Die Pläne der niederländischen Regierung zur Stickstoffreduzierung sorgen für Aufregung in der Geflügelwirtschaft und auch in anderen Bereichen der tierischen Produktion.
Demnächst weniger Eier aus den Niederlanden?
Wer sich in diesen Tagen durch die holländischen Agrar-Fachmedien blättert, dem fallen Überschriften auf wie: „80 Prozent der holländischen Landwirte werden verschwinden!“ „Das ist der totale Wahnsinn!“ „Landwirte werden geopfert!“ „Mit einem Federstrich werden hart arbeitende Familienbetriebe ausgelöscht!“ Warum empört sich gefühlt die ganze Agrarlandschaft Hollands so?
Pläne zur Stickstoffreduzierung in den Niederlanden
Konkret geht es um die aktuellen Pläne der niederländischen Regierung zur Emissionsminderung. Diese sehen nach der Einführung der so genannten Phosphat-Quote im Jahr 2018 nun die Reduzierung der Stickstoffemissionen vor, besonders in den Naturschutzgebieten. Nach dem Willen der niederländischen Regierung sollen diese allgemein um bis zu 70 %, in Naturschutzgebieten sogar um 95 % gesenkt werden. Ziel ist ein Umbau der Landwirtschaft, so dass bis 2030 der Ausstoß von Stickstoff um 50 % reduziert werden kann.
Auf welchem Weg die Regierung ihr Ziel erreichen will, ist derzeit noch nicht klar. Das Ausgestalten der Auflagen überlässt die Regierung jetzt den Provinzen. Sie sollen bis Mitte kommenden Jahres konkrete Maßnahmen ausarbeiten. Diskutiert wird, dass Tierhalter ihre Betriebsstandorte aufgeben oder verlagern könnten, sogar Zwangsenteignungen von Landwirten zur schnellen Lösung der so genannten Stickstoffkrise sind im Gespräch. Vor allem Landwirte, deren Betriebe in der Nähe von gefährdeten Naturschutzgebieten liegen, sollen enteignet werden. Als Ausgleich sollen die Landwirte bis einschließlich 2035 mit über 24 Mrd. Euro entlastet werden.
„Nicht auslöschen, sondern nachhaltiger gestalten“
Die holländischen Landwirte sind empört über diese Pläne. Sie wirkten sich katastrophal für die Landwirtschaft, die Lebensqualität und die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Provinzen der Niederlande aus, ist in der Plattform pluimveeweb.nl zu lesen. Hier werde das Lebenswerk vieler Generationen zerstört, weil Betriebe ihren Viehbestand reduzieren müssten bzw. wegen Enteignung oder Perspektivlosigkeit ganz aufgäben. Das könnte die tierische Produktion in den Niederlanden deutlich einschränken. Auch bei der vor- und nachgelagerten Industrie werden große Schäden befürchtet – z. B. in Mischfutterwerken und Schlachthöfen oder bei Transport- und Bauunternehmen. Man moniert, dass die Regierung außer Acht lasse, dass hinter jedem Landwirt zehn Arbeitsplätze stehen. „Unser Land wird praktisch bald alle Lebensmittel aus dem Ausland importieren müssen“, wird ein Branchenvertreter zitiert. Statt die Landwirtschaft in den Niederlanden auszulöschen, sollte man sich darauf konzentrieren, sie nachhaltiger zu gestalten.
Jedes zweite in Deutschland verzehrte Ei stammt aus den Niederlanden
Die niederländischen Pläne zur Stickstoffreduzierung haben auch Konsequenzen für die deutsche Geflügelwirtschaft, gilt unser Nachbarland doch nach den USA als weiterer bedeutender Exporteur von Agrarprodukten. Einige Zahlen aus dem Eierbereich belegen dies: So beträgt die niederländische Produktion von Konsumeiern laut EU-Kommission 625.000 Tonnen. Das sind etwa 10 Mrd. Eier, die von 31,4 Mio. Hennen gelegt werden. Der Großteil dieser Eier stammt aus Bodenhaltung (60,9 %), weitere 22,8 % aus Freilandhaltung. Der Bioanteil in den Niederlanden beträgt 8,6 %. Nach Angaben von „Agrimatie.nl“ lag der Selbstversorgungsgrad bei Eiern in den Niederlanden zuletzt bei 275 %. Er ist damit im Vergleich zu früheren Jahren (mit über 300 % Selbstversorgungsgrad) gesunken.
Das Gros der in Holland produzierten Eier und Eiprodukte wird exportiert. Und Deutschland gilt als bedeutendster Abnehmer von Schaleneiern und Eiprodukten. Die Lieferungen belaufen sich insgesamt auf ca. 4,5 Mrd. Schaleneier; die Eiprodukte kommen noch hinzu. Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel ist unser Nachbarland nach Expertenaussagen mit ca. 50 % vertreten. Das heißt: Jedes zweite Ei, das in Deutschland verzehrt wird, stammt aus den Niederlanden.
Entwicklung in den Niederlanden sorgt für Unruhe auch am deutschen Markt
Die Vorgaben der niederländischen Regierung zur Reduzierung von Stickstoff werden zu einem massiven Produktionsrückgang und damit auch einem spürbar geringeren Angebot am deutschen Markt führen. Allerdings haben viele Betriebe mittlerweile Standorte in Deutschland aufgebaut. Mit der geplanten Einschränkung dürfte es zu einer Verlagerung der Produktionsstätten in andere Länder kommen, insbesondere nach Osteuropa, so dass sich die Konsequenzen möglicherweise in Grenzen halten. Für Unruhe ist aber zunächst einmal gesorgt.
Reagieren
Geflügelnews lädt Sie ein, auf Artikel zu reagieren und schätzt Reaktionen mit Inhalt. Die Redaktion behält sich das Recht vor, beleidigende oder kommerziell motivierte Reaktionen ohne Angabe von Gründen zu entfernen.