zum aktuellen Stand bei der Geflügelpest. Veranstaltet wurde die Pressekonferenz vom „Science Media Center Deutschland“.
Die Geflügelpest hat sich inzwischen weltweit verbreitet, die beiden einzigen noch nicht betroffenen Kontinente sind Australien und die Antarktis. Jüngste Meldungen kommen aus Südamerika, wo das Virus mittlerweile in elf Ländern wütet. Hinzu kommt, dass AI heute seine Saisonalität verloren hat. Sie ist in vielen Ländern Europas 2022 auch den Sommer über aufgetreten.
Wissenschaftler beunruhigt wegen vieler AI-Varianten
Wie Prof. Dr. Beer berichtete, kommt der hochpathogene H5N1-Subtyp dabei in mindestens 30 Varianten vor. Das beunruhigt die Wissenschaftler. Prof. Dr. Ursula Höfle von der Universität Castilla-La Mancha, Spanien, wies auf die Gefahr hin, dass die vielen Virus-Varianten und die weite Verbreitung die Chancen des Virus verbessern, sich anzupassen, zu verändern und ggf. auf andere Wirte zu gelangen. Bis zum vergangenen Jahr gab es in Spanien durch die starke Sonneneinstrahlung und hohen Temperaturen nur sporadische Geflügelpest-Ausbrüche im Sommer. Im vergangenen August hatte es auf der iberischen Halbinsel jedoch viele Fälle gegeben: „Das ist wirklich, wirklich beispiellos und zeigt, dass sich dieses Virus in vielerlei Hinsicht verändert hat,“ stellte sie fest.
Je mehr Varianten es gibt und in je mehr „Umfeldern“ sich das Virus bewegt, desto größer wird das Risiko gesehen, dass es auch auf Säugetiere überspringen („Spill-over“) und sich dann von Säugetier zu Säugetier verbreiten könnte. Laut Prof. Höfle wäre das beim genannten Fall der Nerzfarm in Spanien denkbar.
An Geflügelpest verendete Seelöwen in Peru
Anfang dieses Monats waren an der Küste Perus Hunderte verendeter Seelöwen gefunden worden. Bei ihnen wurde das H5N1-Virus nachgewiesen. Parallel dazu waren in der Region 55.000 am Virus verendete Wildvögel wie Pelikane, Möwen und Pinguine entdeckt worden. Ob es hier eine Übertragung des Virus von Seelöwe zu Seelöwe gegeben hat, ist derzeit noch nicht geklärt. Das berichtete auf der Pressekonferenz Prof. Dr. Ian H. Brown von der „Animal and Plant Health Agency“ in Weybridge, Großbritannien. Es könne auch sein, dass die Seelöwen die infizierten Vögel gefressen und sich darüber infiziert hätten.
Wissenschaftler einig: Keine akute Zoonose-Gefahr
Deutlich sagten die Experten auf der Pressekonferenz, dass die Geflügelpest bislang keine Zoonose ist, also eine auf den Menschen übertragbare Erkrankung. Auch wenn es schon Fälle von Infektionen bei Menschen gegeben habe. Dabei waren oft Personen betroffen, die in engem Kontakt zu Geflügel standen. Eine Infektion wäre etwa möglich, wenn eine offene Wunde in Kontakt zu einem infizierten Tier käme oder ein infiziertes Tier verzehrt würde. Jedoch sind bislang keine Fälle bekannt, dass das Geflügelpest-Virus von Mensch zu Mensch weitergegeben wurde.
Nach Einschätzung von Prof. Beer gibt es mehrere Hürden für das Virus, sich an den Menschen anzupassen. Dazu gehört auch eine angeborene Immunität beim Menschen. Nerze besitzen diese angeborene Immunität beispielsweise nicht in dem Maße. Sorgen müsse man sich machen, wenn Schweine vom Geflügelgrippe-Virus infiziert würden. Sie sind dem Menschen sehr ähnlich, was die Immunabwehr angeht: „Ein an Schweine angepasster H5-Virus wäre sehr besorgniserregend,“ sagte Prof. Beer.
Wachsam sein und das Virus weltweit im Blick behalten
Einig waren sich die drei Wissenschaftler, dass man den weiteren Verlauf des Geflügelpest-Geschehens weltweit genauestens im Auge behalten und überwachen müsse. Denn nur dann könne schnell reagiert werden, wenn das Virus doch auf den Menschen überspringen und von Mensch zu Mensch weiterlaufen würde. Die Notwendigkeit des Überwachens und schnellen Reagierens sei eine Erkenntnis aus der Corona-Pandemie mit ihren schlimmen Auswirkungen. Dort ist die Vermutung, dass sie ihren Ursprung in asiatischen Fledermäusen hat.
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