Neue Wartezeitenregelung: Da ist der Wurm drin

05 Juni 2023
Stallmanagement
Henne

Seit Anfang 2022 muss bei der Vermarktung von Öko-Eiern eine Wartezeit eingehalten werden, wenn mit chemisch-synthetischen Mitteln entwurmt wurde. Für den Tierschutz ist die Neuregelung kontraproduktiv – sagen Tierärzte und Praxis. 

Die Anfang 2022 in Kraft getretene EU-Öko-Verordnung soll mit der neuen Wartezeitregelung für konventionelle Wurmbehandlungen (Behandlungszeit plus 48 Stunden) mehr Verbraucherschutz bringen. Rückstände in Eiern durch chemisch-synthetische Wurmmittel sollen verhindert werden. Dem Tierschutz hat man damit aber kaum einen Gefallen getan. Die verfügbaren alternativen Mittel ohne Wartezeit haben, nach jetzigem Erkenntnisstand, keine adäquate Wirkung.

Das war klare Meinung bei einem Fachaustausch zum Thema in Haren, Landkreis Emsland (Niedersachsen). Annette Alpers, Naturland Fachberatung und Koordinatorin im Öko-Geflügelbereich, hatte dazu eine kleine Gruppe von Praktikern, Beratern, Tierärzten und Wissenschaft eingeladen. Deutlich sagte sie, dass man kurzfristig an der Neuregelung nichts ändern kann. „Aber wenn es neue Erkenntnisse gibt, ist die EU-Kommission auch bereit, diese anzuhören,“ betonte sie. Vielleicht gebe es doch noch einen besseren Kompromiss zwischen alter (0 Tage Wartezeit) und neuer Verordnung (in jedem Fall 48 Stunden).

Eindrucksvolle Zahlen zur Wurmbelastung

Fakt ist, dass es ohne Entwurmung in der Legehennenhaltung quasi nicht geht – egal, ob konventionelle oder Öko-Haltung. Eindrucksvolle Zahlen dazu lieferte Dr. Birgit Spindler von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo). Im Rahmen eines Projektes, das Managementmaßnahmen zur Verhinderung von Federpicken und Kannibalismus entwickelte, wurden auch Kotuntersuchungen auf Wurmeier durchgeführt. Ein Befall mit Würmern bedeutet Stress für die Tiere und kann ggf. Fehlverhalten wie Federpicken oder Kannibalismus begünstigen. Das Fazit des Projekts:

  • In allen 29 Herden aus Boden-, Freiland-, und Bio-Haltung wurden zu wenigstens einem Besuchstermin (5 Besuchstermine/Herde von Einstallung bis Schlachtung) Wurmeier nachgewiesen.
  • Im Verlauf der Haltungsperiode nahm der Anteil Herden mit Nachweis von Wurmeiern zu.
  • Gefunden wurden überwiegend Eier von Spul- und Bandwürmern, aber auch anderer Wurmarten.
  • Trotz Entwurmungen in Beständen bekam man sie nicht ganz wurmfrei.

Laut der Wissenschaftlerin gibt es zwar eine ganze Reihe von alternativen (pflanzlichen) Produkten zur Wurmbehandlung ohne Wartezeit. Zu ihrer Wirksamkeit gibt es aber bislang überwiegend nur Laborversuche. Dr. Spindler bescheinigte den pflanzlichen Wirkstoffen zwar Potenzial, ggf. in Ergänzung zu den synthetischen Mitteln, aber sie sah noch sehr viel Forschungsbedarf.

Dr. Anne Weissmann von der Tierärztlichen Gemeinschaftspraxis Dres. Arnold, Ankum, bestätigte aus ihrem Praxisalltag die Erkenntnisse der Kollegin von der TiHo. Seit Inkrafttreten der neuen EU-Bioverordnung haben etwa die Befunde von Bandwürmern bei Legehennen zugenommen.  

