Wir treten mit ungewöhnlichen Produkten neue Pfade aus!

30 Januar 2023
Spezialgeflügel
Christine Bremer

Wo stehen Sie mit Ihrem Betrieb heute? Wo drückt der Schuh am meisten? Wo würden Sie Ihr Unternehmen in einem Jahr gern sehen und wo ergeben sich Entwicklungschancen für Ihren Betrieb? Und was sollte in der Agrarpolitik passieren, damit sich die Entwicklung in der Geflügelwirtschaft in die richtige Richtung dreht? Das haben wir Anfang Januar einige Geflügelhalter und Geflügelhalterinnen gefragt. Wir freuen uns, dass inzwischen die ersten Antworten vorliegen. Den Anfang macht Christine Bremer vom Heidegeflügel-Hof in Suhlendorf (bei Uelzen). 

„Wir bewirtschaften in der Nähe von Uelzen einen ökologischen Betrieb mit 50 Hektar Ackerbau und einer Geflügelhaltung, die wir breit aufgestellt haben. Unser Spektrum reicht von der Elterntierhaltung über die Brut, die Aufzuchten, die Jungtiere bis zum Fleischverkauf. Wir halten Zweinutzungshühner, verschiedene Rassetiere, die zur Zweinutzung geeignet sind, und Puten. Wir vermarkten Eier, Jungtiere und legereife Tiere. Auch das Fleisch verkaufen wir selbst ab Hof. 

 

"Kennzeichnend für uns ist, dass wir kein einziges Nullachtfünfzehnprodukt haben. "

Kennzeichnend für uns ist, dass wir kein einziges Nullachtfünfzehnprodukt haben. Wir gehen in unserem Betrieb bewusst neue Wege und wollen eine ehrliche und authentische ökologische Geflügelhaltung betreiben, die Vielfalt bietet und transparent ist.

Kein „weiter so wie bisher“

Dazu gehört nach meinem Verständnis deutlich mehr als dieses „weiter so wie bisher“, das so oft praktiziert wird. Es gehört dazu, dass wir uns von der Masse abheben und dass unser Wirtschaften auch für den Kunden erlebbar wird. Leider ist derzeit selbst bei den Bioverbänden -wir sind Mitglied bei Bioland und im Demeter-Verband - eine starke Verwässerung in Richtung EU-Bio festzustellen. Zur Recht kritisieren Konsumenten deshalb nach meiner Ansicht dieses Bio und fühlen sich nicht ernstgenommen, weil sie natürlich die Unregelmäßigkeiten, die es auch in diesem Bereich gibt, wahrnehmen. 

Mit unserem Betrieb verfolgen wir deshalb konsequent die Spur einer authentischen Ökoproduktion. Das gelingt, weil wir sehr ungewöhnliche Produkte haben. Bunte Eier bietet einfach keiner außer uns im deutschen Supermarkt an. Und Zweinutzungshühner sind am Markt überhaupt nicht etabliert. Aber die Menschen, die sich damit intensiver befassen, sind dann erfahrungsgemäß davon begeistert. 

Robustputenhähne
Coffee-Elternhahn und -henne
Marans Elterntiere
Putenamme mit Jungtieren

Mut zu unattraktiven Entscheidungen

Mir ist klar, dass es sich nicht jeder Landwirt leisten kann, mutig oder auch übermütig in eine Nischenproduktion zu starten. Das ist nicht jedem gegeben und bedeutet sehr viel Risiko. Jemand, der seinen Betrieb seit Generationen führt, kann so ein Risiko gar nicht eingehen. Er hat einfach sehr viel zu verlieren. Die Verantwortung, hier etwas zu ändern, liegt nach meiner Meinung in der Politik. Und sie liegt nicht beim Verbraucher, der sein Portemonnaie weiter aufmachen soll. Politiker müssen steuern und dafür sorgen, dass zum Beispiel die Soja-Importe aus Südamerika aufhören, die hier zu Stickstoffüberschuss führen. 

"Wir Landwirte haben in erster Linie die Verantwortung für das Tier und den Boden."

Ich wünsche mir sehr, dass die Politik diese Wende mal hinkriegt und dass Politiker den Mut haben, unattraktive Entscheidungen zu fällen und tatsächlich einmal den Weg in die richtige Richtung zu zwingen. Wichtig finde ich es, Landwirtschaft vom Boden oder vom Tier aus zu denken. Wir Landwirte haben in erster Linie die Verantwortung für das Tier und den Boden. Und in zweiter Linie müssen wir zusehen, dass wir das dem Konsumenten schmackhaft machen. Allein von unseren Höfen aus können wir das aber gar nicht bewerkstelligen. Da sind wir massiv auf den Handel angewiesen und darauf, dass er mit uns an einem Strang zieht.

Absatzschwierigkeiten

Beim Absatz des Fleisches und der Eier haben wir mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen. Das liegt daran, dass wir mit Zweinutzungsrassen arbeiten und nicht mit hochleistenden Tieren und für unsere Produkte einen höheren Preis aufrufen müssen. Dazu kommt, dass wir mit unserer Vermarktung in der ungünstigen Nach-Coronaphase starteten, just in dem Moment als in der Ukraine der Krieg losging. Das war für den Start einer Unternehmung eher ungünstig.

Ausblick: Wie sieht die Landwirtschaft in 20 Jahren aus?

In 15 bis 20 Jahren wird es nach meiner Ansicht nicht mehr diese Trennung zwischen ökologisch und konventionell geben. Ich wünsche mir sehr, dass es dann wieder mehr regionale Landwirtschaft in bäuerlichen Strukturen betrieben wird und weniger Agrarfabriken. Es wäre schön, wenn die Landwirtschaft in Zukunft näher am Menschen ist, so dass der Kunde mehr Bezug zu seinen Lebensmitteln hat. Ich fände es auch gut, wenn sich unter der Verbraucherschaft immer mehr Leute fänden, die selbst Geflügel halten – vielleicht ein paar Stück Mastgeflügel selber mästen, und es mehr Möglichkeiten gebe, dass Leute auf Betriebe kommen. Der Kontakt wischen Konsumenten und Erzeugern muss wieder besser möglich sein. Die Leute müssen wieder einschätzen lernen, welche Konsequenzen ihr Kaufverhalten hat.“

Christine Bremer
Bild: Christine Bremer

Reagieren

Geflügelnews lädt Sie ein, auf Artikel zu reagieren und schätzt Reaktionen mit Inhalt. Die Redaktion behält sich das Recht vor, beleidigende oder kommerziell motivierte Reaktionen ohne Angabe von Gründen zu entfernen.