Beim Geflügel hat Deutschland viele EU-Insellösungen geschaffen. Mehr Tierwohl, mehr Platz, mehr Regionalität sollen sein. Das treibt die Produktionskosten hoch. Der Abstand zu anderen Ländern wird immer noch größer. Aber: Nachhaltiger wird die Produktion hierzulande so nicht.
Deutschland ist Mitglied in der EU. In der Landwirtschaft, speziell auch in der Tierhaltung, geht Deutschland allerdings gerne eigene Wege. Hierzulande gelten teilweise höhere Anforderungen als bei unseren EU-Nachbarn. Ein Beispiel ist das Verbot des Kükentötens bei Legerassen. Es gilt bislang in Deutschland und Frankreich.
Verbot Kükentöten hatte enorme Auswirkungen
Angedacht ist zwar ein EU-Gesetz hierzu. Das lässt allerdings noch auf sich warten. Prof. Dr. Rudolf Preisinger, EW Group, geht davon aus, dass es frühestens 2026 oder 2027 kommen könnte. Der deutsche Ausstieg aus dem Kükentöten habe jedoch bereits erhebliche „Nebenwirkungen“ gehabt: Die Zahl der Brütereien in Deutschland ist innerhalb kürzester Zeit erheblich zurückgegangen, es gibt in Folge deutlich mehr Kükenimporte und es wurden sehr viele Bruderhähne aufgezogen. Letztere haben bekanntlich eine sehr schlechte Ökobilanz wegen mangelnder Zunahmen und Futterverwertung.
Wäre das Gesetz nicht noch quasi in letzter Minute abgeändert worden (Geschlechtsbestimmung im Brutei bis Tag 12 anstatt bis Tag 6 erlaubt), müssten heute noch immer sehr viele Bruderhähne aufgezogen werden. Hierfür gibt es keine Kapazitäten in Deutschland, sprich die Eintags-Bruderhähne wurden in großem Stil zum Beispiel nach Polen verbracht.
Prof. Preisinger befasste sich auf dem 11. Osnabrücker Geflügelsymposium mit der Frage, was solche deutschen Insellösungen für die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Geflügelbranche bedeuten. Zusätzliche Anforderungen können auch von Seiten der Verbraucher, der Gesellschaft oder des Lebensmittelhandels kommen. Dazu zwei Beispiele im Sinne von mehr Tierwohl: Masthähnchen und Puten sollen mehr Platz im Stall haben oder Außenklima bzw. Auslauf und/oder sie sollen langsamer wachsen.
Zielkonflikte Tierwohl und Nachhaltigkeit
Die „Kehrseite der Medaille“ wird oft vergessen: Bei einer Leistungsbegrenzung braucht man mehr Tiere, um die gleiche Menge an Lebensmittel zu erzeugen, oder die Tiere haben einen höheren Erhaltungsbedarf. Bei mehr Platz im Stall braucht es mehr Ställe und mehr Energie, da weniger Tiere im Stall weniger Eigenwärme erzeugen.
Prof. Preisinger ktitisierte, dass die Zielkonflikte zwischen Tierwohl und Nachhaltigkeit gerne ausgeblendet werden: „Sie passen nicht in ein idealisiertes Weltbild“, sagte er in Osnabrück. Nachhaltigkeit ist heute aber oberstes Gebot in allen Wirtschaftsbereichen.
Prof. Preisinger: „Nachhaltigkeit heißt auch eine effiziente Nutzung begrenzter Ressourcen.“ Das spreche zum Beispiel für eine beste Futterverwertung. Die wiederum gibt es bekanntlich bei bester Leistung. Nachhaltigkeit verlange also eher eine Effizienzsteigerung.
Produktionskosten steigen weiter bei uns
Schon heute ist Deutschland im Hintertreffen bei den Produktionskosten. Das gilt nicht nur wegen bestehender rechtlicher Unterschiede, sondern auch, weil Energie, Fläche oder Arbeitskräfte bei uns teurer sind als in anderen Ländern. Das gilt verstärkt gegenüber Mitbewerbern außerhalb der EU. Prof. Preisinger hierzu: In Indien wächst eine große Eierproduktion heran, die Markterlöse liegen dort bei weit weniger als der Hälfte der Erlöse hierzulande. Schon heute werden jährlich für 5,5 Mio. Euro Eier aus Indien in die EU importiert.
„Asien oder Latein-Amerika können liefern und auch sie werden ihre Effizienz weiter steigern“, sagte er. In diesem Sinn plädierte er für eine nachhaltige Intensivierung hierzulande, beim Tierwohl mehr wissenschaftlich basierte Kriterien anstatt reiner Platzvorgaben und eine Diskussion mit Verbrauchern, die die wahren Kosten für mehr Tierwohl dann auch zahlen müssten.
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