Sehr viel probieren mit alternativen Mitteln

Nach der Einführung der Wartezeiten bei Ökoherden hat ihre Geflügelfachpraxis sehr viel mit alternativen Mitteln getestet, die sowohl über Futter oder über Wasser eingesetzt werden. Zusammenfassend lautete ihr bisheriges Fazit, dass die alternativen Mittel für eine zufriedenstellende Bekämpfung in der Breite nicht ausreichen: „In wenigen Herden gab es Effekte, in sehr vielen Herden sieht man gar keine Effekte.“ Zudem gab es Probleme zum Beispiel mit verklebten Tränken. Leistungen und Futter-/Wasserverzehr gehen teilweise runter.

Was ein Austausch von Material im Auslauf stallnah für Auswirkungen hat, ist aktuell zu wenig erforscht, also ob zum Beispiel ein Austausch von Hackschnitzeln der Anreichung von Wurmeiern entgegenwirkt. Ergebnisse aus der Schweiz lassen dies nach Information von Annette Alpers vermuten.

Dr. Andreas Hemme: „Wir beobachten, dass sich der Zustand vieler Öko-Herden seit Beginn des vergangenen Jahres sichtbar verschlechtert hat. Meines Erachtens liegt das an den neuen Wartezeiten-Regelungen und der Umstellung auf 100 % Ökofutter.“

Dr. Andreas Hemme, Geflügelfachtierarzt von der Praxis für Geflügel GbR, Vechta, musste feststellen, dass sich der Zustand vieler Öko-Herden seit Beginn des vergangenen Jahres sichtbar verschlechtert habe. Er machte dafür die neue Wartezeit-Regelung bei Wurmbehandlungen und Vitamin-Medikationen verantwortlich, aber ebenso die Umstellung von 95 % auf 100 % Ökofutter.

Marian Jonkeren vom Futtermittelhersteller Raiffeisen Ems-Vechte, berichtete von Problemen vor allem bei jungen Herden, wenn nur mit biozugelassenen Produkten gegen Würmer vorgegangen wurde. Seine persönliche Empfehlung aus seinen bisherigen Erfahrungen: Bis 50., 60. Lebenswoche oder etwas länger konventionell entwurmen und danach schauen, ob es mit den alternativen Produkten geht. Hierzu diskutierte die Runde, ob man aus tierärztlicher Sicht einen maximal tolerierbaren Grad von Wurmbelastung definieren kann, ab dem unbedingt konventionell entwurmt werden sollte. Letztlich ist diese Entscheidung aber eher herdenspezifisch zu treffen.

Bei Eierverträgen Wartezeitenregelung mit abklären

Marian Jonkeren wies zudem auf die teilweisen Vermarktungsprobleme bei Öko-Legehennenhaltern hin, die konventionell entwurmten und ihre Eier dann in der Wartezeit ja nicht mehr als Ökoeier vermarkten können. Er riet Öko-Betrieben, künftig bei neuen Eierverträgen mit zu verhandeln, wie die Eier bei erforderlichen konventionellen Entwurmungen bezahlt werden. Für sehr kleine Packstellen ist eine Unterbrechung der Belieferung mit Ökoeiern, weil eine Wurmkur nötig ist, natürlich schwieriger zu händeln als für große Packstellen. 

 

Marian Jonkeren: „Es gab im letzten Jahr teilweise Vermarktungsprobleme bei Öko-Legehennenhaltern, die konventionell entwurmten. Öko-Betriebe sollten bei neuen Verträgen mit verhandeln, wie die Eier bei erforderlichen konventionellen Entwurmungen bezahlt werden.“

Im Fachaustausch wurde beschlossen, ein Projekt anzuschieben, in dem Herden zur Wurmbehandlung vergleichend mit herkömmlichen und alternativen Produkten behandelt werden. Hilfreich wären in der Praxis auch detaillierte Erfassungen der Ist-Situation in der jeweiligen Herde, um rechtzeitig einer starken Verwurmung vorbeugen zu können. Ziel der Aktivitäten ist, belastbare Daten für eine Diskussion gegenüber Brüssel oder einen gezielteren Einsatz von chemisch-synthetischen Entwurmungsmitteln zu bekommen.  

Fakt ist, dass die neue Wartezeiten-Regelung Öko-Legehennenhalter viel Geld kostet.

 

Christa Diekmann-Lenartz
Bild: Christa Diekmann-Lenartz, Adobe_Lukas

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