„Herr Minister, machen Sie sich endlich ehrlich!“

16 Januar 2023
Deutschland
Heinrich Dierkes

„Werden die Vorhaben der Bundesregierung wie derzeit geplant umgesetzt, ist eine Verlagerung der Schweinehaltung ins Ausland sicher“, sagt die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) zu den drei Rechtsvorhaben, welche die Bundesregierung jüngst für die Schweinehaltung vorgelegt hat: der Einführung einer staatlichen Tierhaltungskennzeichnung, der Anpassung des Baugesetzbuches und dem Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung. Die Meinung der ISN: Özdemir muss sich endlich ehrlich machen, und klarstellen, dass er nicht die Transformation, sondern ausschließlich den Abbau der Tierzahlen und die Verdrängung der Schweine haltenden Betriebe verfolgt! Und wir fragen uns: Was kommt nach den Schweinen? Die Verdrängung der Geflügelproduktion ins Ausland?

„Ich bin seit 40 Jahren Schweinehalter, aber so viele Anrufe von verzweifelten Berufskollegen, die nicht mehr weiterwissen, habe ich noch nicht erlebt. Noch nie war die Angst der Bauern um ihre Betriebe so groß“, beschreibt Heinrich Dierkes, Vorsitzender der ISN die aktuelle Situation in der Schweinehaltung und resümiert: „Die Politik diskutiert seit über zehn Jahren über den Umbau der Tierhaltung und nachdem mit dem Borchert-Konzept ein breit getragener Konsens erreicht wurde - zu dem auch wir uns bekannt haben - wird in Berlin nun wieder alles zerschlagen. Das Vertrauen in die Politik von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir ist durch sein Handeln komplett verloren gegangen.“

Dabei hätte Minister Özdemir in Bezug auf den Umbau der Tierhaltung immer wieder wohlklingende Worte gefunden, schreibt die ISN in einer aktuellen Meldung. „Zukunftsfest kann landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland nur dann sein, wenn sie Landwirten eine Perspektive bietet, die ihnen auch ein gutes Einkommen ermöglicht“, hätte Özdemir auf einer Pressekonferenz erklärt und in einem weiteren Interview betont: „Jeder Hof, der dichtmacht, ist ein Verlust für die Vielfalt und Stärke des ländlichen Raums.“

Wirtschaftlicher Boden unter den Füßen weggerissen

„Herr Özdemir stellt sich selbst als Macher dar, der die Ärmel hochkrempelt und Perspektive und sichere Einkommen für die Landwirte schaffen will. Doch wenn man den wohlklingenden Worten des Ministers seine Taten gegenüberstellt, ist das genaue Gegenteil der Fall“, lautet das Urteil von Heinrich Dierkes. „Tatsache ist, dass Herr Özdemir mit den drei Rechtsvorhaben den Bauernfamilien den wirtschaftlichen Boden für ihre Betriebe unter den Füßen wegreißt! Alle Vorhaben sind komplett unabgestimmt. Das betrifft sowohl Beratungsgremien wie das Kompetenznetzwerk rund um Herrn Borchert und erst recht die fehlende Rückkopplung mit der Landwirtschaft – also den betroffenen Bauern! Dass es aus diesen Reihen und obendrein aus dem Bundesrat einhellige und massive Kritik gibt, scheint ihn jedoch nicht zu interessieren.“

Am Markt nicht umsetzbar

Die Heuchelei werde besonders durch die zuletzt dargelegten Eckpunkte des Bundesprogramms zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung deutlich. Abgesehen davon, dass die geplante Förderung für die Mehrheit der Schweinehalter kaum erreichbar sei, zeige die Kalkulation der ISN, dass beispielsweise ein Sauenhalter, der die Förderung in Anspruch nehme, am Ende durch die hohen Förderbedingungen sogar deutlich weniger Geld in der Tasche habe, als wenn er sie nicht in Anspruch genommen hätte. „Das ist absurd!“, kritisiert ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. „Diese Förderung dient nur wenigen Betrieben – zum Beispiel Biobetrieben – die aufgrund der bereits bestehenden Betriebsstruktur einen Mitnahmeeffekt nutzen können.“ Staack ergänzt: „So können die Schweinehalter den geforderten Umbau nicht bezahlen, denn erst recht angesichts der hohen Inflation lassen sich die notwendigen und deutlichen Preissteigerungen am Markt nicht durchsetzen.“

„Schluss mit der Heuchelei!“

„Daran zeigt sich deutlich, dass es dem Bundesminister nicht um die Transformation, sondern ausschließlich um den Abbau der Tierzahlen und die Verdrängung der Schweine haltenden Betriebe geht“, empört sich Dierkes und fordert: „Hier muss sich Herr Özdemir endlich ehrlich machen! Also Schluss mit der Heuchelei! Wer vorhat, die tierhaltenden Betriebe in Deutschland abzuschaffen, der sollte den Bauern dabei in die Augen gucken und ihnen genauso wie der Öffentlichkeit das ehrlich sagen.“

Die zentralen Kritikpunkte der ISN an den jüngsten Rechtsvorhaben

Mit dem geplanten Tierhaltungskennzeichnungsgesetz werden hiesige Schweinehalter erheblich benachteiligt und Verbraucher getäuscht, weil im Ausland erzeugte Ware nicht gekennzeichnet werden muss. Deutsches Schweinfleisch muss so mit ausländischem Fleisch konkurrieren, das unterhalb des deutschen Standards kostengünstiger erzeugt werden kann.

Die geplante Änderung des Baugesetzbuchs zur bauplanungsrechtlichen Erleichterung von Stallumbauten zu Tierwohlzwecken ist für die Betriebe, welche die Transformation stemmen sollen, nicht brauchbar, unter anderem weil bauliche Veränderungen ausschließlich in der bestehenden Gebäudehülle möglich sind – heißt: Umbau nur mit deutlicher und sehr teurer Bestandsabstockung.

Die Eckpunkte zum Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung stellen eine Förderung in Aussicht, die für die meisten Betriebe durch gesetzte Hürden nicht erreichbar ist. Zudem übersteigen die Kosten der zusätzlichen Förderbedingungen zumeist deutlich den Förderbetrag - eine Mogelpackung und Kostenfalle für die Betriebe.

Geflügelnews, ISN
Bild: ISN

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